Klage Jugoslawiens gegen NATO zurückgewiesen
16. Dezember 2004Bonn, 16.12.2004, DW-RADIO/Serbisch, Ejub Stitkovac
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat sich gestern für eine von der Bundesrepublik Jugoslawien eingereichte Klage nicht zuständig erklärt. Diese Klage war gegen acht NATO-Staaten wegen Genozids und illegaler Gewaltanwendung während der NATO-Luftangriffe 1999 eingereicht woden. Das Urteil verlas im Den Haager Friedenspalast der Präsident des Gerichtshofes, Shi Jiuyong, aus China. Darin heißt es, 15 Richter hätten einstimmig beschlossen, die Bundesrepublik Jugoslawien sei zu dem Zeitpunkt, als die Klage am 24. April 1999 eingereicht worden sei, nicht Mitglied der UN, der UN-Völkermordkonvention noch der Statuten des Internationalen Gerichtshofes gewesen, was für die Zuständigkeit des Gerichtshofes als erforderlich vorausgesetzt werde.
Dieser Beschluss des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag hat Serbien nicht überrascht. Er wird größtenteils als gute Nachricht gewertet. Ein Beitrag unseres Korrespondenten Ejub Stitkovac aus Belgrad:
Die Stellungsnahmen zu diesem Ereignis weisen in eine eher merkwürdige Richtung. Denn für Politiker und Juristen ist es von größerer Bedeutung, dass dieser Standpunkt des Gerichtshofes Serbien-Montenegro zugute komme – beispielsweise bei der Klage von Bosnien-Herzegowina wegen Aggression und Völkermord. Außenminister Vuk Draskovic warnt als einer der wenigen Staatsvertreter vor voreiligen Schlüssen, dass bei den Klagen von Bosnien-Herzegowina und Kroatien gegen Serbien-Montenegro bzw. die Bundesrepublik Jugoslawien der Gerichtshof ebenso verfahren würde. Er erinnerte daran, dass sein Vorschlag, die Klage zurückzuziehen, sinnvoller gewesen wäre. Damit hätte der Staat moralisch und politisch beim Westen Pluspunkte sammeln können.
Ferner weisen einige Juristen darauf hin, dass Prognosen verfrüht seien. Zunächst müsse der 27. Februar kommenden Jahres abgewartet werden, denn dann werde der Gerichtshof die Klage von Bosnien-Herzegowina erörtern. Der Jurist Nenad Konstatinovic hat das gesamte Verfahren in Den Haag aufmerksam verfolgt. Er sagte gegenüber DW-RADIO: "Ich glaube, dass wir und das Team, das Serbien-Montenegro vertrat, einen solchen Beschluss des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag erwartet haben. Interessant dabei ist, dass sich der Gerichtshof für nicht zuständig erklärt hat, weil Serbien und Montenegro zu dieser Zeit nicht UN-Mitglied war. Das selbe Argument trugen wir bei den Klagen von Bosnien-Herzegowina und Kroatien gegen Serbien-Montenegro vor. Ich glaube, das ist schlussendlich gut für uns und wird sich zu unseren Gunsten auswirken". Konstatinovic zufolge muss der Internationale Gerichtshof den selben Maßstab in allen Fällen anlegen.
Der Fraktionsvorsitzende der G17 Plus, Miloljub Albijanic, unterbreitete den Vorschlag, dass Bosnien-Herzegowina und Kroatien einen außergerichtlichen Vergleich mit Serbien-Montenegro schließen sollten. "Wir alle haben das gleiche Ziel, und zwar den EU-Beitritt. Demnach ist eine Kooperation unumgänglich", so Albijanic. (md)