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Klage gegen Tennisverbände ATP und WTA: Spiel, Satz, Reform?

25. März 2025

Die Tennisszene diskutiert über eine spektakuläre Klage, mit der die Profis mehr Rechte fordern. Eingereicht hat sie die von Superstar Novak Djokovic gegründete Spielergewerkschaft PTPA. Wir erklären, worum es geht.

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Novak Djokovic jubelt bei den Olympischen Spielen in Paris über seine Goldmedaille
Olympiasieger Novak Djokovic hat die Spielergewerkschaft PTPA mit gegründet, die nun für Wirbel im Tennis sorgtBild: Marijan Murat/dpa/picture alliance

Worum geht es in der Klage?

Eine Spielergewerkschaft und eine Gruppe von Tennisprofis werfen den Verbänden ATP, WTA und ITF sowie der von ihnen gegründeten Organisation ITIA eine "wettbewerbswidrige und rechtswidrige Führung des Tennissports" vor. Sie hätten ein Kartell gebildet, um potentielle Mitbewerber aus dem Markt zu halten und die Anteile von Profi-Tennisspielerinnen und -spielern an den Gewinnen klein zu halten.

Der Tennis-Weltverband ITF ist für die Regeln des Sports zuständig und veranstaltet einige internationale Wettkämpfe wie die vier Grand-Slam-Turniere (Australian Open, French Open, US Open, Wimbledon), den Davis Cup und die Tennis-Wettbewerbe der Olympischen und Paralympischen Spiele. Die ATP organisiert die meisten anderen Profi-Turniere bei den Männern, die WTA bei den Frauen.

Die drei Verbände riefen 2021 die International Tennis Integrity Agency ins Leben, um einen sauberen Tennissport zu garantieren. Die ITIA befasst sich mit Dopingvergehen oder auch Fällen von Korruption im Tennis.

In den Klageschriften, die in New York, London und Brüssel eingereicht wurden, heißt es, dass im Tennis nur 18 Prozent der Einnahmen an die Aktiven flössen. Zum Vergleich werden die Football-Liga NFL und die PGA-Tour im Golf angeführt, wo die Profis mit rund 50 Prozent beteiligt seien, und die englische Premier League im Fußball mit einem Anteil von 61 Prozent.

Mit elf Monaten dauere die Tennissaison zudem länger als in den meisten anderen Profisportarten und berge "Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit" der Aktiven, so die Kläger.

Wer hat die Klage eingereicht?

Initiator der Klage ist die 2020 gegründete Spielergewerkschaft Professional Tennis Players Association (PTPA). Als Kläger werden außerdem in den USA zehn aktive und zwei inaktive Profis genannt, die allesamt nicht zu den Topstars der Branche gehörten oder gehören.

Der bekannteste Spieler unter ihnen ist der Australier Nick Kyrgios, der in seiner Karriere bislang sieben ATP-Turniere gewinnen konnte und 2016 Nummer 13 der Weltrangliste war. Der in den aktuellen Ranglisten bestplatzierte Profi ist die in Russland geborene Französin Varvara Gracheva, die Nummer 65 der Welt.

Bei der Klage in London werden sechs andere Spielerinnen und Spieler angeführt, bei der in Brüssel vier Profis. Auch für diese zehn gilt: Sie sind eher unbekannt und keine Topspieler.

Wer verbirgt sich hinter der PTPA?

Gegründet wurde die PTPA von dem serbischen Tennis-Superstar Novak Djokovic und dem kanadischen Profi Vasek Pospisil. Seit August 2022 steht der Jurist Ahmad Nassar als Geschäftsführer an der Spitze der PTPA. Djokovic und Pospisil sind Mitglieder im Exekutivkomitee, das aus vier Spielern und vier Spielerinnen besteht. Eine von ihnen ist die Tunesierin Ons Jabeur, die 2022 als erste nordafrikanische und arabische Frau das Finale in Wimbledon erreichte.

Die PTPA hat sich die Rechte der Profis auf die Fahnen geschrieben, vor allem die finanziellen. Man wolle eine "faire Beteiligung an den wirtschaftlichen Aktivitäten und dem Reichtum des Tennissports, den die Spielerinnen und Spieler mit aufgebaut haben", heißt es bei der PTPA, "und zwar durch faire und gerechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen."

Die Organisation bezeichnet sich zwar selbst als "führenden Interessenvertreter für professionelle Tennisspieler weltweit", genaue Angaben über die Zahl der Mitglieder macht die PTPA aber nicht.

Allerdings wurden auch die WTA und die ATP in den 1970er Jahren als Interessenvertretungen von Profis gegründet: die WTA durch die damalige Topspielerin Billie Jean King, die ATP durch die US-Profis Jack Kramer und Donald Dell sowie den Südafrikaner Cliff Drysgale.

Die PTPA behauptet, die Klage werde "mit überwältigender Mehrheit unter den 250 besten Spielerinnen und Spielern unterstützt, darunter von der Mehrheit der Top-20-Spieler". Einen Beleg dafür bleibt sie schuldig.

Wie reagieren die Topstars auf die Klage?

Zurückhaltend bis ablehnend. "Es gibt einige Dinge, denen ich zustimme, und andere, denen ich nicht zustimme", sagte der Weltranglisten-Dritte Carlos Alcaraz aus Spanien. "Aber entscheidend ist, dass ich das nicht unterstütze." Ähnlich äußerte sich Alexander Zverev. Es gebe einige "wertvolle Punkte", so die aktuelle Nummer zwei der Welt: "Aber ich denke, die Profis und die Tour sollten sich zusammenschließen und nicht streiten." Selbst PTPA-Mitgründer Djokovic räumte ein, dass er "manche Formulierung in der Anklage sehr scharf" finde.

Alexander Zverev schlägt bei einem Spiels der Australian Open 2025 den Ball zurück
Alexander Zverev findet den Dialog mit den Tennis-Verantwortlichen sinnvoller als eine KlageBild: Chu Chen/Xinhua/picture alliance

Kein Verständnis zeigte der deutsche Ex-Tennisstar Boris Becker für den Vorstoß. "Wenn die Top-Ten-Spieler das unisono unterstützen würden, okay", so der frühere Wimbledonsieger. "Wenn ich keinen habe, dann kann ich die Sache nicht so ernst nehmen."

Was sagen die Beklagten?

Sie wiesen alle in der Klage erhobenen Vorwürfe entschieden zurück. Die ATP sieht im Vorgehen der PTPA so etwas wie den letzten Versuch eines Befreiungsschlags: "Fünf Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 2020 hat die PTPA Schwierigkeiten, eine bedeutende Rolle im Tennis zu etablieren, sodass ihre Entscheidung, zu diesem Zeitpunkt rechtliche Schritte einzuleiten, nicht überraschend ist."

Wird die Klage vor einem Gericht verhandelt?

Das ist noch nicht abzusehen, offenbar aber auch nicht der primäre Zweck der Klage. PTPA-Chef Ahmad Nassar erklärte in einem Interview des US-Internetportals "Bounces", es gehe nicht darum, einen Prozess zu erzwingen. "Wir wollen uns nicht bis zum Ende durchfechten. Wir wollen alle zwingen, sich in einen Raum zu setzen und eine Lösung zu finden."

Er habe es nicht so mit Slogans in den sozialen Medien, so Nassar. "Aber diesen hier finde ich wirklich gut: 'Spiel, Satz, Reform'. Wir versuchen, das Tennis zu reformieren, es zu verbessern."

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter