KI-Gipfel in Paris - ist Europa konkurrenzfähig?
9. Februar 2025Viel Prominenz hat sich angesagt zum "AI Action Summit" am 10. und 11. Februar in Paris. Staats- und Regierungschefs, Leiter internationaler Organisationen und Unternehmen, Wissenschaftler, Künstler sowie Mitglieder der Zivilgesellschaft werden zusammenkommen. Der Gipfel findet im Grand Palais statt, einem der Austragungsorte der Olympischen Spiele im letzten Jahr.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird den Gipfel gemeinsam mit Indiens Premierminister Narendra Modi leiten. Teilnehmen wird auch Chinas Vizepremier Ding Xuexiang.
Für US-Vizepräsident JD Vance wird der Besuch in Paris die erste Auslandsreise seit seinem Amtsantritt sein. Das Weiße Haus hat Vances Kommen bestätigt, nachdem ein französischer Diplomat dessen Teilnahme angekündigt hatte.
KI kommt aus Übersee
Den KI-Sektor dominieren derzeit vor allem US-Konzerne - ihnen auf den Fersen sind Unternehmen aus China. Frankreich und Europa haben dagegen einen erheblichen Nachholbedarf.
So will der US-Konzern Amazon in diesem Jahr rund 100 Milliarden Dollar in Infrastruktur für künstliche Intelligenz investieren. Die Nachfrage der IT-Kunden nach Ressourcen dafür sei so groß, dass die Cloud-Sparte AWS auf Kapazitäts-Engpässe treffe, sagte Amazon-Chef Andy Jassy bei Vorlage aktueller Quartalszahlen. Bereits im vergangenen Quartal hatte das Unternehmen mehr als 25 Milliarden Euro in seine Infrastruktur investiert.
Erst vor wenigen Wochen hat DeepSeek aus China die KI-Welt in Aufruhr versetzt. Das große Sprachmodell des Unternehmens scheint so leistungsfähig zu sein wie die US-Konkurrenz, war in der Entwicklung aber wesentlich günstiger und benötigte geringere technische Ressourcen.
Und im Gegensatz zu ChatGPT, dem KI-Chatbot der US-Firma OpenAI, ist der Algorithmus von DeepSeek nicht geheim, sondern frei verfügbar (Open Source).
"Während die Zukunft von DeepSeek als Unternehmen schwer vorherzusagen ist, scheinen die strukturellen Auswirkungen ziemlich weitreichend zu sein", so der Investor Sanjot Malhi, Partner der Risikokapitalfirma Northzone in London, laut Nachrichtenagentur Reuters.
Eine durch DeepSeek aufgeworfene Frage lautet also, ob die Milliarden, die in den USA in KI investiert werden, wirklich gut angelegt sind.
DeepSeek hatte Details zu seinem KI-Model just an dem Tag veröffentlicht, als US-Präsident Donald Trump ein Projekt namens Stargate ankündigte, für das OpenAI und andere Tech-Firmen rund 500 Milliarden Dollar in den Aufbau einer KI-Infrastruktur stecken wollen.
Und Europa?
Auch Frankreich plant ein KI-Vorzeigeprojekt: In Paris soll der nach offiziellen Angaben größte KI-Campus in Europa entstehen. Herzstück wird ein riesiges Rechenzentrum mit eigener, leistungsfähiger Energieversorgung.
Geplant sind Investitionen "in einer Größenordnung von 30 bis 50 Milliarden Euro", an denen sich auch die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligen, hieß es aus dem Elysee-Palast.
Unterdessen weitet das US-Unternehmen OpenAI seine Europa-Präsenz aus. Nach London, Dublin, Paris, Brüssel und Zürich kommt mit München nun erstmals ein deutscher Standort hinzu.
"Als Land, das für technisches Know-how und industrielle Innovation bekannt ist, überrascht es nicht, dass Deutschland weltweit führend in der KI-Nutzung ist", sagte Open-AI-Gründer Sam Altman bei einem Deutschland-Besuch.
Nach Angaben der FAZ ist Deutschland auch das Land mit den meisten Abonnenten für die kostenpflichtige Version von ChatGPT in Europa und gehört damit zu den drei führenden Ländern weltweit.
Auch in der Rangliste zahlender Geschäftskunden sei Deutschland unter den Top-3-Nationen außerhalb der Vereinigten Staaten. Vor allem aber habe Deutschland nach den USA die höchste Anzahl an Entwicklern, die auf die Schnittstelle (API) zugriffen, um ChatGPT in andere Anwendungen zu integrieren.
Mehr oder weniger Regulierung?
In den USA wird die Entwicklung von KI nicht mehr reguliert. Präsident Trump hatte kurz nach seiner Amtseinführung die von seinem Vorgänger Joe Biden eingeführten Regulierungsvorgaben wieder aufgehoben.
In Europa ist der Ruf nach staatlicher Regulierung dagegen lauter. Vor Beginn des Pariser Gipfels warnten rund 100 Forscher aus 30 Ländern davor, die neue Technologie könne zu einem "Kontrollverlust" mit dramatischen Folgen führen.
Im Vorfeld des Gipfels stellten die Forscher den ersten internationalen KI-Sicherheitsbericht vor, an dem auch Mitarbeiter der Vereinten Nationen (UN), der Europäischen Union (EU) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beteiligt waren.
Der in der Schweiz lebende und arbeitende deutsche Physiker Axel Naumann nahm als Redner in Paris auf einer Veranstaltung im Vorfeld des AI Action Summits teil. Er spricht sich für die Förderung einer ethischen und nachhaltigen KI aus - und dafür, ihre Auswirkungen auf Innovation, Transparenz und Vertrauen zu untersuchen. "Aufbau eines starken Open-Source-Ökosystems für die Unabhängigkeit Europas" war das Thema von seines Vortrags.
Europäische Werte
Europa brauche eine eigene Open-Source-Infrastruktur, sagte Naumann der DW. Es gehe darum, "Europas Firmen und Institutionen zu zeigen, dass es sinnvoll ist, gemeinsam zu investieren und gemeinsam die Früchte von Open Source" ernten zu können.
Dafür seien allerdings Investitionen nötig, etwa für "die Anpassung administrativer Vorgänge, Anpassung auf der Produktseite, Werbung für Open Source und die Beratung von Politik und Industrie."
Seine Vorstellung von der digitalen Zukunft Europas formuliert Naumann so: "Die Vision muss sein, dass Europa souverän seine Daten beherbergt und bearbeitet, dass unser Software-Ökosystem unseren Werte entspricht."
Es dürfe in Zukunft nicht mehr so sein, dass sich Europa nur an andere anhänge und dann für Lizenzrechte bezahle. Europa muss, so Naumann, "koordiniert umschwenken zu kollaborativer Open-Source-Produktentwicklung".
Entscheidend aber sei: "Dafür brauchen wir eine Infrastruktur, die aufgebaut werden muss."
Bei Spezialanwendungen ist das Rennen weiter offen
Für Aljoscha Burchardt vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Berlin spielt Europa vielleicht nicht mehr mit im Rennen um das größte Sprachmodell - also Anwendungen generativer künstlicher Intelligenz wie beispielsweise ChatGTP aus den USA oder DeepSeek aus China. Aber anders als häufig angenommen, geht er nicht davon aus, dass sich am Ende nur ein solches Modell durchsetzen wird.
"Sprachmodelle bringen immer sehr viel an Werten, an Eigenschaften, die sie beherrschen, und an Trainingsdaten mit. Deshalb benötigen wir einen Pluralismus von verschiedenen Modellen, so wie wir auch verschiedene Zeitungen haben, die mit Sprache dasselbe berichten - nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln", so Burchardt zur DW.
Europas Chancen lägen vor allem in KI-Anwendungen für spezielle Branchen der Industrie und "da spielen wir als mittelstandsgeprägte Gesellschaft in Deutschland und auch in Europa mit." Dieses Rennen sei noch komplett offen.