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PolitikKenia

Kenia: Verheerende Bilanz nach "Saba Saba"-Protesten

Isaac Kaledzi | Andrew Wasike in Nairobi
9. Juli 2025

Kenia erlebt unruhige Zeiten - am 35. Jahrestag eines großen Protests gegen die damalige Diktatur eskalierte die Lage einmal mehr. Am Ende werden 31 Tote gezählt. Und die Protestbewegung will weitermachen.

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Kenia Nairobi 2025 | Bereitschaftspolizei patrouilliert nach Saba Saba-Protesten
Bei heftigen Protesten zwischen der Polizei und Demonstranten am 35. Jahrestag der Saba-Saba-Proteste starben zahlreiche MenschenBild: Brian Inganga/AP/picture alliance

Fast überall in Kenia sind die jüngsten gewaltsamen Unruhen und Proteste gegen Polizeigewalt wieder abgeebbt: Die Straßen von Nairobi und anderen Teilen des Landes blieben seit Dienstag ruhig und Geschäfte geschlossen. Allerdings kocht die öffentliche Wut vereinzelt wieder hoch: So versammelten sich in der Stadt Embu im zentralkenianischen Hochland erneut Demonstranten, nachdem ein Abgeordneter des Parlaments festgenommen worden war.

Wütende Einwohner haben Lagerfeuer angezündet und Straßen mit Steinen blockiert, wodurch der Verkehr in Teilen der Stadt lahmgelegt wurde. Die Demonstranten werfen der Regierung politische Verfolgung vor und fordern die Freilassung des Abgeordneten Gitonga Mukunji, Mitglied der United Democratic Alliance (UDA).

Wut in der Bevölkerung hält an

Die Behörden wiederum beschuldigen den Abgeordneten, er habe die Bürger zum 35. Jahrestag des prodemokratischen Aufstands zu Protesten angestachelt. Am 7. 7. 1990 waren viele Kenianerinnen und Kenianer gegen die herrschende Einparteien-Diktatur des Langzeitherrschers Daniel arap Moi auf die Straße gegangen. Die Proteste waren ein Meilenstein auf dem Weg zu Kenias heutiger Mehrparteien-Demokratie. "Saba" ist das Kisuaheli-Wort für Sieben - und mit dem Datum 7. 7. ("Saba Saba") ist seither die Forderung nach demokratischer Mitbestimmung verbunden.

Dieses Thema treibt in Kenia seit Juni 2024 wieder massenhaft Menschen auf die Straße. Ursprünglich, weil die Regierung von Präsident William Ruto den klammen Staatshaushalt mithilfe höherer Verbrauchssteuern sanieren wollte, obwohl gerade die ärmeren Bevölkerungsteile bereits unter der Inflation litten. Mittlerweile fordern die Demonstranten der jungen "Generation Z" - also der in den Jahren um die Jahrtausendwende Geborenen - den Rücktritt Rutos und ein Ende von Willkür und Polizeigewalt.

Kenia Nairobi 2025 | Polizei setzt Wasserwerfer gegen Saba Saba-Demonstranten ein
Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein, um die aufgebrachten Demonstranten zu vertreiben - sie forderten den Rücktritt des StaatschefsBild: Monicah Mwangi/REUTERS

Auch in der zentral gelegenen Stadt Kiambu kam es am Dienstag zu neuen Protesten, nachdem am Montag bei den regierungskritischen Protesten ein Mädchen durch eine Querschläger-Kugel getötet worden ist. Hunderte Demonstranten gingen auf die Straße, um Gerechtigkeit für die Familie der Zwölfjährigen zu fordern.

In Nairobi schlugen am Montag die Proteste in tödliche Gewalt um: Hunderte Demonstranten marschierten von einem Vorort in Richtung der Innenstadt von Nairobi. Mit Tränengas und Wasserwerfern schritt die Polizei ein. Als die aufgebrachte Menge auf sie losging, eröffneten Polizisten das Feuer, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldete. 

Laut einer Bilanz der Nationalen Menschenrechtskommission (KNCHR) von Dienstagabend wurden mindestens 31 Menschen getötet. Die Polizei hatte zunächst von elf Toten gesprochen. Wie die Organisation mitteilte, sind am Montag außerdem 107 Menschen verletzt und 532 Menschen festgenommen worden. Zwei Personen gelten als vermisst. 

Mehr soziale Gerechtigkeit und Reformen

"Saba Saba" war nur der jüngste Anlass in aufgewühlten Zeiten: Erst am 25. Juni, dem Jahrestag der blutigsten Ausschreitungen von 2024, wurden bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei mindestens 19 Menschen getötet und über 500 verletzt.

Kenia Nairobi 2014 | Vizepräsident Ruto bei Madaraka-Day-Feier im Nyayo-Stadion
William Ruto wird von jungen Kenianern beschuldigt, nichts gegen die steigenden Lebenshaltungskosten und hohe Arbeitslosigkeit zu unternehmenBild: Daniel Irungu/dpa/picture alliance

Isabel Brenda, eine leitende Wahl- und Regierungsberaterin am Electoral Law and Governance Institute for Africa, steht der Reaktion der Regierung kritisch gegenüber. "Die Reaktion der Regierung ist sehr bedauerlich, denn sie ist natürlich in Panik geraten und greift auf autoritäres Verhalten und übermäßige Polizeipräsenz zurück, was zu Verlusten von Menschenleben geführt hat", sagte Brenda der DW.

Viele der Demonstranten sind Jugendliche, deren Frust über Korruption, wirtschaftliche Not und schlechte Regierungsführung sich angestaut hat. Die Demonstranten wiederholten diese Woche ihre Forderungen nach einem Ende der Polizeigewalt und nach Gleichberechtigung und Chancengleichheit. "Es gibt erhebliche Arbeitslosigkeit und Probleme mit jungen Menschen. Die Lebenshaltungskosten sind sehr hoch. Das sind einige der Probleme, die die kenianischen Bürger wirklich bedrängen", sagt Brenda. 

Bei den Unruhen wurden Geschäfte in Brand gesteckt und geplündert. "Sehen Sie, alles ist niedergebrannt", beklagte sich ein Ladenbesitzer aus Nairobi. "Also bitte", wandte sich der Ladenbesitzer an die Regierung, "versuchen Sie, mit der Generation Z zu sprechen. Denn alles, was passiert, geht auf die Generation Z zurück".

"Kopf aus dem Sand nehmen und zuhören"

Einige Geschäftsinhaber sagen, die Unruhen bedrohten ihre Existenzgrundlage. "Die Lage in unserem Land ist derzeit so hart. Manchmal arbeitet man von morgens bis abends und hat nichts verkauft. Dabei haben wir so lange in diese Dinge investiert. Wir rufen zur Ruhe auf", so ein Händler.

Kenia: Proteste gegen Polizeigewalt

Laut Isabel Brenda hat der dezentrale Charakter der Proteste zur Unbeständigkeit beigetragen. "Die Generation Z ist, wie Sie wissen, führerlos; sie lässt sich keiner bestimmten Partei oder Ethnie zurechnen. Sie hält nichts davon, sich in ethnische Kokons zu begeben", sagte sie der DW.

Im Vorfeld des Saba-Saba-Tages erklärte Innenminister Kipchumba Murkomen, die Regierung sei dem Schutz von Leben und Eigentum verpflichtet. "Unsere Sicherheitsbehörden sind in höchster Alarmbereitschaft, um entschlossen gegen Kriminelle und andere Elemente mit bösen Absichten vorzugehen", sagte Murkomen mit Blick auf Menschen, "die versuchten könnten, friedliche Prozessionen zu infiltrieren, um Chaos, Verwüstung oder Zerstörung von Eigentum zu verursachen".

Brenda warnt, dass die Regierung das Ausmaß der öffentlichen Unzufriedenheit unterschätzt. "Ich möchte nur das wiedergeben, was das Land meiner Meinung nach empfindet: Die Regierung hört nicht auf die Bevölkerung. Das ist unsensibel. Es sind junge Leute, die sagen: Wir haben genug von schlechter Regierungsführung und wollen Veränderungen.

Man könne nicht einfach den Kopf in den Sand stecken, nur weil man mit den Aussagen der jungen Leute unzufrieden sei. "Mir wäre es lieber, wenn Sie den Kopf aus dem Sand nehmen und zuhören würden. Kommen Sie an den Verhandlungstisch und finden Sie Lösungen", appellierte Brenda an die Regierung von Präsident Ruto.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.