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PolitikKenia

Kenia am digitalen Scheideweg: KI, Aktivismus und Verbote

Andrew Wasike
8. Februar 2025

Kenias Regierung verstärkt ihre Bemühungen, künstliche Intelligenz und soziale Medien zu regulieren. KI-generierte Inhalte sorgen für Unruhe und haben eine hitzige Debatte über die Meinungsfreiheit ausgelöst.

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Sitzende Demonstrantengruppe in Nairobi
Zusammen mit anderen Demonstranten forderte Senator Okiya Omtatah die Freilassung entführter RegierungskritikerBild: Thomas Mukoya/REUTERS

Die digitale Landschaft Kenias befindet sich im Umbruch. Mit harter Hand geht die Regierung gegen KI-generierte Inhalte und Aktivismus in den sozialen Medien vor und hat damit etwas ausgelöst, was manche als "tickende Zeitbombe des Online-Widerstands" bezeichnen.

In den vergangenen Monaten wurden in Kenia mehrere Regierungskritiker entführt, darunter der Karikaturist Gideon Kibet und der 24-jährige Billy Mwangi, die Berichten zufolge KI-generierte Bilder weitergeleitet hatten, die den kenianischen Präsidenten William Ruto in einem Sarg zeigen.

Die Nationale Menschenrechtskommission Kenias zählt 82 Entführungen seit Juni 2024. Mindestens 29 dieser Entführten galten auch im Januar 2025 noch als vermisst. Einige der Entführten, so auch Kibet und Mwangi, wurden ohne Erklärung wieder freigelassen. Die kenianischen Behörden streiten jede Beteiligung am Verschwinden dieser Personen ab.

Künstliche Intelligenz befeuert den Widerstand

Während künstliche Intelligenz den digitalen Widerspruch schürt, verschärft die Regierung ihre Kontrolle über die sozialen Medien und versucht, einer immer lauter werdenden Online-Öffentlichkeit mit immer rigideren Vorschriften Herr zu werden.

Entführungen und Morde: Aktivisten in Kenia fürchten Polizei

Mark Kaigwa, Tech-Visionär und Gründer des Digital-Marketingunternehmens Nendo in Nairobi, erkennt ein Muster. "Was die Bürger und Bürgerinnen getan haben, geht in den Augen einiger über die Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit hinaus, aber in den Augen der meisten haben sie lediglich die ihnen zustehenden Rechte genutzt", sagt er zur DW.

KI-erzeugte Protestsongs, satirische Deepfakes und viral gehende politische Memes überfluten die Digitallandschaft Kenias geradezu und der Online-Aktivismus entwickelt sich so rasant, dass die Behörden nicht mehr Schritt halten können.

Kontrolle über Online-Narrative

KI-Tools wie das in X (ehemals Twitter) eingebettete Grok stellen eine der größten Herausforderungen dar, denn sie geben den Nutzern die Möglichkeit, erschreckend realistisch wirkende politische Bilder zu generieren.

Gegenstand dieser KI-Erzeugnisse sind häufig führende kenianische Persönlichkeiten; so kommt es verstärkt zu Spannungen darüber, wie die Technologie kontrolliert werden kann, ohne die Meinungsfreiheit zu unterdrücken.

Kenias Inneminister Kipchumba Murkomen verurteilte vergangenen Monat die Verwendung KI-erzeugter Bilder, die sich gegen prominente Politiker richten. "Wir werden dafür sorgen, dass Nutzer, die andere mithilfe der sozialen Medien bedrohen, die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen", sagte er.

Kenianische Beamte haben den Vorschlag gemacht, Social-Media-Unternehmen dazu zu verpflichten, vor Ort Büros einzurichten, um die Einhaltung von Vorschriften besser kontrollieren zu können. Doch Mark Kaigwa weist darauf hin, dass alle diese Unternehmen mit Ausnahme von X bereits solche Büros in Kenia betreiben.

Kenianer auf X, eine digitale Macht

Bei der digitalen Entwicklung geht Kenia schon seit langem voran. Mit M-Pesa gehört das Land zu den Pionieren bei der mobilen Zahlungsabwicklung, es bietet wirtschaftlich günstige Bedingungen für Startups und verfügt über eine Social-Media-Kultur, die über deutlich mehr Einfluss verfügt, als man vermuten würde.

Datenarbeiter: Verlierer der KI 

Das Phänomen der "Kenianer auf X" hat es zu globaler Bekanntheit geschafft und der Online-Aktivismus rüttelt Regierungen, Marken und sogar ausländische Staatsoberhäupter auf.

Kaigwa erzählt, wie der kenianische digitale Widerstand auf die Ankündigung eines Besuchs des Königs der Niederlande reagierte. "Damals berichtete dessen Büro, dass die IT-Systeme völlig überrannt wurden von Menschen, die ihn per E-Mail aufforderten, nicht zu kommen" - um die eigene Regierung in Nairobi nicht zu hofieren.

"Das aktuelle Regime versucht, die öffentliche Wahrnehmung der sozialen Netzwerke zu steuern", behauptet Mark Kaigwa. Und sie greife dafür zu drastischen Mitteln: "Darum sind mehrere Persönlichkeiten der sozialen Medien entführt worden oder verschwunden. Und darum gibt es Fragen über die Rolle der Behörden."

Ausgesperrt aus den sozialen Medien

Die Entwicklungen in Kenia sind Teil eines in ganz Afrika zu beobachtenden Trends, soziale Medien staatlich zu kontrollieren. Etwa in Uganda. "Seit einigen Jahren gibt es dort eine Social-Media-Steuer, bei der jeder, der auf die sozialen Netzwerke und die Nachrichten und Inhalte dort zugreifen will, einen gewissen Betrag an die Regierung zahlen muss", berichtet Kaigwa. "Bestimmte soziale Medien wurden sogar abgeschaltet."

Für viele afrikanische Regierungen sind Internet-Blackouts zum Instrument der Wahl geworden. Schätzungen zufolge entgehen den Volkswirtschaften dieser Länder dadurch Milliarden von Dollar an Einnahmen. 

"Auch in Kenia wurden soziale Medien abgeschaltet, zuletzt die Nachrichten-App Telegram, die vor einigen Monaten während landesweiter Abschlussprüfungen gesperrt wurde", so Kaigwa.

Kenias Dilemma: Innovation oder Zensur?

Einerseits versucht Kenia, digitale Meinungsäußerungen zu unterbinden, andererseits brüstet es sich gerne als Vorreiter beim Thema KI.

Botschafter Philip Tigo ist Kenias Sondergesandter für Technologie und KI. Er hat sich bereits aktiv mit globalen Interessenvertretern zusammengesetzt, um Investoren zu gewinnen und die internationale Politik zur Regulierung von KI mitzugestalten.

Kaigwa zufolge ist Kenias hartes Durchgreifen gegen KI daher selektiv. "Ich denke, es geht hier nicht gegen KI insgesamt. Es geht gegen eine bestimmte Nutzung von KI" - insbesondere, wenn diese sich gegen die Regierung in Nairobi richte. Das sei jedoch etwas, so Kaigwa, bei dem "die Kenianer versuchen, sich zumindest in Teilen zu widersetzen".

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.