Zeitarbeiter als Puffer für Unternehmen
27. Januar 2009In einem kleinen Ort bei Leipzig sitzt ein junger Mann auf einer Couch und schaut aus dem Fenster. In der Hand hält er eine Tasse Tee und eine Zigarette. Zeit zum Entspannen.
Patrick Brettschneider ist gerade von der Arbeit nach Hause gekommen. Er arbeitet als Produktionshelfer in einer Brauerei. Der 31-Jährige ist Zeitarbeiter - und das bereits seit über zwei Jahren. Damals brauchte er dringend einen Job, aber er stellte schnell fest, dass eine feste Anstellung als Hilfskraft nicht zu finden war.
Zeitarbeiter sind unten in der Hierarchie
Deshalb bewarb er sich bei einer Zeitarbeitsfirma. Seinen ersten Leiharbeiter-Job bekam er in der Brauerei, in der er nun schon seit zwei Jahren arbeitet. Zwei von drei seiner Kollegen dort seien Zeitarbeiter, sagt er. „Der größte Teil sieht einen doch als Arbeiter zweiter Klasse an“, erklärt er. Die normale Hierarchie vom Meister über den Schichtleiter zum Arbeiter sei durch die Zeitarbeiter um eine Stufe nach unten ergänzt worden.
6,50 Euro zahlt die Zeitarbeitsfirma Brettschneider in der Stunde. Davon werden aber noch die Sozialversicherungsausgaben abgezogen. Brettschneider bleiben am Ende weniger als 1000 Euro - die Hälfte von dem, was ein Festangestellter verdient. „Im Endeffekt ist das Hungerlohn für die Arbeit, die man dort macht“, sagt er. „Dass das eine Arbeit auf Dauer ist, um eine Familie zu ernähren, das schließe ich kategorisch aus.“
Zeitarbeiter müssen als Erste gehen
Zeitarbeiter wie Brettschneider sind gefragt. „Die Unternehmen sehen hier eine Pufferwirkung für konjunkturell starke Zeiten, wo Überstunden nicht mehr allein ausreichen, Spitzen abzuarbeiten. Da brauchen sie einen zusätzlichen Personalbestand“, erklärt Hans Bausch. Er beobachtet schon seit Jahren das Phänomen der Zeitarbeiter für das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle.
Im nahe gelegenen BMW-Werk in Leipzig gehörten rund 1000 Zeitarbeiter zur normalen Belegschaft. 900 von ihnen haben in den vergangenen Monaten ihren Job verloren - Schuld ist die Wirtschaftskrise. Denn Arbeiter auf Zeit müssten in wirtschaftlich schlechten Zeiten als Erste gehen, sagt Michael Janssen, Sprecher des Leipziger BMW-Werks. „Unser oberstes Ziel ist es, als Unternehmen auch weiterhin selbstständig zu bleiben. Und das heißt, dass wir auch weiterhin wettbewerbsfähige Produkte anbieten müssen“, sagt er.
Keine Aussicht auf eine Festanstellung
In Zukunft möchte BMW die gleiche Anzahl Autos mit weniger Personal herstellen. Zeitarbeiter spielen dabei eine wichtige Rolle. Ohne diese billigen Arbeitskräfte müsste das Unternehmen woanders produzieren, sagt Janssen. Wer Glück hat, wird nach einer bestimmten Zeit von der Firma fest eingestellt. Doch diese Chance ist jetzt, in Zeiten der Wirtschaftskrise, sehr gering.
Auch Patrick Brettschneider hat in seiner Brauerei kaum Chancen auf eine Übernahme. Die Hoffnung auf einen Job mit einem richtigen Arbeitsvertrag hat er aufgegeben. „Es gibt hier im Umkreis eigentlich niemanden mehr, der jemanden nur als Aushilfe einstellt. Es läuft primär nur noch über die Arbeitszeitfirmen“, sagt er.
Deshalb will Patrick Brettschneider die Region verlassen. Sobald er woanders eine Festanstellung bekommt, gibt es nichts mehr, was ihn in Leipzig hält.