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Kein globales Plastikabkommen erreicht

Tim Schauenberg
15. August 2025

Der geplante Vertrag gegen die weltweite Plastikverschmutzung ist vorerst gescheitert. Größter Streitpunkt bei den UN-Verhandlungen war, ob und wie die Plastikproduktion begrenzt werden soll.

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Kunstinstallation mit Plastikmüll aus Flaschen und einer Statuen  vor dem UN-Gebäude in Genf, wo die Verhandlungen stattfanden.
Die Welt verschließt die Augen vor dem Plastikmüll - wieder wurde kein globales Plastikabkommen vereinbartBild: Tim Schauenberg/DW

Zehn Tage lang hatten Delegationen aus gut 180 Ländern versucht, Wege zur Lösung aus der Plastikkrise zu finden - vergeblich. Die Verhandlungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Genf haben gezeigt: Die Gräben zwischen ehrgeizigen Ländern, etwa aus der EU oder Lateinamerika, und den Ölförderländern sind zu tief. 

Nachdem schon im vergangenen Dezember beim UN-Plastikgipfel im südkoreanischen Busan kein Vertrag zustandekam, sollten die Gespräche in Genf eigentlich die letzte Verhandlungsrunde für ein Plastikabkommen sein. Manche Beobachter hatten auf einen historischen Kompromiss gehofft: eine wegweisende Vereinbarung, die dem Pariser Klimaabkommen gleich kommen könnte. 

Entsprechend enttäuscht zeigte sich der dänische Umweltminister und Leiter der EU-Delegation im Gespräch mit der DW. Es sei "tragisch zu sehen, dass einige Länder versuchen, ein Abkommen zu blockieren, einen Vertrag, der uns die notwendigen Instrumente an die Hand geben würde, um die Plastikverschmutzung zu bekämpfen - eines der größten Umweltprobleme, mit denen wir auf der Erde konfrontiert sind."

Der kolumbianische Delegierte Haendel Rodriguez sagte mit Blick auf ölproduzierende Länder, eine Übereinkunft sei "von einer kleinen Zahl von Staaten blockiert worden, die einfach keine Einigung wollten".

Umweltverbände: besser kein Plastikabkommen als ein schlechtes 

Zwar kritisieren Umweltorganisationen das Scheitern der Plastik-Verhandlungen. Doch es herrscht auch eine gewisse Erleichterung.  "Kein Abkommen ist in diesem Fall besser als eines, das den Status quo auf UN-Ebene zementiert, anstatt eine echte Lösung für die Plastikkrise zu sein", so Florian Titze von der Umweltstiftung WWF.

Ähnlich äußert sich die Umweltorganisation Greenpeace: "Oberste Priorität muss eine effektive Lösung der Krise sein", sagte Moritz Jäger-Roschko, Plastikexperte von Greenpeace. "Kein fauler Kompromiss, der den Status quo zementiert und der fossilen Industrie erlaubt, weiter Kasse zu machen, indem sie die Welt mit Müll flutet."

Kritik von mehreren Seiten gab es auch an der Konferenzleitung. So hatte der Vorsitzende, Luis Vayas Valdivieso aus Ecuador, erst am vorletzten Tag einen eigenen Vertragsentwurf vorgelegt. Doch darin kamen alle ambitionierten Ziele so gut wie gar nicht mehr vor.

Eine Welle, in der viel Plastikmüll schwimmt, läuft auf eine Strand in Thailand auf
Der Plastikmüll im Meer schadet Fischen und anderen Meeresbewohnern und über die Nahrungskette auch den MenschenBild: Mladen Antonov/AFP/Getty Images

Warum sollte die Plastikproduktion begrenzt werden? 

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen unmissverständlich: Ohne eine Eindämmung der Produktion von neuem Plastik wird es nicht gelingen, die Plastikverschmutzung zu begrenzen und lebenswichtige Ressourcen, wie Wasser, Böden, die Meere und die Gesundheit der Menschen zu schützen.

Mit Blick auf Plastikmüll habe man bereits die planetaren Grenzen erreicht, so Melanie Bergmann, Meereswissenschaftlerin am Alfred-Wegener Institut. Sie gehört der Scientists Coalition an, einem Netzwerk unabhängiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt, die über die Folgen von Plastikverschmutzung für die Gesundheit und die Umwelt informieren und sich für eine stärkere Regulierung beim Thema Plastik einsetzten.

Plastikmüll ist weltweites Problem - nur darin ist man sich einig 

Weltweit werden jährlich 413 Millionen Tonnen Plastik produziert. Rund eine Millionen LKW-Ladungen davon landen im Meer. Doch gerade mal neun Prozent des weltweiten Kunststoffs werden recycelt. Der Rest wird verbrannt, landet auf Deponien, im Meer, verschmutzt Böden, landet in Pflanzen, der Nahrung, schadet der menschlichen Gesundheit.

Mikroplastik ist inzwischen überall auf der Welt nachweisbar – auch im menschlichen Körper, im Blut, in den Organen, im Gehirn, in der Muttermilch.

Rund 16.000 Chemikalien werden für die Produktion und der Verarbeitung von Plastik eingesetzt. Mehr als 4200 davon sind laut einer Studie der Fachzeitschrift Nature nachweislich giftig für Mensch und Umwelt. Dennoch könnte sich die Plastikproduktion bis 2060 Schätzungen zufolge sogar verdreifachen.

Warum sind die Positionen so unterschiedlich beim Thema Plastik? 

Rund hundert Länder setzen sich für ein ambitioniertes Abkommen ein, das auch eine Reduzierung der Plastikproduktion und der Regulierung schädlicher Chemikalien beinhaltet. Dazu gehören unter anderem viele Länder aus Afrika und Lateinamerika, ebenso Deutschland und die EU

Doch weil Plastik aus Öl hergestellt wird, und riesige Gewinne abwirft, blockierten die Herstellerländer und Ölproduzenten der sogenannten Like-Minded Coalition (der Koalition der ähnlich gesinnten), darunter Russland, Iran und Saudi-Arabien und auch die USA, eine stärkere Regulierung der Produktion. Sie wollten von vornherein ein Abkommen, dass sich vor allem auf den Umgang mit Plastikmüll konzentriert, statt auf die Herstellung, also der Ursache des Problems. 

Während der Verhandlungen wurde auch noch einmal deutlich, wie wenig die US-Regierung   von Multilateralismus und vom Umweltschutz hält. So lehnte die US-Delegation einen Zwischenentwurf ab, der auf bindende statt freiwillige Zusagen setzte. Und das, obwohl es dabei weder um die Reduzierung der Plastikproduktion, noch um eine Regulierung gefährlicher Chemikalien gegangen wäre. Das Fehlen dieser Punkte hatten viele Staaten, darunter die EU, übrigens als "inakzeptabel” bezeichnet.

Wie hoch waren die Ambitionen beim Plastikabkommen wirklich?

Viele Delegationen, darunter die aus Peru, Kolumbien, aus Inselstaaten wie die Malediven und allen voran der Gesandte Panamas, Juan Carlos Monterrey, kämpften mit leidenschaftlichen Statements im Plenum der Weltgemeinschaft für strengere Regeln – ohne Erfolg.

Vor allem aber das Fehlen politischer Schwergewichte in Genf nährte Zweifel daran, wie ernst es manchen Ländern aus der "Koalition der Ambitionierten" tatsächlich mit dem Abkommen war. So nahmen zwar einige europäische Umweltminister teil, nicht aber der deutsche.

Ein gelbes Schild mit der Aufschrift "Plastic Treaty" (Plastik Abkommen) steht vor einem heranrollenden Berg von verschiedenen Sorten Plastikmüll. Schweiz Genf 2025 | Kunstinstallation von Benjamin von Wong vor UN-Gebäude
Besser kein Plastikabkommen als ein schlechtes, das die Plastikflut auf Dauer nicht eindämmen wird, meinen UmweltverbändeBild: Tim Schauenberg/DW

Deutschland gehört zur Gruppe der ambitionierten Länder, ist aber gleichzeitig der größte Plastikproduzent Europas. Mehrere Weltkonzerne der Chemiebranche wie BASF, Bayer, Merck und Henkel haben hier ihren Firmensitz. 

In Deutschland und Europa gibt es bereits vergleichsweise hohe Standards für die Abfallwirtschaft und für das Recycling. Welchen Effekt hätte also das Plastikabkommen in solchen Ländern?

"Wir sind da in Europa relativ gut aufgestellt, wir haben eine einigermaßen funktionierende Kreislaufwirtschaft”, sagte der deutsche Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth zur DW. Das heißt im Umkehrschluss: Abgesehen von der Gefahr durch Mikroplastik, das keine Grenzen kennt, ist ein globales Plastikabkommen vor allem für solche Länder wichtig, die mit großen Müllproblemen zu kämpfen haben. 

Wie geht es weiter im Kampf gegen die Plastikkrise? 

Die Zukunft der Verhandlungen ist aktuell noch unklar. Uganda beantragte eine neue Verhandlungsrunde zu einem späteren Zeitpunkt.

EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall sagte im Gespräch mit der DW: "Wir sind hierhergekommen, um uns auf einen rechtsverbindlichen Vertrag zur Beendigung der Plastikverschmutzung zu einigen. Das ist uns nicht gelungen." Dennoch habe Genf habe "eine gute Grundlage" für eine Wiederaufnahme von Verhandlungen geschaffen, so Roswall.

Auch Deutschlands Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth hofft auf eine neue Gesprächsrunde. Die Staatenvertreter seien sich einig, dass das globale Plastikproblem auch auf globaler Ebene gelöst werden müsse. "Dafür brauchen wir mehr Zeit. Und vor allem muss der Verhandlungsprozess besser organisiert werden als dies in Busan und in Genf der Fall war."

Kolumbien: Ein Dorf kämpft gegen Plastikmüll

Redaktionelle Mitarbeit: Jeannette Cwienk