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KonflikteKatar

Von Gaza bis Ukraine: Warum Katar als Vermittler gefragt ist

Cathrin Schaer
10. September 2025

Israel hat einen Angriff auf Hamas-Führer in Katar durchgeführt. Dabei versucht der Golfstaat seit Monaten, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln. Auch in anderen Konflikten ist Katar als Mediator gefragt.

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Katar Doha 2025 | Katarischer Premierminister Sheikh Mohammed bin Abdulrahman Al Thani bei Pressekonferenz
Gefragter Verhandlungsführer: Katars Premierminister Sheikh Mohammed bin Abdulrahman Al ThaniBild: AP Photo/picture alliance

Katar besitzt eine lange Tradition in der Lösung globaler Konflikte. Der kleine, ressourcenreiche Golfstaat hat bei Verhandlungen zur Freilassung von US-Bürgern in Iran, Afghanistan und Venezuela sowie zur Rückführung ukrainischer Kinder zu ihren Familien nach deren Verschleppung nach Russland geholfen.

Katar hat auch diplomatische Durchbrüche zwischen dem Sudan und dem Tschad sowie zwischen Eritrea und Dschibuti sowie das Darfur-Friedensabkommen von 2011 vermittelt. Im Jahr 2020 half Katar bei den Verhandlungen über den Rückzug der USA aus Afghanistan mit der extremistischen Taliban-Gruppe. Zuletzt vermittelte der Golfstaat die Doha-Grundsatzerklärung zwischen den von Ruanda unterstützten M23-Rebellen und der Demokratischen Republik Kongo. 

Katar Doha 2025 | Rauch nach Explosionen bei israelischem Luftangriff
Angriff im Herzen Dohas: Ein israelischer Luftangriff hatte die Hamas-Delegation in der katarischen Hauptstadt zum Ziel - mindestens sechs Menschen kamen dabei ums Leben.Bild: Jacqueline Penney/AFPTV/AFP

Vermittler im Nahen Osten

Seit den Angriffen militanter Hamas-Kämpfer am 7. Oktober 2023, bei denen 1.200 Menschen in Israel getötet und rund 250 weitere als Geiseln genommen wurden, spielt Katar eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung zwischen Israel und der Hamas. Im Januar 2025 halfen katarische Unterhändler dabei, ein vorübergehendes Waffenstillstandsabkommen zu erzielen und die Freilassung von Geiseln aus Gaza  zu arrangieren - im Austausch gegen die Rückkehr von Hunderten von Palästinensern, die von Israel festgehalten wurden.

Vor dem israelischen Angriff am Dienstag trafen sich Berichten zufolge hochrangige Hamas-Vertreter in Doha, um einen Vorschlag der USA für einen umfassenden Waffenstillstand zu diskutieren. Gemäß diesem Vorschlag würden Israel und die Hamas sofortige Verhandlungen zur Beendigung des Krieges aufnehmen und die Kämpfe nicht wieder aufnehmen, solange die Gespräche andauern. Die kommenden Tage galten als entscheidend für die Weiterverfolgung des Vorschlags.

Als Reaktion auf den israelischen Angriff auf Doha erklärte UN-Generalsekretär Antonio Guterres: "Wir haben gerade von den israelischen Angriffen auf Katar erfahren, einem Land, das eine sehr positive Rolle bei der Erreichung eines Waffenstillstands und der Freilassung aller Geiseln gespielt hat. Ich verurteile diese eklatante Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität [Katars].“

Kundgebung in Tel Aviv zur Freilassung der Geiseln, Juli 2024. Demonstranten halten rote Banner hoch mit der Aufschrift: "A good speech won't save them. A deal would"
Schwierige Aufgabe: Bislang vermittelte Katar auch zwischen Israel und der radikal-islamistischen Hamas. Szene von einer Kundgebung in Tel Aviv zur Freilassung der Geiseln, Juli 2024Bild: Mostafa Alkharouf/Anadolu/picture alliance

Dies ist bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass Katar als Vermittler in den geopolitischen Konflikten der Region angegriffen wurde. Im Juni feuerte der Iran als Vergeltungsmaßnahme für Israels Angriffe auf iranische Nuklearanlagen Raketen auf einen US-Militärstützpunkt in Katar ab.

Experte: Katar macht sich unverzichtbar 

Die jüngsten Angriffe auf katarisches Territorium fallen dabei in eine Zeit, in der Katars Rolle als Krisenmediator immer bedeutsamer geworden ist. "Katars Aufstieg als wichtiger Vermittler hat das diplomatische Ansehen des Landes erhöht und es inzwischen zu einem wichtigen Akteur auf der Weltbühne gemacht", urteilt Burcu Ozcelik, Senior Research Fellow beim britischen Think Tank Royal United Services Institute, im DW-Gespräch.

"Diese Rolle stärkt seinen Einfluss und positioniert das Land als unverzichtbaren Partner für den Frieden' in der Weltgemeinschaft."

Katar habe gute Gründe, sich als internationaler Vermittler zu empfehlen, sagen Analysten. Denn indem das Land an vielen Orten diplomatisch aktiv sei, stärke es durch diese Vernetzung zugleich seine eigene Sicherheit in einer instabilen Region.

Die Gestaltung einer eigenen Außenpolitik - indem es etwa manchen politischen Dissidenten Exil gewährt und teils auch militante und extremistische Gruppen unterstützt - dient Katar auch dazu, mit seinem traditionellen Rivalen, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), zu konkurrieren.

Außerdem könne dadurch seine Unabhängigkeit vom mächtigen Nachbarn Saudi-Arabien reduzieren, schrieb der Politologe Ali Abo Rezeg bereits 2021 in einem Artikelin der akademischen Zeitschrift "Insight Turkey".

US-Außenminister Antony Blinken(rechts) und sein katarischer Amtskollege Mohammed Bin Abdulrahman Al Thani (links) reichen sich die Hand, Washington im März 2024
Miteinander vertraute Diplomaten: US-Außenminister Antony Blinken (rechts) und sein katarischer Amtskollege Mohammed Bin Abdulrahman Al Thani (links) in Washington, März 2024Bild: Tasos Katopodis/Getty Images

Weit verzweigte Kontakte

Katar ist bekannt für sein breites und vielfältiges Netzwerk von Kontakten. Zudem hat es eine Reihe sehr unterschiedlicher Gruppen unmittelbar durch finanzielle oder sogar militärische Hilfen unterstützt. So unterstützte Katar die Taliban, die ägyptische Muslimbruderschaft, libysche Milizen sowie die Aufstände unter anderem in Syrien, Tunesien und dem Jemen im Zuge des "Arabischen Frühlings".

Im Jahr 2012 bat die seinerzeit von Barack Obama geführte US-Regierung Katar, den politischen Flügel der militanten Hamas-Gruppe bei sich zu beherbergen, anstatt ihn von Syrien in den Iran umziehen zu lassen - wo die Extremisten weit weniger zugänglich für etwaige Gespräche oder Verhandlungen gewesen wären. Die Hamas wird von den USA und vielen weiteren Ländern als terroristische Vereinigung eingestuft.

Allerdings -und das ist typisch für Katar: Das Land beherbergt nicht nur die Hamas-Führung, sondern seit 2001 auch den US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Al-Udeid - mit rund 10.000 Soldaten die größte US-Basis im Nahen Osten.

"Katar profitiert davon. Denn die Regierungen im Westen - und bis zu einem gewissen Grad auch die im Osten -  betrachten das Land als 'nützlichen Freund'", meint Cinzia Bianco, Expertin für die Golfstaaten beim European Council on Foreign Relations.

Ebenfalls zum Erfolg trägt Katars offenkundiges Geschick bei, sich in die Interessenlagen unterschiedlicher Kräfte und Parteien hineinzuversetzen. So pflegt Katar trotz seiner engen Zusammenarbeit mit den USA auch einen pragmatischen Umgang mit zahlreichen islamistischen Organisationen.

In Katar ist man überzeugt, dass diese weder ignoriert noch in einem finalen Sinne militärisch besiegt werden können. Auch die Taliban gaben seinerzeit zu Protokoll, sie fühlten sich bei ihren Verhandlungen mit den USA in Katar gut aufgehoben. 

Ein US-amerikanischer Kampfflugzeug im katarischen Luftraum, 2020. Luftaufnahme, grauschwarzer Bombenträger über einer Wüstenlandschaft
Militärische Partnerschaft: ein US-amerikanischer Kampfflugzeug im katarischen Luftraum, 2020Bild: Matthew Lotz/US Air/ZUMA Wire/mago images

Neutralität als Priorität

Die katarischen Verhandlungsführer hätten nicht unbedingt per se besondere Fähigkeiten, sagt Golfstaaten-Expertin Bianco. Allerdings würden sie für entsprechende Aufgaben ausgebildet.

"Sie zeichnen sich vor allem dadurch aus, so neutral wie möglich zu sein." Hilfreich sei auch der Reichtum Katars. Dessen Ressourcen erlaubten es, an mehreren Krisen gleichzeitig zu arbeiten und Dissidenten aufzunehmen.

Eine Delegation der Taliban zu Gesprächen in Doha, 2021. Rechts in weißen Gewändern die Delegation Katars, links mit schwarzen Westen und schwarzen Turbanen die Taliban-Vertreter
Eine Delegation der Taliban zu Gesprächen in Doha, 2021 Bild: REUTERS

Gefährlicher Balanceakt

Israelische Politiker haben Katar mehrfach vorgeworfen, ein "Wolf im Schafspelz" zu sein, der den Terrorismus finanziere. Auch mehrere US-Politiker hatten zuletzt eine "Neubewertung" der Beziehungen zu Katar gefordert, sollten die Katarer nicht größeren Druck auf die Hamas ausüben.

Einige US-Politiker brachten im April auch einen Gesetzentwurf ein, der Katar den Status eines wichtigen Nicht-NATO-Verbündeten entziehen könnte. Katar wiederum weist alle Anschuldigungen zurück und erklärt, es habe keine Macht über die Hamas.

"Wenn man mit nichtstaatlichen bewaffneten Milizen zusammenarbeitet, die schlimme Dinge tun, riskiert man natürlich, andere Parteien zu verärgern", sagt Golfregions-Expertin Cinzia Bianco.

Schnell stehe dann der Vorwurf im Raum, man verschaffe gewissen Gruppen Legitimität oder Zugang zu Ressourcen. Das Gegenargument der Kataris, so Bianco, laute dann stets: 'Ja, wir haben diese Verbindungen - aber wir nutzen sie für etwas Gutes'. 

Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp und nach dem israelischen Angriff auf führende Hamas-Mitglieder in Doha am 9.9.2025 aktualisiert.