Katar-Israel: Eskalation unwahrscheinlich
11. September 2025Katar wählt leise Töne: Bisher beschränkte sich die politische Führung des Emirats darauf, den israelischen Angriff am Dienstag, bei dem in der Hauptstadt Katar fünf untergeordnete Hamas-Führer und ein lokaler Sicherheitsoffizier getötet wurden, öffentlich zu verurteilen. Katar mache Israel für die Folgen verantwortlich, sagte der Emir des Landes, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani.
Bei wem es sich genau um die Toten handelt, ist derzeit noch unklar. Die von Israel, den USA, der EU und vielen anderen Ländern als Terrororganisation eingestufte Hamas selbst hat bislang nur den Tod von Himam al-Haja, dem Sohn des Hamas-Chefunterhändlers Chalil Al-Haja, bestätigt.
Die Nachrichtenagentur AFP berichtete weiter, dass sich Chalil Al-Haja sowie der ehemalige Leiter des Verhandlungsteams, Chaled Meschaal, im selben Gebäude aufgehalten hätten. AFP konnte seitdem keinen der beiden erreichen.
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte unterdessen, der Schlag sei "vollkommen gerechtfertigt". Denn die Hamas sei verantwortlich für den Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 und habe auch mit dem Angriff palästinensischer Extremisten am Montag in Jerusalem zu tun. Bei diesem wurden sechs Menschen getötet. Die Hamas hatte die Verantwortung für den Anschlag übernommen.
Den israelischen Luftangriff in Katar bezeichnet Sanam Vakil, Direktor des Nahost- und Nordafrika-Programms des Londoner Thinktanks Chatham House, im DW-Interview als "Weckruf für die gesamte Region. Dort werden die Grenzen traditioneller Partnerschaften und Allianzen gerade neu definiert."
Trump distanziert sich von Angriff
Katar und die USA sind enge Verbündete. US-Präsident Donald Trump erklärte in einem Social-Media-Post, er sei nicht im Voraus über den Angriff informiert worden. "Dies war eine Entscheidung von Premierminister Netanjahu, nicht meine", teilte er mit. "Ich betrachte Katar als starken Verbündeten und Freund der USA und bedauere den Ort des Angriffs sehr", so Trump weiter. Die Eliminierung der Hamas sei aber weiterhin ein "würdiges Ziel".
"Die Golfstaaten wissen, wie wichtig ihre Partnerschaft mit den USA wirtschaftlich und sicherheitspolitisch ist. Daher ist ein unmittelbarer Bruch kaum absehbar", so Vakil.
Ähnlich sieht es Hugh Lovatt vom European Council on Foreign Relations. Er schließt aus, dass die Situation sich zu Kämpfen zwischen Katar und Israel ausweiten könnte. "Katar wird auf keinen Fall militärisch zurückschlagen", so Lovatt zur DW.
Auch Neil Quilliam, Außenpolitikexperte des Londoner Beratungsunternehmens Azure Strategy, erwartet keine militärische Reaktion. "Katar ist nicht bereit, die Situation zu eskalieren", sagt er im DW-Interview. "Ein Gegenschlag würde Israel zu einer härteren Reaktion provozieren."
"Katars Vertrauen in die USA, dem Emirat Schutz zu gewähren, muss derzeit zutiefst erschüttert sein", so Quilliam unter Anspielung auf den Umstand, dass Katar seine Luftabwehr von den USA gekauft hat.
Gefährdete Verhandlungen?
Der Angriff auf die Hamas am Dienstag unterbrach die jüngste Verhandlungsrunde zwischen Israel und der Palästinenserorganisation. Diese widmete sich der Frage eines Waffenstillstands und der Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln nach beinahe zwei Jahren Krieg.
Der katarische Premierminister Mohammed bin Abdulrahman erklärte unterdessen gegenüber Reportern, Katar werde trotz des Angriffs seine Vermittlerrolle beibehalten.
"Katar hat keine Mühen gescheut, diesen Krieg zu beenden, und wird alles in seiner Macht stehende tun, um diesen Krieg und die Feindseligkeiten im Gazastreifen zu beenden." Die Vermittlung werde fortgesetzt. Nichts werde das Emirat davon abhalten, diese Aufgabe fortzusetzen.
Allerdings stocken die Verhandlungen seit Monaten. Zugleich wächst innerhalb Israels wie auch international der Druck auf Israels Premier Netanjahu, den Krieg zu beenden. Der war am 7. Oktober 2023 durch den Angriff der Hamas auf israelisches Territorium ausgelöst worden, bei dem mehr als 1200 Menschen getötet worden waren. Zugleich entführte die Hamas über 250 Personen.
Unbestätigten Informationen des Gesundheitsministeriums von Gaza zufolge wurden in dem darauf folgenden Konflikt mehr als 64.500 Palästinenser getötet. Zudem befinden sich noch etwa 50 Geiseln in der Gefangenschaft der Hamas. Es wird jedoch vermutet, dass nur rund 20 von ihnen noch leben.
Israel-Katar: keine formellen Beziehungen
Katar und Israel haben nie formelle Beziehungen aufgebaut. Stattdessen pflegen beide Länder seit den 1990er Jahren ein pragmatisches Verhältnis. Im Dezember 2021 unterzeichneten sie sogar ein diskretes Handelsabkommen über Diamanten.
2012 zog die politische Führung der Hamas von Syrien in die katarische Hauptstadt Doha. Dabei spielte auch der Umstand eine Rolle, dass Washington verhindern wollte, dass die Hamas-Führung in den Iran zieht. Dort nämlich wäre sie weitaus schlechter zu erreichen.
Katar: gute Verbindungen zur Hamas
Seitdem haben Katars gute Beziehungen sowohl zu der Hamas wie auch zu Israel zu seiner führenden Position in mehreren Verhandlungsrunden beigetragen. Dabei standen dem Emirat Ägypten, die USA und andere Länder zur Seite.
"Katar war Israels schärfster Kritiker. Dadurch unterscheidet sich das Emirat von anderen Staaten in der Region", sagt Neil Quilliam. Damit spielt er auf den Umstand an, dass Bahrain oder die Vereinigten Arabischen Emirate im Rahmen der von den USA vermittelten Abraham-Abkommen 2020 diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen haben.
"Gleichzeitig konzentriert sich Katar aber darauf, einen Weg zu finden, das Leid der Palästinenser zu lindern", so Quilliam weiter. "Das gilt insbesondere mit Blick auf den Gazastreifen, aber auch auf das Westjordanland."
Allerdings könne man kann nicht sagen, dass Katar mit der Hamas verbunden sei, sagt Quilliam. "Das Emirat bietet der Hamas oder den Taliban Unterkunft und schafft dadurch einen Raum für Verhandlungen zwischen westlichen Mächten und diesen Gruppen. Zur Hamas unterhalte Katar seiner Einschätzung nach lediglich eine Arbeitsbeziehung. "Katar neigt einer islamistischen Gruppe wie der Hamas zwar stärker zu. Aber das bedeutet nicht, dass es deren Position in Gaza unterstützt", fügt er hinzu. "Mit Blick auf Israel ist Katar wirklich ein außergewöhnlicher Vermittler in der Region", sagt Neil Quilliam.
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.