"Kalter Krieg" zwischen Kosovo und Mazedonien?
27. Mai 2002Köln, 27.5.2002, DW-radio
Hohe Wellen hat eine Resolution zur "territorialen Integrität Kosovos" geschlagen, die das kosovarische Parlament am vergangenen Donnerstag (23.5.) verabschiedet hat. Obwohl die Erklärung umgehend von UN-Administrator Michael Steiner für ungültig erklärt wurde, löste sie vor allem in Mazedonien scharfe Reaktionen aus. Denn in der Erklärung wird unter anderem das Grenzabkommen zwischen Jugoslawien und Mazedonien vom Januar 2001 für nicht hinnehmbar erklärt, durch das rund zweieinhalb Tausend Hektar Land, die Kosovo für sich reklamiert, Mazedonien zugeschlagen werden. Mazedonien kündigte eine Verschärfung der Kontrollen an der Nordgrenze an, der Nationale Sicherheitsrat wurde einberufen, und am Montag (27.5.) findet eine Sondersitzung des Parlaments zu diesem Thema statt. Einzelheiten von Adelheid Feilcke-Tiemann.
Seit der Kosovo-Resolution hat sich der Tonfall in Mazedonien deutlich verschärft. Ministerpräsident Ljubco Georgievski sprach bereits von einem "Kalten Krieg" zwischen Kosovo und Mazedonien. Und sein Innenminister Ljube Boskovski erklärte:
"Obwohl Kosovo ein Protektorat ist und die Macht in den Händen der Vereinten Nationen liegt, müssen wir diese Resolution ernst nehmen, denn sie bedeutet direkt eine Kriegserklärung an Mazedonien."
Das jugoslawisch-mazedonische Grenzabkommen war zwar international anerkannt worden. Doch auf kosovarischer Seite hatte es seit seiner Verabschiedung immer wieder scharfe Kritik gegeben, zudem hatten erst kürzlich Grenzbewohner erneut dagegen protestiert. Die am Donnerstag (23.5.) verabschiedete Resolution des Kosovo-Parlaments manifestiert nun diese Kritik - auch wenn sie durch UN-Verwalter Michael Steiner für hinfällig erklärt wurde. Steiner hatte bereits im Vorfeld der Parlamentsentscheidung in Prishtina der Deutschen Welle seine Ablehnung angekündigt. Derartige Außen- und Sicherheitsfragen lägen, gemäß der UN-Resolution 1244 und der kosovarischen Verfassung, außerhalb der Kompetenz des Kosovo-Parlaments, so der UN-Verwalter:
"Wir müssen hier agieren auf der Basis von 1244 und auf der Verfassung. Ich habe gewisse Rechte, was die Verfassung angeht. Es ist vollkommen klar, dass die Lage in Mitrovica, dass die Frage des Grenzabkommens nicht im Kompetenzbereich des Parlaments oder der Regierung steht. Ich habe auch zu der Frage erklärt, dass es hier ganz eindeutige Verfassungsbestimmungen gibt. Beide Bereiche sind nicht in der Zuständigkeit des Parlaments. Das Parlament würde, wenn es eine solche Resolution annehmen würde, außerhalb seiner Kompetenzen handeln, das heißt, die Resolution wäre rechtlich nicht wirksam."
Steiners Veto gegen die kosovarische Resolution wurde durch ähnlich lautende Erklärungen der internationalen Gemeinschaft untermauert.
Auch Belgrad und Skopje wiesen die Erklärung unisono zurück. Denn das Papier thematisiert neben dem Grenzabkommen noch andere strittige Punkte, die vor allem die serbisch-kosovarischen Beziehungen betreffen. Der Kerngedanke der Resolution lautet: "Die Grenzen Kosovos sind unveränderlich." In diesem Sinne fordert das kosovarische Parlament die UN-Verwaltung und die KFOR auf, die Integrität Kosovos zu bewahren. Sie sollen unter anderem einer Teilung Kosovos in Nord-Mitrovica entgegenwirken, alle dortigen Parallel-Strukturen für ungesetzlich erklären und auflösen.
Trotz ihrer Annullierung enthält die Resolution also eine nicht zu unterschätzende Sprengkraft. Die Reaktionen zeigen erneut die tiefen ethnischen Divergenzen in der gesamten Region: Ablehnung auf serbischer und mazedonischer Seite, Zustimmung bei den Kosovo-Albanern. So wurde die Resolution im Parlament in Prishtina ohne Gegenstimmen angenommen - nachdem allerdings die serbischen Abgeordneten vom Bündnis "Povratak" zuvor aus Protest geschlossen den Saal verlassen hatten.
In Mazedonien kommt dieser Streit in einer sensiblen Situation. Hier steht gerade die Umsetzung des Ohrid-Abkommens vor ihrem Abschluss. Abdurrahman Haliti, der neue Vorsitzende der Demokratischen Prosperitätspartei, rief nach den scharfen Reaktionen der mazedonischen Spitzenpolitiker deshalb zur Mäßigung auf:
"Ich meine, es gibt keinen Grund zur Beunruhigung für Mazedonien. Bekanntlich ist das Abkommen über die Grenze des Kosovo zwischen Jugoslawien und Mazedonien vereinbart. Aber nachdem im Kosovo eine internationale Verwaltung herrscht, ist das Abkommen aus juristischer Sicht nicht mehr rechtskräftig. Serbien oder Jugoslawien hatten in der Zeit, als das Grenzabkommen beschlossen wurde, keine faktische Macht auf dem Territoriums Kosovos. Und deshalb konnte Jugoslawien nicht Partner dieses Abkommens sein. Es wäre richtig gewesen, mit demjenigen, der damals die faktische Macht im Kosovo hatte, zu verhandeln: mit der internationalen Verwaltung der Vereinten Nationen. Man hätte auch die Zustimmung der kosovarischen Führung einholen sollen."
Indes gibt es auch in der slawischen Bevölkerung in Mazedonien Stimmen, die die Reaktion der Regierung in Skopje für überzogen halten. Der frühere Außenminister Ljubomir Frckovski und der ehemalige Vize-Premier Vasil Tupurkovski lehnen die scharfen Worte der Regierung in Skopje ab. Dabei verweisen sie darauf, dass die kosovarische Resolution ja von Steiner annulliert worden sei.
Tupurkovski: "Die Resolution des Kosovo-Parlaments ist eine Deklaration, die ein Parlament verabschiedet hat, das keine Beschlüsse fassen darf, die Auswirkungen auf das internationale Recht haben. Diese Resolution bewirkt keinerlei internationales Handeln. In diesem Kontext ist Steiners Beschluss, diese Resolution für ungültig zu erklären, ausreichend und ein richtiger Beschluss. Sollte das mazedonische Parlament seinerseits eine Erklärung verabschieden, ist das riskant. Denn das ist das Ziel des kosovarischen Parlaments, weil wir ihnen damit eine faktische Anerkennung gäben für ihre Taten. Andererseits werden die gelegentlichen Zwischenfälle an der Grenze weitergehen, solange nicht die Statusfrage Kosovos definitiv geklärt ist." (MK)