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Jugoslawiens Generalstabschef per Dekret entlassen

25. Juni 2002

– General Pavkovic erkennt seine Entlassung nicht an

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Köln, 25.6.2002, DW-radio / Bosnisch

Fast zwei Jahre nach dem Fall des Milosevic-Regimes könnte in Jugoslawien sein erster General Nebojsa Pavkovic abgelöst werden. Jugoslawiens Präsident Vojislav Kostunica hat nämlich gestern (24.6.) per Dekret General Branko Krga zum Generalstabschef berufen. Trotz allem ist die Ablösung Pavkovics noch ungewiss. Pavkovic befehligte seinerzeit die jugoslawischen Streitkräfte während ihrer Intervention im Kosovo und auch später während der NATO-Luftangriffe. Aus dem Kollegium des Generalstabs erreicht uns bereits die Mitteilung, dass es das Dekret des jugoslawischen Präsidenten nicht anerkennen werde. Wer kontrolliert augenblicklich die Armee Jugoslawiens? Darüber berichtet aus Belgrad Ejub Stitkovac.

Die meisten Mitglieder der serbischen Regierungskoalition forderten die Ablösung General Pavkovics – ausgenommen Bundespräsident Vojislav Kostunica, der ihn sogar oft lobte. Dies gab auch Anlass zu ständigen politischen Konflikten innerhalb dieser Gruppierung. Warum hat er ihn ausgerechnet jetzt abgelöst? Die einen sagen, er sei zu mächtig geworden und wollte nicht mehr auf die Befehle des ersten Mannes des Obersten Verteidigungsrates hören. Den selben Quellen zufolge soll Kostunica versucht haben, Pavkovic auf seine Seite zu ziehen, damit der General zu einer seiner Hauptstützen wird, wie er es bereits zu Milosevics Zeiten war.

Einiges ist darüber bereits ans Tageslicht gedrungen, und in den kommenden Tagen wird es noch deutlicher erkennbar werden, in welchen Beziehungen der Generalstabschef und der formelle Chef des Bundesstaates in Wahrheit zueinander standen. Pavkovic sagt, es handle sich um eine persönliche Abrechnung: "Ich habe selbstverständlich dieses Dekret zurückgewiesen. Ich habe es nicht unterzeichnet und gesagt, dass ein solches Verhalten seitens des Präsidenten eigentlich eine persönliche Abrechnung mit mir darstellt. Denn ich habe ihn bereits vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass er "Leute in seinem Umfeld hat, die nicht dazu befugt sind, mit der Armee Kontakt aufzunehmen und sie zu befehligen - wie beispielsweise General Tomic -, Leute, die ihr Amt missbrauchen und sich in die Zuständigkeit des Generalstabschefs einmischen und versuchen, die Armee zu befehligen".

Kostunica seinerseits beharrt auf seiner Position und rechnet damit, dass sein Vorgehen von der Öffentlichkeit als Entschlossenheit interpretiert wird. Denn bislang hat er in den meisten Fällen, wenn es um große Ereignisse ging, die Bürger davon überzeugen wollen, dass er nicht darüber in Kenntnis gesetzt worden sei oder dass sich vieles hinter seinem Rücken abspiele. Der Bundespräsident erweckt den Eindruck, dass er wenigstens in einem Punkt seinen politischen Rivalen, Zoran Djindjic, einholen möchte, der die Kraft dazu aufbrachte, Milosevic an Den Haag (den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien – MD) auszuliefern.

Diese beiden Ereignisse können nach ihrer Bedeutung und Schwere kaum miteinander verglichen werden, sie haben jedoch Berührungspunkte. Kostunica sagte unmittelbar nach der Ablösung Pavkovics: "Ich muss sagen, es tut mir außerordentlich leid, dass General Pavkovic sich dazu entschlossen hat, für einen Soldaten so unehrenhaft zu gehen. Er dachte, er stehe über den Streitkräften und die Streitkräfte über dem Staat. Der beste Beweis dafür ist seine Erklärung, dass durch seine Entlassung die Befehlskette durchbrochen würde".

Die Schlüsselfrage ist nun, wer derzeit die Streitkräfte kontrolliert. Denn der entlassene General hat seinen Erklärungen zufolge nicht die Absicht, sich einfach so zurückzuziehen. Nach Einschätzung des Militäranalytikers Miroslav Hadzic wird er nicht sehr stark von den Offizieren unterstützt, und demnach ist keine Krise zu erwarten. Nichts desto trotz ruft bei einer politisch instabilen Situation jede Bewegung – und insbesondere bei der Armee – zumindest Bedenken bei der Bevölkerung hervor. (md)