Journalisten im Kosovo verlangen von UN-Verwaltung Schutz bei ihrer Arbeit
28. November 2002Pristina, 23.11.2002, KOHA DITORE, alban.
Sehr geehrte Herren,
der Vorstand des Verbandes der Berufsjournalisten Kosovas hat mich beauftragt, ein Schreiben an Sie zu richten, um Sie über die Probleme zu unterrichten, mit denen die Journalisten in Kosova konfrontiert sind.
Unser Verband hat Briefe von mehreren Journalisten erhalten, die uns um Hilfe baten. Korrespondenten aller Medien aus Peja (serbisch: Pec – MD) beklagen, dass die UNMIK, das heißt die UNMIK-Sprecher, Journalisten diskriminieren und weder Transparenz üben, noch sich korrekt ihnen gegenüber verhalten.
Einen ähnlichen Brief haben wir von den Journalisten erhalten, die über den Prozess gegen die Peja-Gruppe (frühere Angehörige der UCK, denen Tötungsdelikte aus dem Jahr 1999 zur Last gelegt werden – MD) vor dem Bezirksgericht Prishtina berichten. Das ungebührliche Benehmen der Polizei an den Toren des Gerichts, der selektive Zutritt für Reporter zu der Verhandlung, bürokratische Schikanen gegen Journalisten und mangelnde Koordination zwischen der Polizei und den Vertretern der ersten Säule (Polizei und Justiz – MD) machen die Arbeit der Journalisten schwierig und unerträglich.
Laut der in Kosova gültigen Strafprozessordnung sind Journalisten nicht verpflichtet, von irgendjemandem die Erlaubnis einzuholen, Gerichtsverhandlungen beiwohnen zu dürfen. Sie sind verpflichtet, die Erlaubnis des Obersten Gerichts einzuholen, wenn sie Kameras mit hinein nehmen wollen. Ungeachtet dessen wird von den Journalisten, die über den laufenden Prozess vor dem Gericht in Prishtina berichten, verlangt, dass sie eine Genehmigung einholen, um über den Prozess zu berichten.
Zunächst sind die Journalisten verpflichtet, sich an die Anweisungen der Sicherheitsbeamten an den Toren des Gerichtsgebäudes zu halten. Ohne dazu befugt zu sein, verlangen die Sicherheitsbeamten von den Journalisten "Erlaubnis vom Obersten Gericht". Danach müssen sie sich den Angehörigen der ShPK (Kosovo-Polizei) stellen, die Sympathien für einzelne Journalisten hegen. Die ShPK-Angehörigen verlangen nicht nur eine Erlaubnis durch das Oberste Gericht, sondern stellen auch Fragen wie etwa "Für welches Medium arbeiten Sie?".
Den Journalisten zufolge ist die dritte Hürde, die sie überwinden müssen, bevor sie das Gericht betreten können, das größte Ärgernis. So befahl ein Polizist aus Jordanien einem Reporter (Berit Buzhala) von "Zeri", sich auf einen Stuhl auf dem Gerichtsflur zu setzten und drohte ihm mit ernsten Konsequenzen, sollte er sich von dort weg bewegen. Eine derartige Szene spielte sich am 15. November in Anwesenheit von Angehörigen der ShPK und am Verfahren beteiligten Richtern ab.
Der Vorsitzende Richter im Prozess gegen die Peja-Gruppe, Morris de Travent, hat mehrere Male erklärt, die Journalisten benötigten keine Erlaubnis des Obersten Gerichts, um den Prozess zu verfolgen.
Der Sportredakteur der "Koha Ditore" hat uns ebenfalls einen Brief geschrieben, in dem er uns darüber informiert, dass die Sportreporterin Merita Maxhuni von drei Personen körperlich angegriffen wurde und die Polizei die Identität der Personen kenne. (...)
Unterdessen kommen raffinierte Drohungen von Politikern und aus dem Untergrund, die die investigative Arbeit von Journalisten praktisch unmöglich gemacht haben.
Die grobe Sprache der beiden größten politischen Parteien gegen einen Teil der Medien (besonders gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen) ist beispiellos und ein schlechtes Omen für die Pressefreiheit. Solche Angriffe stellen einen schamlosen Angriff auf die Arbeit von Journalisten dar und beeinträchtigen in erheblichem Maße ihre Arbeit und die der Organisation, für die sie arbeiten.
Unsere Redaktionen werden täglich mit ähnlichen Problemen konfrontiert, aber sie machen diese nicht öffentlich, da sie Angst vor den Konsequenzen haben. Es gibt ein breites Spektrum von Schwierigkeiten, die ihnen drohen – sie werden beleidigt, angegriffen, bedroht und geschlagen und man hindert sie an ihrer Arbeit.
Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass der Journalismus in Kosova seine Unzulänglichkeiten und Probleme hat, aber dies ist eine Folge des mangelnden Funktionstüchtigkeit der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte und der Zahnlosigkeit des Verhaltenskodexes, wenn es darum geht, die Öffentlichkeit vor schlechtem Journalismus zu schützen. Dieser Kodex bietet keinerlei Schutz für Persönlichkeiten oder für die Öffentlichkeit vor öffentlichen Beleidigungen, die zuweilen die körperliche und moralische Integrität von Einzelnen, Familien und Institutionen untergraben. Dieser Kodex muss ganz einfach geändert werden.
Wir sind uns bewusst, dass die Pressefreiheit in Kosova von einigen Menschen zur Veröffentlichung von unlogischen und absurden Informationen, von Lügen und gefährlicher Verleumdung begriffen wird. Sie aber, die wichtigste Säule der UNMIK und der Medienkommissar, sagen, dass das der Preis sei, der für die Freiheit gezahlt werden müsse. Wir wissen, dass im Hinblick auf die Beachtung der Menschenrechte und Freiheiten - und hierzu zählt auch die Pressefreiheit - man mit dem Finger auf die staatlichen Behörden zeigt und in diesem Kontext gewöhnlich die Behörden der Exekutive gemeint sind. Also wird, um die Journalisten davor zu bewahren, sich mit den Behörden auseinander zu setzen, diese Organisation daran arbeiten, die Journalisten und den Journalismus vor den unterschiedlichsten Formen des Drucks zu schützen.
Die Journalisten und der Journalismus in Kosova sind nicht vom Druck ausgenommen. Die vorherrschende Meinung unter den Journalisten in Kosova ist (siehe dazu auch den Bricht der OSZE), dass sie keine neuen Gedanken fördern können, aus Angst vor den politischen Parteien und weil die Polizei und die Justizbehörden bei der Aufgabe, sie zu schützen, versagen.
Weil alle exekutiven Befugnisse in der Hand der UNMIK liegen, bezeichnen die Journalisten den Druck dieser Art als "populistische Zensur" und "Zensur von unten" im Gegensatz zu staatlicher Zensur, die als "Zensur von oben" bezeichnet werden könnte. Die Politik, die mit den Rechten der Journalisten zu tun hat, ist bestrebt, diese davor zu bewahren, sich in eine derart widersprüchliche Lage zu bringen, während auf der anderen Sie die Verantwortung übernommen haben, die Ordnung zu schützen. In diesem Sinne dienen die Menschenrechte und die Rechte der Journalisten als ethnischer Bezugspunkt zur Bewertung der Arbeit des Medienkommissars und der UNMIK.
Sie kommen aus dem Westen. Als Teil Ihrer gefestigten politischen Tradition der Pressefreiheit sollten Sie die Rolle übernehmen, die Journalisten in Kosova zu schützen. Wenn das nicht der Fall ist, müssen wir sehr besorgt sein über die Zukunft unserer Arbeit. Wir brauchen keine weiteren toten Journalisten, um zu begreifen, wie gefährlich es ist, für die kosovarischen Medien zu arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen,
Baton Haxhiu, Vorsitzender des Verbandes der Berufsjournalisten Kosovas (MK)