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Jobst Oetzmann erzählt Geschichten aus der Provinz

26. September 2001

Zuschauer mit einem Faible fürs Skurrile und für merkwürdige Einzelgänger kommen in Jobst Oetzmanns neuem Film auf ihre Kosten.

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Ist die Würde des Schweins unantastbar? Zumindest die fahrradenthusiastischen Schweinemasttouristiker fordern in ihrem Manifest für das liebe Vieh "freien Auslauf, freie Wiesen, freien Dreck, freies Essen und freie Aussicht" ...

Zuschauer mit einem Faible fürs Skurrile und für merkwürdige Einzelgänger kommen in Jobst Oetzmanns neuem Film auf ihre Kosten. Tragisch, fantasie- und humorvoll erzählt "Die Einsamkeit der Krokodile" davon, was es heißt, als Außenseiter in einer Gemeinschaft zu leben. Die unkonventionelle Kriminalgeschichte ist in der deutschen Provinz angesiedelt und könnte doch überall spielen.

Der Journalist Elias (Janek Rieke) fährt in das Dorf seines verstorbenen Cousins Günther. Angeblich soll sich dieser das Leben genommen haben, was Elias unglaubwürdig erscheint. Er bricht zu einer Recherche auf und es beginnt eine erstaunliche Entdeckungsreise. Diese ist zugleich der Anfang der Geschichte in der Geschichte, die im Kern von dem skurrilen Sonderling Günther handelt.

Günther war schon als Kind anders als alle anderen in seinem Dorf. In der Metzgerei spielte er Geige, während der Vater, davon ungerührt, das Schlachtvieh zerteilt. Als schrullig gilt Günther (Thomas Schmauser) den anderen Dorfbewohnern nicht nur wegen seiner musischen Begabung. Anstatt sich für die Mädels zu interessieren, zieht er nachts mit den Schweinen der Bauern rum, um ihnen "mal etwas anderes als die Schlachtbank" zu zeigen.

Auch Elias wird schnell zum Außenseiter: Als ihm die Dorfschönste und begehrte Wirtin Heike (Julia Jäger) ihre Sympathien schenkt, bringt das die Männer im Dorf gegen ihn auf. Durch die abweisende Art der Eltern Günthers fühlt sich Elias darin bestätigt, einem Mordfall auf der Spur zu sein. Er verfolgt die wenigen Anhaltspunkte und stößt auf Mary (Dynelle Rhodes), eine lebenslustige schwarze Amerikanerin, die ihm von ihrer Liebe zu Günther erzählt.

In sanften und melancholischen Bildern inszenierte Jobst Oetzmann die Lebensgeschichte eines Außenseiters, der an den in der Dorfgemeinschaft wirksamen Machtstrukturen scheitert, weil er nie lernte, seine Freiheit zu verteidigen. Der Regisseur zeigt hier auch einen Mikrokosmos auf, der "wie unter einem Brennglas" die dynamischen Prozesse einer jeden Gemeinschaft aufzeigt.

Oetzmann interessierte der "Zwiespalt zwischen Abgrenzung und Anlehnungsbedürftigkeit", in dem sich alle dargestellten Charaktere befinden. So erleben sich alle in unterschiedlichen Graden als "anders" und haben spezifische Strategien gefunden, dieses "Anderssein" in wenn auch kleinen Freiräumen auszuleben.

Günther, der Gründer des "Clubs der fahrradenthusiastischen Schweinemasttouristiker" fällt dabei mit seiner Fantasie am meisten aus dem Gefüge. Immer wieder taucht der Zuschauer in geschickt gemachten Rückblenden in seine Gedanken- und Gefühlswelt ein. Am Ende hat der Journalist nicht nur die Umstände von Günthers Tod erkundet, sondern geht selbst verändert aus dem Kriminalfall hervor und bricht zu neuen Ufern auf.

Jobst Oetzmann, der mit Krimis für das deutsche Fernsehen bekannt wurde, zeigt in "Die Einsamkeit der Krokodile" sein großes Talent, mit unterschiedlichen Genres zu spielen. Das Drehbuch zum Film schrieb er selbst nach der gleichnamigen Romanvorlage von Dirk Kurbjuweit, wobei es ihm gelang, den lakonischen Ton des Buches zu treffen.

Für den in Hannover geborenen Regisseur ist "Die Einsamkeit der Krokodile" nach vielen Jahren als Krimiregisseur fürs Fernsehen der erste abendfüllende Spielfilm. Im vergangenen Jahr bekam er dafür den Bayerischen Filmpreis.