Jeffrey Epstein: Opfer fordern Freigabe aller Akten
5. September 2025Just als Opfer des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein und seiner Vertrauten Ghislaine Maxwell sich für eine Pressekonferenz auf den Stufen des US-Kapitols in Washington DC versammelten, überflogen Kampfjets auf Anweisung des Weißen Hauses dröhnend den Sitz des US-Kongresses und unterbrachen eine der Sprecherinnen.
"Diese Frau hat Kinder missbraucht", sagte Anouska De Georgiou gerade über Maxwell, während die näher kommenden Kampfflugzeuge immer lauter wurden und ihre Worte schließlich übertönten.
Umringt von anderen Frauen, die wie sie gekommen waren, um darüber zu sprechen, was Epstein und Maxwell ihnen angetan hatten, setzte sie ihre Rede fort. "Mehr als zehn Jahre lang wurde ich von Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell missbraucht. Während mich Jeffrey Epstein missbrauchte, war auch Ghislaine Maxwell immer wieder anwesend. Sie war dabei, sie hat sich mitschuldig gemacht, sie hat den Missbrauch ermöglicht."
Die dröhnenden Kampfflugzeuge, die ihre Worte unterbrachen, erscheinen wie ein treffende Metapher dafür, wie die Opfer von Epstein und Maxwell noch immer darum kämpfen müssen, gehört zu werden, während sie weiter unter dem Trauma und den Verletzungen leiden, die ihnen der milliardenschwere Sexualstraftäter und seine Komplizin zufügten.
"Transparenz ist Gerechtigkeit"
Die Veröffentlichung sämtlicher Epstein-Akten würde ihnen helfen, genau das zu erreichen: Gehör zu finden. Davon sind die Opfer überzeugt.
"Die Kongressabgeordneten müssen sich entscheiden: Wollen Sie weiter Sexualstraftäter schützen, oder schützen Sie endlich die Opfer? Transparenz ist Gerechtigkeit", sagte Lisa Philipps, eine andere Überlebende. "Geben Sie die Akten frei, beenden Sie die Geheimniskrämerei und stellen Sie sich uns zur Seite mit der Forderung, dass niemand, kein Milliardär, kein Politiker, kein Staatsoberhaupt über dem Gesetz stehen darf."
Organisiert wurde die Pressekonferenz mit den Anklägerinnen Epsteins von dem demokratischen Abgeordneten Ro Khanna und dem republikanischen Abgeordneten Thomas Massie, die für Kalifornien respektive Kentucky im Repräsentantenhaus sitzen. Sie wollen eine Abstimmung im Repräsentantenhaus über den sogenannten Epstein Files Transparency Act erzwingen, einen Gesetzesentwurf, der die vollständige Freigabe der Dokumente des Justizministeriums im Zusammenhang mit Epstein fordert. Am Dienstag hatte das House Oversight Committee, der wichtigste Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses, mehr als 33.000 Seiten zu Epstein und Maxwell veröffentlicht. Doch dabei handelt es sich nur um einen Teil der Akten, die Kritikern zufolge größtenteils bereits öffentlich waren und stark redigiert wurden.
Im Gespräch mit der DW äußerte Teresa Helm die Hoffnung, dass die Veröffentlichung der Akten zu einer weiteren Aufarbeitung der Vorfälle führen und Schuld und Verantwortung offenlegen würde.
"Wenn es weitere Untersuchungen gibt und weitere Personen angeklagt werden, die wegen Straftaten belangt werden sollten, dann wird das für alle Überlebenden enorme Bedeutung haben", ist sich Helm sicher. 2002 wurde sie als 22-Jährige von Maxwell manipuliert und von Epstein missbraucht, erzählt sie. "Ich wurde systematisch angeworben, wie eine Ware überall im Land gehandelt, manipuliert, auf den Missbrauch vorbereitet und angegriffen", sagt sie.
Heute arbeitet sie als Koordinatorin für die Unterstützung von Opfern beim National Center on Sexual Exploitation, einer konservativen US-amerikanischen Organisation, die sich gegen alle Arten der sexuellen Ausbeutung engagiert.
"Die Folgen eines Traumas bleiben ein Leben lang. Für mich sind es schon mehr als zwei Jahrzehnte und ich arbeite mit Opfern, das ist Teil meiner Heilung", erzählt sie der DW. "Nichts davon wird das ungeschehen machen, was mir widerfahren ist; das wird mich bis an mein Lebensende begleiten. Aber ich hoffe mehr als alles andere, dass ich viele andere davor bewahren kann, das zu erleben, was ich erlebt habe."
Die Veröffentlichung der Epstein-Akten würde dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen, ist Helm überzeugt. Doch der Weg dahin ist mühsam und wird durch den Widerstand höchster Regierungsebenen nur erschwert.
Trump bezeichnet die Akten als "Schwindel"
Im Oval Office auf die Epstein-Akten angesprochen, sprach US-Präsident Donald Trump wieder einmal von einem Schwindel. Er ist frustriert über die Forderung nach Veröffentlichung der Akten und sieht sie als Versuch, von seinen vermeintlichen Erfolgen abzulenken.
"Ich finde, wir sollten darüber sprechen, wie großartig unser Land ist und wie viel Erfolg wir haben. Dies sind vermutlich die erfolgreichsten ersten acht Monate, die ein Präsident je hatte, und darüber möchte ich sprechen. Darüber sollten wir sprechen und nicht diesen Epstein-Schwindel", insistierte Trump.
Die Epstein-Affäre verfolgt das Weiße Haus unter Trump so hartnäckig, wie es nur wenige andere Themen getan haben. Während des Wahlkampfes gelobte Trump, eine angebliche Kundenliste Epsteins zu veröffentlichen. Doch dieses Versprechen fiel ihm auf die Füße, als Justizministerin Pam Bondi ihre Meinung darüber, ob eine solche Liste überhaupt existiere, änderte. Das löste eine Gegenreaktion unter Trumps eigenen Anhängern aus und bot den Demokraten eine Gelegenheit zum Angriff.
Diese Politisierung der Debatte findet Helm wenig hilfreich; sie ist überzeugt, dass es die Aufgabe des gesamten Landes sei, Verantwortung zu übernehmen. "Hier geht es nicht darum, einen politischen Krieg zu führen. Es ist eine Schande, dass die Sache auf die politische Bühne gezerrt und als Spielball benutzt wird. So viele Regierungen sind gekommen und gegangen und nichts wurde getan", kritisiert Helm. "Es geht nicht um Links gegen Rechts, Blau gegen Rot. Es geht um ganz Amerika. Wir müssen zusammenfinden."
Die Opfer und ihre Unterstützer und Unterstützerinnen sehen ihre Forderung nach Veröffentlichung der Akten als Test: Wer darf in den USA wem was antun ohne Konsequenzen? Die Antwort darauf sollte lauten: Niemand.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.