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Migration: Ist Italiens Deal mit Albanien gescheitert?

23. Februar 2025

Ein Jahr nach dem Abschluss eines Migrationsabkommens zwischen Italien und Albanien stehen die neu errichteten Aufnahmezentren für Asylsuchende in dem Land auf dem Balkan leer. Was ist aus dem Projekt geworden?

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Italienische und europäische Flagge, einige Angehörige des UNHCR und Migranten
Im Oktober 2024 kamen die ersten Asylsuchenden in dem Aufnahmelager in Shengjin in Albanien anBild: Armando Babani/ZUMAPRESS.com/picture alliance

In dem kleinen Örtchen Gjader und in der Hafenstadt Shengjin im Nordwesten Albaniens ist wieder Ruhe eingekehrt. Ziemlich genau ein Jahr nachdem das albanische Parlament einem umstrittenen Abkommen mit Italien über Aufnahmezentren für Asylsuchende zustimmte, sind die Zentren, die in Gjader und Shengjin errichtet wurden, größtenteils leer.

Das Abkommen, das im November 2023 von Italien und Albanien unterzeichnet und am 22. Februar 2024 vom albanischen Parlament ratifiziert worden war, sah die Errichtung von Aufnahmezentren für Migranten durch Italien vor. Bis zu 36.000 irreguläre Migranten jährlich sollten hier für die Dauer ihrer Asylverfahren untergebracht werden.

Rückschlag für die italienische Regierung

Seitdem wurden knapp über 70 Migranten aus überwiegend afrikanischen und südasiatischen Herkunftsländern in drei verschiedenen Gruppen nach Albanien überstellt.

Ein Dorf in Albanien empfängt erste Flüchtlinge für Italien

Das erste Schiff mit 16 Migranten an Bord legte am 16. Oktober in Albanien an. Nachdem ein Gericht in Rom die Überstellung jedoch als rechtswidrig eingestuft hatte und feststellte, die Flüchtlinge könnten nicht in ihre Heimatländer ausgewiesen werden, weil dies möglicherweise gegen internationales Recht verstoße, wurden alle 16 wieder nach Italien gebracht.

Zwei weitere Migrantentransporte folgten: Am 8. November wurden acht Flüchtlinge nach Italien geschickt, am 28. Januar 49. In beiden Fällen befand das Berufungsgericht in Rom, zunächst müsse der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entscheiden, ob die Herkunftsländer der Asylbewerber als sicher für eine Rückführung gelten. Erst dann dürften Migranten in Albanien festgehalten werden. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wird für den 25. Februar erwartet.

Beobachter haben Albanien verlassen

Sowohl italienische Beamte als auch Fachleute regierungsunabhängiger Organisationen, die die Lage beobachteten, haben derweil Albanien "bis auf Weiteres" verlassen.

Francesco Ferri ist Migrationsexperte der Organisation ActionAid und gehörte einer Delegation an, die die Bedingungen in den albanischen Aufnahmezentren seit ihrer Einrichtung beobachtet haben.

Francesco Ferri
Migrationsexperte Francesco Ferri gehörte einer der Beobachtungsmissionen in den Aufnahmelagern anBild: Privat

"Die Delegation von Tavolo Asilo e Immigrazione [einem nationalen Bündnis regierungsunabhängiger und zivilrechtlicher Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Rechte von Migranten in Italien zu schützen] hat Beobachtungsmissionen in Albanien durchgeführt, um die Einrichtungen und den Kontext, in dem sie geführt werden, zu überprüfen", berichtete er der DW.

"Gegenwärtig befinden wir uns nicht mehr in Albanien, aber wir beobachten die Situation aus der Ferne weiterhin genau und sind bereit, für weitere Beobachtungsaktivitäten zurückzukehren."

"Verängstigt, verwirrt und desorientiert"

Alle der 73 nach Albanien überstellten Migranten hatten versucht, von Libyen aus per Boot Italien oder Malta zu erreichen und hatten, so Ferri, "große Angst, wieder in ihre Herkunftsländer zurückgesendet zu werden."

"Wir trafen auf verängstigte, verwirrte und desorientierte Menschen", sagte Ferri. "Sie hatten keine Ahnung von den Verfahren, waren nicht ausreichend vorbereitet, um Asyl zu beantragen und waren isoliert. Ihre Lage zeigt eindeutig, dass das Modell Albanien zu einer systematischen Verletzung von Rechten führt."

Laut der Informationsplattform InfoMigrantsüberlegt die italienische Regierung nun, die Zentren umzuwidmen. Eine möglicherweise diskutierte Option ist die Umwandlung der Zentren in "Rückführungseinrichtungen". Es erscheint jedoch wahrscheinlich, dass auch dieser Plan auf Widerstand stoßen wird.

Ferri spricht sich entschieden gegen eine solche alternative Verwendung aus. "Das ist rundheraus abzulehnen", sagte er. "Die Folge wären weitere Menschenrechtsverletzungen. Das Risiko, diese Strukturen zu stabilisieren und zu erweitern, besteht weiterhin, insbesondere wenn das Modell der Auslagerung anderswo kopiert wird. Die Ergebnisanalyse bisher zeigt, dass es keine Alternative zur endgültigen Schließung dieser Zentren gibt."

"Krachendes Scheitern"

Trotz der Bemühungen der Regierungen beider Länder, das Modell zum Erfolg zu führen, stellten sich viele Experten sowie die Oppositionsparteien in Italien von Beginn an gegen die Pläne. In ihren Augen verletzt das Projekt die Menschenrechte und ist mit seinen Gesamtkosten von geschätzt einer Milliarde Euro reine Geldverschwendung.

Elly Schlein, die Vorsitzende der Mitte-Links-Partei Partito Democratico, bezeichnete das Abkommen als "krachend gescheitert" und forderte die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf, ihr Amt niederzulegen. Das Modell Albanien für Migrantenzentren würde niemals funktionieren, betonte sie.

Drohnenaufnahme des Lagers Shengjin
Die von Italien in Albanien errichteten Aufnahmelager standen die meiste Zeit leerBild: Florion Goga/REUTERS

Ferri ist ganz ihrer Meinung: "Es wurden nur sehr wenige Menschen überstellt und alle von ihnen wurden wieder nach Italien zurückgeschickt", sagt er. "Die Zentren standen den Großteil des Jahres über leer. Während der Zeiten, in denen sie in Betrieb waren, hielten sich dort nur sehr wenige Personen auf. Organisatorische Schwierigkeiten, juristische Auseinandersetzungen und der politische Kontext haben die Umsetzung des Abkommens verhindert."

Meloni hält am Abkommen fest

Eine Anfrage der DW an die italienische Regierung, wie sie den Erfolg des Abkommens einschätze und ob sie beabsichtige, die Zentren umzunutzen, blieb bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet. Während einer Rede vor leitenden Polizeibeamten bestätigte Ministerpräsidentin Meloni jedoch vor wenigen Tagen, dass ihre Regierung weiterhin vorhabe, das Abkommen zwischen Italien und Albanien umzusetzen.

"Wir sind entschlossen, für jedes Problem eine Lösung zu finden", sagte Meloni und fügte hinzu: "Die Bürger Italiens fordern von ihrer Regierung, die illegale Migration zu stoppen, denn sie führt zu Unsicherheit."

Giorgia Meloni
Giorgia Meloni hält an italienischen Aufnahmelagern in Albanien festBild: Geert Vanden Wijngaert/AP Photo/picture alliance

Auch in Albanien sorgte das Abkommen von Beginn an für Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und der Opposition. Sollte Letztere die Wahlen am 11. Mai gewinnen, verspricht die Demokratische Partei Albaniens, würde der Vertrag mit Italien nicht verlängert.

Testfall für Europa

Anfang der Woche traf sich der EU-Kommissar für Inneres und Migration, Magnus Brunner, mit Giorgia Meloni, um über eine "mögliche frühzeitige Annahme des neuen Konzepts sicherer Herkunftsstaaten" zu diskutieren. Bevor er nach Italien reiste, erklärte Brunner gegenüber italienischen Medien, das Gesetzespaket über die Rückführung von Migranten, das die Europäische Kommission prüfe, sei "sehr ambitioniert" und solle "klare Verpflichtungen zu Rückführungen", "strenge Regeln für jene, die eine Bedrohung der Sicherheit darstellen" und "besser koordinierte" Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene enthalten.

Francesco Ferri macht sich weiterhin Sorgen: "Die Gefahr bleibt bestehen, dass europäische Regierungen nach Wegen suchen, das Flüchtlingsproblem auszulagern und dadurch den Schutz von Asylsuchenden reduzieren und die Verantwortung für den internationalen Schutz von der EU weg nach außen verlagern."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Portrait einer Frau mit braunen, langen Haaren
Elona Elezi DW Albanisch-Korrespondentin