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GesellschaftIran

Internet im Iran: Zensiert und doch ein Ort der Hoffnung

18. Juni 2025

Die Behörden im Iran drosseln das Internet als "westliches Spionageinstrument". Es ist aber wichtig für die Menschen, um in der gegenwärtigen Gefahrenlage in Kontakt zu bleiben und sich gegenseitig zu unterstützen.

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Mitten in Teheran brennt das Gebäude des Staatlichen Rundfunk, das in der 60-er Jahren nach Plänen des iranischen Stararchitekten Abdol-Aziz Farmanfarmaian erbaut wurde Bild: Getty Images

In vielen Teilen Irans ist das Internet stark gedrosselt oder komplett ausgefallen. Seit Dienstag, dem 17. Juni, ist die Kommunikation von außen mit Menschen im Iran deutlich erschwert. Direktanrufe über Handy oder Festnetz funktionieren ebenfalls nicht immer.

Die israelische Armee hat am Freitag, dem 13. Juni, einen großangelegten Angriff auf den Iran gestartet, um das iranische Atomprogramm auszuschalten. Der Iran reagierte mit Raketenangriffen, die mehrere israelische Städte trafen.

Im Netz finden sich zahlreiche selbstgedrehte Videos von bombardierten Orten im Iran, die aus dem Land heraus veröffentlicht wurden. Iranische User, die ihre Lage als Kriegszustand beschreiben, ignorieren die Sicherheitshinweise der Behörden, die nicht in der Lage sind, die Bevölkerung zu schützen. Das Land verfügt weder über Schutzräume noch über ein Frühwarnsystem. Viele Einwohner haben die Hauptstadt Teheran verlassen.

"Ich bin noch in der Stadt", schreibt Pouria Nouri, Dokumentarfilmer und Theaterfotograf, am Mittwoch Morgen an die DW. Die Internetverbindung sei schwach und funktioniert nicht immer. "Wir leben in einem Zustand, der einem totalen Krieg ähnelt. Es sind immer noch viele ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen in der Stadt“, schreibt Pouria und fügt hinzu: "In den ärmeren Vierteln im Süden sind weiterhin viele unterwegs, die zur Arbeit gehen. Der Klang von Explosionen hallt Tag und Nacht durch die Stadt. "Militärbasen und strategische Infrastrukturen werden bombardiert, und die Zahl der zivilen Opfer steigt weiter".

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Es ist schwierig Menschen im Iran zurreichen. "Das Internet wird vom Sicherheitsapparat gedrosselt, der es als Feind definiert und kontrollieren will", sagt der Cybersecurity- und Digitalrechtsexperte Amir Rashidi im Gespräch mit der DW.

"Das Internet wird im Iran oft als westliches Spionageinstrument dargestellt", sagt Rashidi und fügt hinzu: "Doch gerade jetzt brauchen die Menschen im Land das Internet dringend, vor allem als Kommunikationsmittel, um miteinander in Kontakt zu bleiben und zu erfahren, wie es anderen geht. Sie müssen informiert werden, worauf sie unter den aktuellen Umständen achten sollten. Doch die Behörden handeln genau entgegengesetzt und schränken den Zugang weiter ein."

Zivilgesellschaftliche Solidarität

Rashidi, der sich seit Jahren für digitale Rechte und den Schutz der Zivilgesellschaft im digitalen Raum einsetzt, weist auf die Bedeutung des Internets und seine Mِöglichkeiten für die Bevِölkerung im Iran hin: "Wir sehen, wie einige Start-ups im Iran begonnen haben, ihre Dienste kostenlos anzubieten, etwa bei der Wohnungssuche außerhalb der Hauptstadt Teheran oder beim Teilen von Informationen zu VPN-Zugängen, damit andere überhaupt noch Nachrichten lesen kِönnen."

Einige wenige Internetnutzer, die wie der Fotograf und Reisebuchautor Peyman Yazdani noch auf Plattform X aktiv sind, versuchen zu helfen: "Wenn Sie im Ausland leben und Ihre Eltern in Teheran wohnen, und diese Dinge des täglichen Bedarfs brauchen oder besucht werden müssen, senden Sie uns eine direkte Nachricht. Wir kِönnen Einkäufe übernehmen oder Besuche erledigen."

Andere organisieren Mitfahrgelegenheiten für diejenigen, die die Hauptstadt verlassen wollen.

Auf Instagram veröffentlichen einige Ärzte ihre Telefonnummern für medizinische Beratung, verschreibungspflichtige Rezepte oder geben Hinweise auf Apotheken, die bestimmte Medikamente in Teheran vorrätig haben.

Feuerwehrleute posten Fotos von sich auf der Wache als Zeichen der Präsenz und um der Bevölkerung Zuversicht zu vermitteln: "Wir bleiben hier".

Es gibt bislang keine Aufnahmen von Plünderungen oder chaotischen Szenen auf den Straßen.

Gleichzeitig kursieren Falschinformationen im Netz. Es wird behauptet, Apps wie WhatsApp oder Instagram würden von Israel kontrolliert. "Oder es werden scheinbar harmlose Apps zum Download empfohlen, mit denen man angeblich Starlink nutzen kِönne", sagt Rashidi und fügt hinzu: „Wer Starlink nutzen mِöchte, braucht eine Satellitenschüssel, um sich mit dem Netz zu verbinden. Die Apps, die derzeit verbreitet werden, können jedoch gefährliche Werkzeuge sein, etwa um Nutzer auszuspionieren."

Eine beispiellose Herausforderung für das Regime

"Die derzeitige Situation im digitalen Raum des Iran ist nicht vergleichbar mit früheren Krisensituationen für die Sicherheitsbehörden, etwa den wiederkehrenden landesweiten Protesten", erklärt der Wissenschaftler Hossein Kermani im Gespräch mit der DW.

Kermani forscht zur politischen Kommunikation in digitalen Räumen und zu computergestützter Propaganda in autoritären Kontexten. In seinem 2025 erschienenen Buch 'Twitter Activism in Iran' analysiert er Formen des Twitter-Aktivismus in autoritären Staaten wie dem Iran.

"Im Gegensatz zu Ereignissen wie den Protesten, die sich im Inneren des Landes formierten, erleben wir jetzt eine transnationale Krise, einen Kampf gegen einen äußeren Feind. Für den Sicherheitsapparat ist das eine völlig andere Ausgangslage. Es geht nicht mehr um die Kontrolle der eigenen Bevölkerung, sondern um eine Konfrontation mit einem externen Gegner. Während das Regime bei der Unterdrückung von Protest- und Demokratiebewegungen auf jahrelange Erfahrung zurückgreifen konnte, fehlt ihm nun diese Erfahrung im Umgang mit einem externen Konflikt. Der Sicherheitsapparat wirkt überfordert und scheint noch unter Schock zu stehen."

Im Netz kursieren viele unüberprüfbare Informationen; etwa, dass religiöse und politische Führer der Islamischen Republik oder andere Funktionäre das Land verlassen hätten. Gleichzeitig verbreiten sich Propagandavideos von regimetreuen Anhängern, die versuchen, die massiven Angriffe der israelischen Armee herunterzuspielen. Eine zentrale Rolle spielt dabei Ali Akbar Raefipour, ein bekannter religiöser Prediger, der für seine Verschwörungstheorien und strengen moralischen Forderungen bekannt ist.

"Die Adressaten solcher Videos sind Anhänger des politischen Systems, die offenbar in ihrer moralischen Haltung gestärkt werden sollen. Was das Regime jetzt verbreitet, sind gezielte Desinformationen über seine angebliche Stärke, mit dem Ziel, die Gesellschaft psychologisch zu manipulieren – damit die eigenen Anhänger dem Regime nicht den Rücken kehren", sagt Kermani.

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