Indonesien: Mehr Macht fürs Militär im Zivilsektor
27. März 2025In Indonesien haben die Gesetzgeber letzte Woche die Novelle eines Militärgesetzes aus dem Jahr 2004 verabschiedet, die darauf abzielt, die Kompetenzen der Streitkräfte über Verteidigungsaufgaben hinaus auf zivile Angelegenheiten auszuweiten.
Die Neufassung erlaubt Militärangehörigen im aktiven Dienst, zivile Positionen in 14 Regierungsinstitutionen bekleiden, ohne dabei den Militärdienst verlassen zu müssen. Zuvor war das nur in zehn Behörden möglich.
Das neue Gesetz, das von der Regierungskoalition um den indonesischen Präsidenten Prabowo Subianto überarbeitet worden war, weckt nun Befürchtungen, dass das Land in Verhältnisse wie in der Ära des verstorbenen Diktators Suharto zurückkehren könnte.
Unter Suhartos Führung töteten indonesische Truppen zwischen 1965 und 1966 über eine Million Menschen. Sein Regime der sogenannten "Neuen Ordnung" ist auch für den Völkermord in Osttimor verantwortlich.
Heute gilt Indonesien mit über 277 Millionen Einwohnern als die größte Demokratie Südostasiens. Das Land erlangte 1945 seine Unabhängigkeit von der niederländischen Kolonieherrschaft. 1998 gab es eine Regierungsreform, die Suharto zum Rücktritt zwang und die Rolle des Militärs einschränkte.
Zweifeln an Transparenz
Nach der Verabschiedung des Gesetzes versammelten sich große Menschenmengen in Großstädten wie Jakarta und Surabaya, um ihre Unzufriedenheit und wachsende Sorgen über die Doppelfunktion des Militärs zum Ausdruck zu bringen, insbesondere über seine zunehmende Rolle in zivilen Angelegenheiten.
Aktivisten beklagen, dass es vor der Verabschiedung des überarbeiteten Gesetzes an Transparenz gemangelt hatte. Dimas Bagus Arya, Koordinator der Kommission für vermisste Personen und Opfer von Gewalt (Kontras), einer in Jakarta ansässigen NGO, kritisierte die Geschwindigkeit, mit der das Gesetz überarbeitet wurde. "Die Diskussion wurde sehr schnell und überstürzt geführt. Es gab sogar einen Beteiligungsprozess, der am Freitag, Samstag und Sonntag an einem privaten Ort vonstattenging, obwohl dieser für die Öffentlichkeit vorgesehen war", sagt Arya im Gespräch mit der DW. "Wie es sich darstellt, ist die Ratifizierung des Gesetzes verfahrenstechnisch fehlerhaft, weil die Beteiligung der Öffentlichkeit nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und dem Verfahren für Gesetzgebung im Repräsentantenhaus nicht entspricht."
Der indonesische Verteidigungsminister Sjafrie Sjamsoeddin, ein ehemaliger Drei-Sterne-Armeegeneral, wies die Vorwürfe zurück. Die Diskussionen vor der Verabschiedung der Novelle seien transparent gewesen. Die Streitkräfte würden nicht an der "Neuen Ordnung" von einst festhalten, sagte er lokalen Medien. Man folge einem "Befehl, der darauf abzielt, die Entwicklung der Militärstärke aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Demokratie und die zivile Ordnung zu respektieren."
Besorgnis über Doppelfunktion des Militärs
Während der Ära Suharto hatte das Militär eine Doppelfunktion. Es sorgte für die Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit als Streitkräfte und regierte das Land mit offiziellen Amtsträgern wie Minister und Gouverneure in der Verwaltung. Das indonesische Militär hatte damals sogar eigens für sich ausgewiesene Sitze im Parlament.
Das revidierte Gesetz sieht nun vor, dass aktive Militäroffiziere in der Verwaltung tätig sein dürfen, die die Koordinierung der nationalen Politik und Sicherheit, die Landesverteidigung, das Staatssekretariat für die Angelegenheiten des Präsidialsekretariats und das Militärsekretariat des Präsidenten überwachen.Zu den Positionen außerhalb des Verteidigungsbereich gehören Funktionen im staatlichen Geheimdienst, in der Cybersicherheit, im Katastrophenmanagement, in der Terrorismusbekämpfung, in der Generalstaatsanwaltschaft und im Obersten Gerichtshof.
Es sei "diese doppelte Funktion, über die sich die Menschen Sorgen machen," sagt Al Araf von der Menschenrechtsorganisation Imparsial in Jakarta im Gespräch mit der DW.
Mit Blick auf seine Verbindungen zu Suhartos autoritärem Regime unternahm der amtierende Präsident Subianto beim Präsidentschaftswahlkampf im vergangenen Jahr Anstrengungen, sein Image aufzupolieren. Subianto hatte selbst Jahrzehnte lang in der Armee gedient. Zuletzt wurde er 2024 Vier-Sterne-General.
"Das überarbeitete Gesetz bietet nun einen rechtlichen Schutzschirm für eine Politik, die nicht wirklich pro-demokratisch ist. Das bedeutet, dass das Militär nicht nur als Verteidigungsinstrument, sondern auch als Akteur im zivilen Sektor und zur Unterstützung der politischen Arbeit des Landes eingesetzt wird", kritisiert Arya von Kontras.
Verteidigungsbereitschaft geschwächt
Arya befürchtet ferner, dass das neue Gesetz die Professionalität bei der Verteidigung des Landes beeinträchtigen könnte. "Die Aufgabe der Soldaten besteht darin, die Souveränität des Landes zu verteidigen. Mit zusätzlichen Aufgaben neben seinen Hauptverpflichtungen ist es doch klar, dass unser Militär sehr unprofessionell ist, wenn man die Professionalität daran misst, inwiefern die Armee noch in der Lage ist, ihre Verteidigungsaufgaben zu erfüllen."
In einer Rede nach der Verabschiedung des Gesetzes sagte Verteidigungsminister Sjamsoeddin, dass diese Änderungen notwendig seien. Die geopolitischen Veränderungen und globale Technologien würden eine Transformation des Militärs erforderten, "um konventionellen und nicht-konventionellen Konflikten zu begegnen".
"Wir werden das indonesische Volk niemals enttäuschen, wenn es darum geht, die Souveränität des Einheitsstaates, die Republik Indonesien, zu wahren", versprach er.
Tezar Aditya Rahman in Jakarta hat zu diesem Artikel beigetragen.
Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand