Inder aus USA abgeschoben: "Alles riskiert und gescheitert"
10. Februar 2025Harwinder Singh hatte während des 40-stündigen Rückflugs von Texas in die Stadt Amritsar im indischen Bundesstaat Punjab viel Zeit zum Nachdenken. Die Reise in einem US-Militärtransportflugzeug markierte das letzte Kapitel einer Tortur, die für ihn im Juni 2024 begann. Damals zahlte Singh einem Agenten über vier Millionen Rupien (umgerechnet rund 44.500 Euro) für die Überfahrt in die USA.
Der Agent hatte dem 41-Jährigen aus dem Punjab versichert, er könne das Land innerhalb von zwei Wochen auf legalem Weg erreichen. "Doch stattdessen führte mich die Reise durch Katar, Brasilien, Peru, Kolumbien, Panama, Nicaragua und Mexiko - oft unter prekären Bedingungen, stets in der Hoffnung, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu erreichen", sagt Singh im Gespräch mit DW.
Sein Agent hatte ihn über die sogenannte "Eselsroute" geschleust - einen in Indien bekannten Begriff für illegale und riskante Migrationswege. Diese Routen werden von Menschen genutzt, die ohne gültige Dokumente in die USA oder andere westliche Länder gelangen wollen. Die gefährliche Reise erstreckt sich meist über mehrere Zwischenstopps in verschiedenen Staaten.
Singh berichtet, dass er und andere Migranten während ihrer Reise nur von kargen Lebensmitteln lebten und dabei oft gezwungen waren, unwegsames Gelände zu durchqueren - bei extremen Wetterbedingungen.
Er wurde zum Bespiel mit einer Gruppe Migranten in einem kleinen Boot aufs offene Meer Richtung Mexiko gebracht. Während der Überfahrt fiel eine Person ohne Schwimmweste ins Wasser - sie konnte nicht gerettet werden. "Einen anderen sah ich im Dschungel von Panama sterben", erzählt Singh.
"Gescheitert und alles verloren"
Ende Januar, kurz vor der geplanten Einreise in die USA, wurde Singh in Mexiko aufgegriffen und an die US-Grenzpatrouille übergeben. Er verbrachte mehrere Wochen in einem Internierungslager, bevor er schließlich in Handschellen und Fußfesseln in ein US-Militärflugzeug gesetzt wurde.
Zusammen mit über 100 weiteren abgeschobenen Migranten aus den Bundesstaaten Punjab, Gujarat, Haryana, Uttar Pradesh und Maharashtra wurde er zurück nach Indien geflogen.
Unter den abgeschobenen Passagieren befanden sich auch 19 Frauen und 13 Minderjährige - darunter ein vierjähriger Junge sowie zwei Mädchen im Alter von fünf und sieben Jahren.
"Ich bin am Boden zerstört, nachdem ich alles riskiert habe - mein Geld, meine Sicherheit und sogar meine Würde – in der Hoffnung, meiner Familie vom Ausland aus eine bessere Zukunft zu ermöglichen", erzählt Singh, Vater von zwei Kindern.
Wie viele Inder ohne Papiere leben in den USA?
Das in Washington ansässige Pew Research Center schätzte anhand der neuesten Daten aus dem Jahr 2022, dass sich etwa 725.000 illegale Einwanderer aus Indien in den USA aufhalten – damit stellt Indien die drittgrößte Gruppe nach Mexiko und El Salvador.
Das Migration Policy Institute hingegen kam für dasselbe Jahr auf eine deutlich niedrigere Zahl: 375.000 illegale indische Migranten, womit sie die fünftgrößte Gruppe ausmachten.
Unabhängig von den Zahlen verhandeln Indien und die USA bereits seit Langem über Abschiebungen. Laut einem exklusiven Bericht von Bloomberg aus dem Jahr 2024 hatten die US-Behörden fast 18.000 indische Migranten ohne Papiere identifiziert, die abgeschoben werden sollten.
Herausforderungen nach der Rückkehr
Viele Rückkehrer sind nun mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Einige von ihnen haben ihre gesamten Ersparnisse investiert, um in die USA zu gelangen, andere sind nun hoch verschuldet.
"Es wird schwer werden, und ich kann nicht an die Zukunft denken. Die einzige Erleichterung ist, dass mein Mann zurück ist – aber die Schulden sind erdrückend", sagt Kuljinder Kaur, die Frau von Harwinder Singh. "Vorerst wollen wir in Ruhe gelassen werden. Lasst uns gemeinsam gesund werden."
Migranten im Stich gelassen
Auch Akashdeep Singh, der sich auf dem Abschiebeflug befand, erzählte DW, dass er nicht nur seine Finanzen, sondern auch das emotionale Wohlbefinden seiner Familie für eine Chance auf ein Leben in den USA aufs Spiel gesetzt habe.
Der 23-Jährige aus einem Dorf nahe Amritsar verkaufte große Teile seines Landes und nahm Kredite in Höhe von 6 Millionen Rupien (umgerechnet 66.000 Euro) auf, um seine Reise zu finanzieren.
Etwa acht Monate vor seiner Abschiebung zog er nach Dubai, in der Hoffnung, dort als Lkw-Fahrer arbeiten zu können. Doch mit dem Job klappte es nicht und so entschied er sich, mithilfe eines Schleusernetzwerks in die USA zu gelangen.
"Ich wurde im Januar verhaftet. Es war schrecklich, und ich möchte nicht ins Detail gehen - aber die Schande, die ich mit mir herumtrage, werde ich nie vergessen können", so Singh. Weitere Einzelheiten will er nicht nennen: "Fragen Sie mich nicht, was mich zu einer so riskanten Entscheidung motiviert hat."
Trump verschärft Kurs gegen Migration
Die jüngsten Abschiebungen aus den USA nach Indien sind Teil eines umfassenden Vorgehens gegen illegale Migration unter US-Präsident Donald Trump, der die Durchsetzung strikter Einwanderungsgesetze zu einer politischen Priorität gemacht hat.
Besonders brisant ist der erstmalige Einsatz von US-Militärflugzeugen anstelle kommerzieller Flüge für die Abschiebung der 104 indischen Staatsbürger – eine Entscheidung mit klarer symbolischer und politischer Botschaft.
Der Flug erfolgte zudem kurz vor dem mit großer Spannung erwarteten Besuch des indischen Premierministers Narendra Modi in Washington in der kommenden Woche. Der Zeitpunkt und die Behandlung der Abgeschobenen durch die US-Behörden haben in Indien scharfe Kritik ausgelöst – insbesondere von Oppositionsparteien, die das Vorgehen der USA hinterfragen.
Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar erklärte in einer offiziellen Stellungnahme vor beiden Kammern des Parlaments, dass der Einsatz von Fesseln während der Abschiebeflüge den US-Standardverfahren entspreche. Gleichzeitig betonte er, dass Neu-Delhi mit Washington in Kontakt stehe, um sicherzustellen, dass die Abgeschobenen nicht misshandelt würden.
"Das seit 2012 geltende Standardverfahren für Abschiebungen mit Flugzeugen der ICE [US Immigration and Customs Enforcement] sieht den Einsatz von Fesseln vor", erklärte Jaishankar auf die Frage nach den Bedingungen der Abschiebung.
Am Flughafen Amritsar wartet Swaran Singh (55), der Vater von Akashdeep Singh, auf die Rückkehr seines Sohnes. Trotz der enormen finanziellen Belastung betonte er, dass dessen sichere Heimkehr für ihn das Wichtigste sei.
"Der Agent versprach mir, dass die Reise sicher sein würde. Ich vertraute ihm - aber jetzt ist alles verloren. Wenigstens habe ich meinen Sohn zurück, und das zählt. Doch unsere Zukunft ist unsicher und beunruhigend, denn wir müssen enorme Schulden abbezahlen", sagt er. "Die harte Realität ist, dass wir -- wie viele Familien in Punjab und anderswo im Land - vor dem finanziellen Ruin stehen. Hinzu kommt die soziale Stigmatisierung, die besonders schwer wiegt, wenn unsere Angehörigen auf diese Weise zurückkehren."
Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein