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ErnährungssicherheitNigeria

In Nigeria droht Hunger wegen Terrorismus

Cai Nebe
10. August 2025

Im ländlichen Norden Nigerias sind viele Menschen auf der Flucht vor dschihadistischer Gewalt - und sie lassen dabei auch ihre Felder brach liegen. Nun warnen Hilfsorganisationen, dass die Ernährungssicherheit leidet.

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Sha'afa Usman mit etwas Reis in einer Schüssel
Die zunehmende Sicherheits- und Ernährungskrise in Nordnigeria könnte das ganze Land in Not bringen, warnen ExpertenBild: Abiodun Jamiu/DW

Der Norden Nigerias ist traditionell das landwirtschaftliche Herzland des Landes; dort wachsen Mais, Hirse und Sorghum. Doch genau dort leiden immer mehr Menschen Hunger: Die Landbevölkerung flieht vor Dschihadisten und lässt dabei auch ihre Felder zurück. Die Vereinten Nationen (UN) warnen bereits vor einer "beispiellosen" drohenden Hungerkrise. Analysten schätzen, dass bereits mindestens fünf Millionen Kinder an akuter Unterernährung leiden.

Allein im Nordosten Nigerias, zu dem auch der Bundesstaat Borno gehört, sind schätzungsweise über eine Million Menschen von Hunger bedroht. Laut Margot van der Velden, Regionaldirektorin für Westafrika beim Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP), leiden fast 31 Millionen Nigerianer unter akuter Ernährungsunsicherheit und sind auf lebensrettende Nahrungsmittelhilfen angewiesen - in einer Zeit, in der die Mittel für West- und Zentralafrika immer knapper werden.

Schwindende Hilfsgelder

Viele Hilfsprogramme in Westafrika stehen nach der Auflösung der US-Entwicklungsagentur USAID durch die Trump-Regierung vor dem Aus. Das WFP hatte gewarnt, sein Nahrungsmittelhilfsprogramm müsse aufgrund "kritischer Finanzierungslücken" bis zum 31. Juli eingestellt werden, seine Nahrungsmittelvorräte seien "vollständig aufgebraucht". Bis Ende Juli waren nur 21 Prozent der vom WFP für 2025 beantragten Mittel in Höhe von über 130 Millionen US-Dollar (113 Millionen Euro) für Programme in Nigeria bereitgestellt worden.

"Es ist dringend erforderlich, dass die Regierung prüft, welche Sofortmaßnahmen sie ergreifen kann, um Hilfe zu leisten, damit es nicht zu einem Ausbruch von Konflikten kommt, die den bisherigen Fortschritten zuwiderlaufen würden", erklärt Dauda Muhammad, humanitärer Koordinator im Nordosten Nigerias, im Gespräch mit der DW. So könnten Nahrungsengpässe letztlich die jahrelangen Bemühungen gegen den Einfluss bewaffneter Gruppen wie Boko Haram zunichte machen.

Samuel Malik, leitender Forscher beim panafrikanischen Think-Tank Good Governance Africa, erklärte der DW jedoch, dass die Ursache des Problems woanders liege. "Die Hungerkrise, die derzeit den Norden Nigerias lähmt, ist im Wesentlichen eine Folge schlechter Regierungsführung und anhaltender Unsicherheit und nicht das Ergebnis von Hilfskürzungen." Hilfszahlungen würden die schlimmsten Auswirkungen des Hungers lindern, seien aber nie als langfristige Maßnahme konzipiert.

Nigeria Sokoto 2025 | Hungerkrise im Norden | Umaimah Abubakar im Vertriebenencamp
Umaimah Abubakar und ihre Familie leben in einem Flüchtlingslager, nachdem eine Terrorgruppe ihr Dorf in der Region Gwadabawa in Sokoto geplündert hatBild: Abiodun Jamiu/DW

In unsicheren ländlichen Regionen sehen viele Dorfbewohner sich gezwungen, in Flüchtlingslager zu fliehen. Die Lager beherbergen Zehntausende Binnenflüchtlinge, die aus ihren Häusern geflohen sind, um der Gewalt zu entkommen, die laut UNO in den letzten 16 Jahren bereits über 40.000 Menschen getötet und mehr als zwei Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben hat.

Im Flüchtlingslager Ramin Kura im nordwestnigerianischen Bundesstaat Sokoto erzählt die 40-jährige Umaimah Abubakar der DW, dass sie dorthin gezogen sei, nachdem Banditen ihren Mann getötet und alle Tiere ihrer Schwiegereltern gestohlen hätten. "Immer wenn wir hörten, dass sie sich näherten, rannten wir weg und versteckten uns", sagt sie. Auch Bürgerwehren hätten dem Schrecken nichts entgegensetzen können. "Alle leiden, weil es nichts zu essen gibt. Wir konnten dieses Jahr keine Felder bestellen. Manchmal, wenn wir es doch schaffen, etwas anzupflanzen, greifen die Banditen vor der Ernte an. Ein anderes Mal kommen sie, nachdem wir geerntet und unsere Ernte eingelagert haben, und verbrennen alles." Mit Gelegenheitsjobs versucht sie nun, ihre Kinder zu ernähren.

Angst und Schrecken an der Front

"Was die Krise noch verschärft, ist das Versagen des nigerianischen Staates, für Sicherheit zu sorgen und die ländliche Bevölkerung mit grundlegenden staatlichen Leistungen zu versorgen", erklärt der Analyst Samuel Malik gegenüber der DW. "Da es keine Sicherheit gibt, können oder wollen die Vertriebenen nicht auf ihre Felder zurückkehren und sind somit von ihrer Lebensgrundlage abgeschnitten. In diesem Zusammenhang ist Hunger nicht nur eine Begleiterscheinung des Krieges, sondern auch eine Folge der systematischen Vernachlässigung."

Nigeria: Terrorismus im Nordosten flammt wieder auf

Während Boko-Haram-Kämpfer den Nordosten bedrohen, plagen Banditentum und Zusammenstöße zwischen Bauern und Viehzüchtern den Nordwesten und den Norden des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas. Die ländliche Wirtschaft wirft weniger ab, da die Bauern ihrer Tätigkeit nicht nachgehen können und weiterhin nicht in der Lage sind, Nigeria oder die Gemeinden im benachbarten Niger zu ernähren. Zusätzlich zu den geringeren Nahrungsmitteln sind die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe geschossen, was die finanzielle Belastung weiter erhöht.

Appell an die Bauern, auf ihre Felder zurückzukehren

Hilfsorganisationen warnen weiterhin vor der Gefahr dschihadistischer Gewalt - die von der prekären Versorgungslage weiter befeuert wird. "Wir befinden uns in einer schwierigen Lage, vor allem wegen Hunger und Nahrungsmangel", sagte ein Flüchtling aus dem Bundesstaat Borno gegenüber der DW. "Einige von uns Flüchtlingen behaupten, dass es ihnen besser geht, wenn sie sich der Terrororganisation Boko Haram anschließen."

Der Gouverneur des Bundesstaates Borno, Babagana Umara Zulum, hat kürzlich erneut dazu aufgerufen, dass die Vertriebenen rechtzeitig vor Beginn der Regenzeit auf ihre Farmen zurückkehren, um Nahrungsmittel anzubauen.

Laut Malik wird auch in den von Dschihadisten kontrollierten Gebieten weiterhin Landwirtschaft betrieben, wobei die ländliche Bevölkerung Nigerias für den Zugang zu ihren Feldern zur Kasse gebeten wird. Wer nicht zahlen kann, muss mit gewaltsamen Konsequenzen rechnen. "Die landwirtschaftlichen Aktivitäten wurden unter Zwang umstrukturiert", sagt Malik und fügt hinzu, dass das Überleben oft davon abhängt, ausbeuterische Vereinbarungen mit bewaffneten Gruppen zu treffen.

Im Flüchtlingslager Ramin Kuna erzählt die Geflüchtete Sha'afa Usman, wie eines Tages Dschihadisten sie bei der Feldarbeit überrascht und unter anderem ihren Mann entführt hätten. Er sei immer noch in deren Gewalt, weil er die geforderte Lösegeldsumme nicht aufbringen könne, berichtet die 19-Jährige. Auf die Felder traue sich kaum noch jemand: "Die meisten Dorfbewohner gehen nicht mehr hin, weil sie sich das Lösegeld nicht leisten können."

Mitarbeit: Jamiu Abiodun und Nasiru Salisu Zango