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In Abchasien kaum noch georgische Bürger übriggeblieben

14. August 2002

– Fast alle Einwohner der Republik haben die russische Staatsbürgerschaft erworben – Georgien will protestieren

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Moskau, 13.8.2002, WREMJA.RU, russ., aus Sotschi, Igor Glanin

Am 14. August vor zehn Jahren begann der blutige georgisch-abchasische Konflikt. Im Vorfeld des zehnjährigen traurigen Jubiläums hat sich in dieser selbsternannten und von niemandem anerkannten Republik etwas sehr bedeutendes abgespielt: fast die ganze erwachsene Bevölkerung Abchasiens hat die russische Staatsbürgerschaft erworben.

In Abchasien leben derzeit nach Angaben der Regierung der Region 318 000 bis 320 000 Personen. Etwa 220 000 davon seien (Angaben des Kongresses russischer Gemeinden Abchasiens zufolge) bereits Bürger der Russischen Föderation. Eigentliche Russen gibt es in Abchasien zur Zeit etwa 50 000. Die russische Staatsbürgerschaft haben alle bekommen, die sie wollten – Abchasen, Armenier, Griechen... Es gibt kaum jemanden in Abchasien, der nicht "nebenbei" auch noch Russe werden wollte.

Um so mehr sind im Juni, als in der Republik diese beispiellose Aktion stattfand, in die abchasischen Städte und Dörfer eiligst Tausende von denen zurückgekehrt, die längst nach Russland ausgewandert waren und dort praktisch illegal lebten und arbeiteten. Der Prozess der allgemeinen "Russifizierung" Abchasiens wurde vom republikanischen Kongress der russischen Gemeinden initiiert und durchgeführt. Im Juni bekamen täglich bis zu 8000 Personen die russische Staatsbürgerschaft. Früher wurden so viele russische Pässe in einem halben Jahr ausgestellt. Klar ist, dass diese Aktion nicht ohne Genehmigung der russischen Führung stattfinden konnte. In einem Sanatorium von Sotschi gab es den ganzen Juni lang ein Stabsquartier, in dem Dutzende Mitarbeiter des russischen Innenministeriums und des Außenministeriums tätig waren, die zu diesem Ziel in den Kurort abkommandiert worden waren. Damals wusste natürlich kaum jemand darüber Bescheid, womit dieses Stabsquartier beschäftigt ist. Zwischen Suchumi und Sotschi kursierten ständig "fliegende Händler": Unterlagen hin, Pässe her.

Die Eile ließ sich damit erklären, dass am 1. Juli in Russland ein neues Gesetz über die Staatsbürgerschaft in Kraft trat, das das Schlupfloch im Gesetz des Landes schloss, das allen ehemaligen Bürgern der UdSSR fast schon automatisch erlaubte, die russische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Kurzum, sie haben es geschafft...

Die abchasischen Machtorgane mischten sich in diesen Prozess nicht ein. Aber bereits nach Abschluss dieses Prozesses wurde in der Republik ein Regierungsbeschluss gefasst: die russische Staatsbürgerschaft setzt die abchasische nicht außer Kraft, die Bevölkerung muss trotzdem ihren Verpflichtungen dem Staat gegenüber nachkommen, in dem sie lebt – Steuern zahlen, Wehrdienst leisten...

Klar ist, dass die Führung in Tbilissi von der gewaltsamen Einverleibung Abchasiens durch Russland zu sprechen begann. Eben die Gewährung der russischen Staatsbürgerschaft an die abchasische Bevölkerung habe, so Beobachter, Moskau und Tbilissi an die Schwelle einer scharfen Konfrontation geführt. Die bekannten Ereignisse, zu denen es später, im Juli, gekommen ist (Vordringen tschetschenischer Kämpfer vom Territorium Georgiens nach Russland usw.), haben nur noch Öl ins Feuer gegossen. Zornige Erklärungen "über die Einverleibung" gaben sowohl Präsident Eduard Schewardnadse als auch die Vorsitzenden des georgischen Parlaments Nino Burdschanadse ab, die mitteilte, dass Georgien das "Pass-Problem" vor der Weltgemeinschaft auf allen Ebenen unter anderem beim bevorstehenden OSZE-Forum aufwerfen werde.

Aber auch Georgien wird wahrscheinlich jetzt gezwungen sein, die neue Situation zu beachten, sollte jemandem der Gedanke kommen, den Plan einer neue Militäroperation gegen Abchasien zu erarbeiten (niemand zweifelt daran, dass diese Variante in Tbilissi noch im Gespräch ist).

Jetzt, da der größte Teil der Bevölkerung Abchasiens russische Bürger sind, hat Russland ganz legal die Möglichkeit bekommen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dieser Republik in Gang zu bringen, deren Wirtschaft durch Investitionen auf die Beine zu bringen. Das Eis ist bereits gebrochen: in diesen Tagen weilte in Abchasien zum ersten Mal eine repräsentative Delegation der russischen Regierung. Der stellvertretende Außenminister und persönliche Vertreter von Wladimir Putin für die Beilegung des georgisch-abchasischen Konfliktes, Walerij Loschtschinin, teilte der Agentur "Apsnypress" mit, dass jetzt "neue Momente und zusätzliche Möglichkeiten" bei der Beilegung der lang anhaltenden Konfrontation aufgetaucht sind, dass diese im Zusammenhang mit den letzten Ereignissen in der Region und der Annahme der neuen Resolution des UNO-Sicherheitsrates zum georgisch-abchaischen Konflikt stehen.

Was die Reaktion der internationalen Gemeinschaft angeht, an die Georgien appellieren will, so ist offensichtlich auch hier bereits bestimmte Arbeit durchgeführt worden. Beobachter gehen davon aus, dass das rein pragmatische Verhalten Russlands gegenüber seiner Präsenz im Kaukasus von der amerikanischen Seite beim kürzlichen Treffen zwischen Wladimir Putin und George Bush in Moskau mit Verständnis aufgenommen worden sei. (lr)