Im Irak sind 132 Amerikaner und Engländer gefallen, in Tschetschenien über 100 000 Russen
11. April 2003Moskau, 11.4.2003, MOSKOWSKIJ KOMSOMOLEZ, russ., Aleksandr Minkin
Bagdad wurde erobert. Der Krieg ist zu Ende.
Natürlich wird es noch zu Zusammenstößen, zu lokalen Kämpfen, zu Terroranschlägen und Säuberungen kommen, aber der Irak wurde besiegt.
Die Welt schaut auf die Börse: Dollarkurs, Preis pro Barrel, Aktien...
Wir, die Bürger Russlands, denken jedoch gewollt oder ungewollt an etwas anderes.
21 Tage Krieg und siebeneinhalb Jahre Krieg.
Die Verluste der USA und Englands – 132 Tote.
Unsere Verluste in Tschetschenien übersteigen 10 000.
Etwa 4000 Iraker sind ums Leben gekommen.
In Tschetschenien über 100 000 Menschen.
Irak liegt für Amerika hinter dem Ozean.
Tschetschenien hier, nebenan.
Irak: ein Territorium von 438 000 Quadratkilometern, 22 Millionen Einwohner.
Tschetschenien: ein Territorium von 16 000 Quadratkilometern, 1 Million Einwohner.
Womöglich ruft der Erfolg von Bush bei uns solch einen unheimlichen Verdruss gerade deshalb hervor, weil wir dessen Irak-Krieg mit unserem Tschetschenien-Krieg vergleichen.
Wieso? Weil die es so leicht, so schnell, mit wenig Blut auf fremdem Territorium geschafft haben? Und wir – viel Blut auf dem eigenen Territorium und das noch so lange?
Waffen? Die Tschetschenen sind jedoch viel schlechter bewaffnet als die Iraker. Auch im Vergleich zur Irakischen Armee stellen die tschetschenischen Rebellen nur einen Bruchteil dar.
Kampfgeist? Aber die amerikanischen Soldaten kämpften viel weiter von ihrer Heimat entfernt als unsere. Die britischen Tommys glaubten wohl kaum, dass sie bei Basra ihre Heimat verteidigen.
Auch unsere Soldaten sind nicht schlechter. Auch die Panzer, die Flugzeuge, die "Uragan"-Anlagen nicht...
Während der Suche nach den Gründen für diesen entsetzlichen Unterschied beginnt man zu denken: vielleicht liegt es ja daran,
dass es den amerikanischen Majors nicht in den Sinn kam, Waffen an den Feind zu verkaufen, den Obersten – junge Frauen zu vergewaltigen und zu erwürgen, gegen Bezahlung Korridore für den Abzug von Saddam-Leuten zu öffnen;
dass amerikanische und britische Soldaten aus irakischen Häusern keine Fernseher und Teppiche entwendeten und amerikanische Generäle irakische Tankwagen nicht mit ihren Schützenpanzerwagen bewachen ließen.
Unfassbar: seit mehreren Jahren hören wir in den Nachrichten aus Tschetschenien fast täglich von Schützenpanzerwagen, die auf eine Mine fahren, und kein einziges mal, dass ein Tankwagen in die Luft geflogen ist.
An die Aufrichtigkeit der Einwohner von Bagdad, die die fremde Armee mit Blumen begrüßen, glauben wir nicht besonders. Bagdad ist aber fast heil, Grosny besteht nur noch aus Ruinen. (lr)