"Ich möchte Premier aller Bürger des Kosovo sein"
5. März 2002Köln, 1.3.2002, DW-radio
DW-radio / Albanisch, 1.3.2002
Bajram Rexhepi, designierter Ministerpräsident und Abgeordneter der Demokratischen Partei Kosovos (PDK), äußert sich im Interview mit DW-radio/Albanisch zu den Schwerpunkten seiner Regierungsarbeit.
Frage: Herr Rexhepi, Sie sind als Kandidat für den Posten des Premierministers im Kosovo gewählt worden. Obwohl es vielleicht viel zu früh ist, diese Frage zu stellen, was werden die ersten Herausforderungen in Ihrer Arbeit sein?
Antwort: Die erste Herausforderung ist der Versuch, die verlorene Zeit nachzuholen. Damit ist die Gründung einer neuen, stabilen Regierung gemeint, im breiten, politischen Spektrum. Außerdem soll die nötige gesetzliche Infrastruktur geschaffen werden, damit wir mit der Realisierung der praktischen Angelegenheiten anfangen können, welche die Transformation der Wirtschaft oder die wirtschaftliche Entwicklung, die Verringerung der Arbeitslosigkeit, die soziale Absicherung umfassen, besonders für die Familien der Leute, die im Krieg gefallen sind, sowie die der Rentner und der Kriegsinvaliden. Der Kampf gegen die Korruption ist auch sehr wichtig; und da werden wir versuchen, konsequent zu sein. Genauso werden wir versuchen, eine transparente Regierung zu gründen sowohl gegenüber dem Parlament als auch gegenüber der Bevölkerung des Kosovo. Wir wollen auch Sicherheitsmaßnahmen für jeden Bürger treffen, auch wenn das nicht die direkte Zuständigkeit der Regierung ist. Wir wollen also trotzdem unseren Beitrag in dieser Richtung leisten, damit sich jeder Bürger in Kosovo frei fühlt.
Frage: Herr Rexhepi, ab dem nächsten Montag werden Sie offiziell Premierminister von Kosovo sein. Das bedeutet, dass ein Teil der Verantwortung nun von der Regierung getragen wird, die Sie leiten werden. Was wird sich bei den internationalen Beziehungen ändern?
Antwort: Ich hoffe, wir werden wie vereinbart handeln können. Heute hatte ich ein Treffen mit Herrn (Michael – MD) Steiner und habe seine Bereitschaft für eine Zusammenarbeit feststellen können, dass ein Teil der Zuständigkeit von den Einheimischen übernommen wird. Wir haben zwar nicht viel Erfahrung mit der Bildung von Staatsinstitutionen, dennoch werden wir versuchen, das Potential das in Kosovo vorhanden ist, zu nutzen. Genauso werden wir auch die Voraussetzungen dafür schaffen, damit wir unser Ziel, nämlich die Unabhängigkeit von Kosovo erreichen können.
Frage: Wie stellen Sie sich Ihre Arbeit vor, Herr Rexhepi, wenn Sie daran denken, dass Sie mit Leuten arbeiten werden, die nicht der Demokratischen Partei Kosovos angehören wie Sie? Wird sich Ihre Strategie auf Ihre Partei beziehen oder nicht?
Antwort: Jede Partei hat ihr eigenes Programm, wir werden aber trotzdem versuchen, von den Programmen jeder Partei das Beste rauszuholen, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Sicherlich hat jede Partei ihre eigene Ziele, dennoch wollen wir in der Regierung gemeinsam arbeiten, damit wir das Beste für Kosovo erreichen können. Ich bin da bereit, mit den anderen Parteien zusammenzuarbeiten. Das ist mein wichtiges Anliegen, und wenn die anderen Parteien mitarbeiten, werden wir erfolgreich sein.
Frage: Das ist nun meine letzte Frage. Sie kommen aus Mitrovica, aus der problematischsten Stadt in Kosovo, wenn wir sie so nennen dürfen. Wird es eine neue Strategie für diese Stadt geben?
Antwort: Solche Strategien gab es auch vorher schon seitens der anderen Parteien, die Probleme sind längst erkannt worden. Das einzige Problem ist, Lösungen in die Praxis umzusetzen. Ich denke, es wird Fortschritte geben, und es wurden schon Voraussetzungen geschaffen, damit die Integration von Mitrovica stattfinden kann, obwohl dies eine politische Sache ist, und die endgültige Integration erst mit dem Status von Kosovo stattfinden wird. Ein konkretes Beispiel für die oben erwähnten Fortschritte ist, dass ich heute zweimal die Brücke von Ibri (in Mitrovica) überquert habe. Dies ist eine symbolische Geste. Ich denke, dass ich der Premierminister von allen Bürgern von Kosovo sein werde, auch wenn das einer großen Zahl der Minderheiten und vielleicht auch einer großen Zahl der Albaner nicht gefallen wird. Trotzdem müssen die staatlichen Institutionen respektiert werden. Wir sind bereit, mit der serbischen Minderheit in Kosovo über ihre Probleme zu sprechen - entweder durch ihre Vertreter oder auch direkt. (Interview: Bekim Shehu) (md)
DW-radio/Serbisch, 1.3.2002
Der designierte Ministerpräsident Kosovos und frühere Bürgermeister von Kosovska Mitrovica, Bajram Rexhepi, äußert sich im Interview für DW-radio/Serbisch unter anderem zur Kooperation mit serbischen Vertretern und zur Situation in Mitrovica. (...)
Frage: Wird die künftige Regierung Kosovos ausschließlich mit den Vertretern der Koalition "Povratak" (dt. "Rückkehr") oder auch mit dem offiziellen Belgrad kooperieren?
Antwort: Der Kontakt mit der Regierung Serbiens wird auch nicht ausgeschlossen. Dies wird allerdings in einer späteren Phase geschehen. In der ersten Phase wird in erster Linie mit Serben in Kosovo zusammengearbeitet, denn sie sind Bürger des Kosovo, und sie sollen ihren Beitrag leisten. Sie sollen ebenfalls genau die selben Rechte wie alle Bürger des Kosovo erhalten – ohne Unterschiede. Es ist normal, dass es sehr viele Fragen gibt, die ausgesprochen wichtig für die serbische Ethnie sind, darunter fällt vornehmlich die Bewegungsfreiheit und die Beschäftigung.
Frage: Mitrovica, die Stadt aus der Sie stammen und wo Sie Bürgermeister waren, ist auch weiterhin geteilt. Kann dies künftig eine Stadt werden, in der Serben und Albaner zusammenleben?
Antwort: Früher war es eine vereinte Stadt, unser Ziel ist es, dass sie auch weiterhin vereint bleibt und dass wir uns vom Extremismus befreien. Denn ich weiß, dass alle Bürger Mitrovicas, und ich betonte die Bürger Mitrovicas, mehrheitlich daran interessiert sind, sich für ihre existenziellen Probleme einzusetzen und miteinander zu kooperieren. Ich glaube, die meisten Nachbarn hatten gute Beziehungen zueinander und sie werden auch weiterhin gute Beziehungen hegen. Bedingung dafür ist allerdings, dass wir uns von einigen Extremisten befreien, die sowohl die serbische als auch die albanische Bevölkerung ersticken. Ich glaube, dies ist möglich, wenn dazu der Wille auf beiden Seiten besteht. Aus dieser Position heraus, wissen wir, dass wir keine Wunder bewirken können. Wir werden jedenfalls mit Ausdauer an einer Annäherung arbeiten, sowohl bei Wirtschaftsprojekten als auch bei der Bewegungsfreiheit und all dem... Ich glaube, dies wird sich als Prozess in eine positive Richtung entwickeln. (Interview: Irena Bojovic) (md)