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Ibrahim Traoré: Held in den sozialen Medien, Autokrat daheim

8. September 2025

Burkina Fasos Militärführer wird im Netz als panafrikanischer Führer gefeiert. Im eigenen Land beschneidet er die zivilen Freiheiten, stellt Homosexualität unter Strafe und unterdrückt jede Kritik.

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Burkina Faso | Übergangspräsident Ibrahim Traore
Traoré 2023 auf Besuch in Sankt Petersburg (das Bild wurde von staatlichen russischen Quellen verbreitet)Bild: President Of Russia/APA Images via ZUMA Press Wire/picture alliance

In den drei Jahren, in denen Hauptmann Ibrahim Traoré in Burkina Faso regiert, hat er sich zu einem Internet-Phänomen entwickelt. Oft fallen dort Vergleiche zu den großen Symbolfiguren der afrikanischen Unabhängigkeit. Die Bilanz von Menschenrechtsorganisationen fällt weniger positiv aus. Wie lässt sich dieser scheinbare Gegensatz auflösen?

Ibrahim Traoré, der Mächtige

Mit dem 30. September 2022 beginnt in Burkina Faso eine neue Zeitrechnung: Militärs um Kapitän Ibrahim Traoré putschen sich an die Macht. Sein Vorgänger, Paul-Henri Sandaogo Damiba, hatte selbst einige Monate zuvor den letzten demokratisch gewählten Präsidenten Roch Marc Christian Kaboré abgesetzt und sich zum Präsidenten ernennen lassen. Traoré begründet seine Machtübernahme mit dem grassierenden Terrorismus. Binnen sechs Monaten werde er diesen überwinden und innerhalb eines Jahres demokratische Neuwahlen organisieren, versprach er damals.

Die angekündigten Wahlen gab es nicht; stattdessen hat Traoré seine eigene Machtbasis systematisch ausgebaut: Er strukturierte das Militär um, setzte eine ihm wohlgesonnene Regierung ein. Oppositionelle Stimmen und auch die Medien werden mehr und mehr unterdrückt. Schon nach einem halben Jahr erklärte der Machthaber, Wahlen seien "keine Priorität".

Sankt Petersburg Präsident Putin und Burkina Faso Traore
Burkina Fasos Juntaführer Ibrahim Traoré kehrt Frankreich den Rücken - und findet in Russland einen neuen PartnerBild: Alexander Ryumin/dpa/Tass/picture alliance

Auch in der Zusammenarbeit räumte Traoré gründlich auf. Das gilt vor allem für die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, bis dato stärkster Partner auch im Kampf gegen den Terrorismus. Im Januar 2023 forderte Traoré Frankreich auf, seine Truppen abzuziehen. Stattdessen tat er sich mit den ebenfalls militärisch geführten Nachbarländern Niger und Mali zusammen, bildete mit ihnen die Allianz der Sahelstaaten AES. Aus dem Regionalbündnis ECOWAS und dem Sicherheitsbündnis G5 Sahel traten die drei Staaten aus. Neuer starker Partner ist Russland, das Burkina Faso auch rhetorisch unterstützt.

Keine Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus

Das Versprechen, den Terrorismus zu bezwingen, konnte Traoré indes nicht erfüllen: So überfielen Angreifer am 24. August 2024 die Ortschaft Barsalogho im Norden des Landes und töten mehrere Hundert Menschen. Bis heute hat sich die Lage nicht verbessert.

"Geschätzt 70 Prozent des Staatsgebiets stehen unter der Kontrolle dschihadistischer bewaffneter Gruppen oder zumindest außerhalb der sicheren Kontrolle der Regierung", sagt Paul Melly von der Denkfabrik Chatham House im DW-Gespräch. Umso brisanter ist dies, als die Militärregierung ihre Legitimation genau auf dieses Sicherheitsdefizit gebaut hatte. Die Strategie der neuen Machthaber in Ouagadougou: Möglichst wenig über Überfälle und Todeszahlen berichten.

Ibrahim Traoré, der Social-Media-Star

In den Sozialen Netzwerken verbreitet sich zugleich ein ganz anderes Bild von Burkina Faso - und von Hauptmann Ibrahim Traoré: Profile wie "Traore vision" oder "Traore builds Africa" machen Werbung für eine Führungsfigur, die "den Westen schockiere" oder "geheime Pläne" verfolge, um das westafrikanische Binnenland - eines der ärmsten weltweit - mit gigantischen Projekten zur führenden afrikanischen Wirtschaftsmacht zu machen.

"International hat Ibrahim Traoré das Image eines jungen, dynamischen Revolutionsführers, der sich gegen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich auflehnt", sagt Paul Melly, "und er hat wirklich eine enorme Reichweite in den sozialen Medien." Damit stehe der Mittdreißiger in scharfem Kontrast zum traditionellen Bild der politischen Klasse, die als "stumpfsinnig und selbstgefällig" angesehen werde.

Zentral ist stets das Element der Abgrenzung von Frankreich und den Westmächten - dazu kommt immer wieder die Bezugnahme auf den legendären und gefeierten burkinischen Militärführer der 1980er Jahre Thomas Sankara, der seinerseits die Unabhängigkeit von Frankreich beschwor. 1987 wurde Sankara ermordet. Sein Nachfolger Blaise Compaoré kehrte zu einem Frankreich-freundlichen Regierungsstil zurück.

In den Augen von Journalist Justin Yarga, der aus dem schwedischen Exil arbeitet, setzt der Machtzirkel um Traoré bewusst Medienkampagnen dafür ein, um von Misserfolgen im Anti-Terror-Kampf und anderen Herausforderungen abzulenken.

Anti-westliche Rhetorik verdeckt zivile Rückschritte

Doch auch die Recherchen Yargas und anderer Journalisten, mit denen sie diese Strategie entlarven wollen, finden im Land selbst wenig Gehör, wie er im DW-Interview berichtet. "Ich erinnere mich, dass einige Leute auf unsere Untersuchung mit den Worten reagierten: 'Das ist uns egal, selbst wenn es sich um eine Propagandakampagne handelt. Das Einzige, was uns interessiert, ist, dass sie in Bezug auf Frankreich Recht haben.'"

Der kenianische Blogger und Kolumnist Patrick Gathara unterstützt diese Lesart. "Ich glaube, dass Menschen im Grunde genommen nach Rettern suchen", erklärt Gathara mit Blick auf die Lage im Sahel. "Die Leute müssen vorsichtig sein, wenn sie diese Figuren als Allheilmittel anpreisen für Dinge, die im Wesentlichen systemische Probleme sind." Für ihn geht es nicht nur darum, gute Führungskräfte zu finden: "Es geht darum, Systeme zu schaffen, die die Machthabenden in ihre Grenzen weisen und sie zur Rechenschaft ziehen."

Symbolbild Afrika Homosexualität
Das Verbot gleichgeschlechtlicher Beziehungen ist eine der letzten Entscheidungen, die die zivilen Freiheiten in Burkina Faso beschneidenBild: Ben Curtis/AP Photo/picture alliance

In Burkina Faso scheint dies gerade zunehmend schwerer zu werden. Erst vergangene Woche verabschiedete das Land ein neues "Familiengesetz". Das umfassende Regelwerk, das verschiedenste Aspekte des gesellschaftlichen Lebens behandelt, enthält auch Passagen, die zivile Freiheiten weiter beschneiden.

So stellt das Land erstmals in seiner Geschichte gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Strafe. Ousmane Aly Diallo von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert die Entscheidung. Die Militärregime in Burkina Faso, Mali und Niger seien bestrebt, ihre Verbindungen zum Westen zu kappen, sagt er der DW: "Dies spiegelt sich nun in den Sitten und Gebräuchen der burkinischen Gesellschaft wider. Die Sehnsucht nach Souveränität wird missbraucht, indem Maßnahmen ergriffen werden, die Menschen diskriminieren und potenziell ihre Gleichheit vor dem Gesetz verletzen."

Auch in weiteren Punkten trägt das Gesetz die Handschrift einer autoritären Regierung. So kann demnach eine erworbene burkinische Staatsbürgerschaft Menschen aberkannt werden, die sich kritisch über die Regierung des schillernden Staatschefs Ibrahim Traoré äußern.

Mitarbeit: Tomi Oladipo, Saleh Mwanamilongo