Hanau gedenkt der Opfer des Anschlags von 2020
19. Februar 2025Vor fünf Jahren zog ein 43-jähriger Deutscher bewaffnet durch Hanau im Südwesten Deutschlands. Er erschoss neun Menschen - aus rassistischen Motiven. Anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst. Mit mehreren Gedenkveranstaltungen erinnern die Stadt und das Bundesland Hessen, in dem Hanau liegt, an diesem Mittwoch an die Opfer der ausländerfeindlichen Anschläge am 19. Februar 2020.
Neben Angehörigen hat in der Gedenkstunde im Congress Park Hanau am Mittwochmittag auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Wort ergriffen. Er rief dazu auf, gegen Rassismus, Rechtsextremismus, Islamismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit entschlossen einzutreten. "Es ist an uns, für ein gutes Miteinander in unserem Land zu sorgen, jeden Tag und immer wieder aufs Neue. Das ist die Botschaft, die wir heute hier aus Hanau senden sollten", sagte Steinmeier.
Steinmeier: "Anschlag auf Gesellschaft und Demokratie"
Der Täter von damals habe nicht auf alle Bürgerinnen und Bürger abgezielt, aber seine Tat gehe die gesamte Gesellschaft an, so der Bundespräsident. Die rechtsextremistisch motivierten Morde von Hanau "waren ein Anschlag auf unsere offene Gesellschaft und unsere liberale Demokratie - genau wie die vermutlich islamistisch motivierten Anschläge der vergangenen Monate", sagte Steinmeier.
Bereits am Dienstagabend hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz zum Jahrestag geäußert und zum Einsatz gegen Hass, Gewalt und Rassismus aufgerufen. "Geben wir Menschenhass keinen Raum", sagte Scholz in Berlin: "Wir können dem rassistischen Hass entgegentreten, der den Morden von Hanau zugrunde lag." Stattdessen solle jeder Einzelne "im Alltag Zeichen setzen für mehr Mitmenschlichkeit und weniger Hass. Ich finde, das täte Deutschland gut."
Bundespräsident Steinmeier appellierte in Hanau an Politik und Behörden, die Hintergründe der Tat aufzuklären, eigene Fehler offenzulegen und Konsequenzen zu ziehen. Er bedauere es zutiefst, dass einige Angehörige der Ermordeten nach der Tat den Eindruck hatten, den Staat erst zur Aufklärung drängen zu müssen. Das Vertrauen in den Staat sei "verloren gegangen". Steinmeier lobte, dass der hessische Landtag auch dank der Beharrlichkeit von Angehörigen einen Untersuchungsausschuss eingerichtet habe.
Mahnung der Antidiskriminierungsbeauftragten
Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, prangerte mangelnde Anstrengungen gegen Rassismus in Deutschland an. Der Staat habe nach dem Anschlag seine Hausaufgaben nicht gemacht, so Ataman. Die Zahl rechtsextremer Straftaten sei so hoch wie nie, "während der Schutz vor Diskriminierung kein bisschen verbessert wurde."
Statt das Sicherheitsgefühl von Migranten und ihren Nachkommen zu stärken, würden sie zum Sicherheitsproblem erklärt. Laut Ataman ist zu beobachten, dass Diskriminierungen zunehmen. Menschen berichteten von rassistischem Mobbing am Arbeitsplatz, von Ärztinnen und Ärzten, die muslimische Patienten als "Messerstecher" ablehnten und von Lehrkräften, die Schüler als "kleine Terroristen" an die Tafel riefen. "Fünf Jahre nach dem Anschlag in Hanau haben Migranten in Deutschland mehr Angst als je zuvor."
Die neue Regierung müsse ein klares Signal aussenden, dass sie Rassismus nicht toleriere, forderte Ataman. Es werde dringend ein Nationaler Aktionsplan gegen Diskriminierung benötigt.
Der gesamte 19. Februar steht in Hanau im Zeichen der Erinnerung an die Opfer der rassistischen Morde vor fünf Jahren. Neben der Gedenkstunde unter dem Motto "Gemeinsam gedenken - für Zusammenhalt und Zukunft" am Mittwochmittag sind weitere Veranstaltungen geplant.
Am Abend soll auch an den beiden Tatorten der Opfer des Anschlags gedacht werden. Am Heumarkt und am Kurt-Schumacher-Platz sind von der "Initiative 19. Februar" Mahnwachen geplant. Im Namen der Stadt, des Landes und des Bundes wurden an den Grabstätten in Hanau, Offenbach, Bulgarien, Rumänien und in der Türkei Blumen- und Kranzniederlegungen organisiert.
AR/se (epd, afp, dpa, kna)