Gürtelrose-Impfung schützt Frauen vor Demenz
2. April 2025Ein Zusammenhang zwischen Gürtelrose und Demenz wurde schon länger vermutet. Jetzt liefert eine britische Studie ziemlich überzeugende Belege: Eine Gürtelrose-Impfung gegen das Varizella-Zoster-Virus schützt vor allem Frauen vor Demenz.
"Die hier vorgelegte Analyse ist die beste bisher veröffentliche Arbeit über den Zusammenhang einer Virusinfektion mit einem erhöhten Demenz-Risiko. Sie liefert einen überzeugenden Beleg, warum die Gürtelrosen-Impfung nicht nur gegen eine sehr schmerzhafte Erkrankung schützt, sondern zusätzlich auch noch das Demenz-Risiko signifikant reduziert", urteilt Prof. Dr. Martin Korte, Dekan der Fakultät für Lebenswissenschaften an der Technischen Universität in Braunschweig.
Die im Fachjournal Nature veröffentlichte Studie zeigt, dass die Einführung der Gürtelrose-Impfung bei Personen ab 80 Jahren wahrscheinlich der Grund dafür war, dass seltener Demenz diagnostiziert wurde. Sieben Jahre lang wurde zwei Gruppen in Wales beobachtet. Das Ergebnis ist eindeutig: Mit Impfung war das Demenz-Risiko bei Frauen um ein Fünftel geringer. Bei Männern konnte statistisch keine eindeutige Wirkung festgestellt werden.
Allerdings gelten die Studienergebnisse nur für den nicht mehr gebräuchlichen Lebendimpfstoff Zostavax. Ein Lebendimpfstoff enthält einе geringe Menge abgeschwächter, aber lebendiger, also reproduktionsfähiger Krankheitserreger.
Da Zostavax laut einer US-amerikanischen Studie jedoch eine schwächere Schutzwirkung hat, wird heutzutage meistens der Herpes-Zoster-Totimpfstoff mit dem Handelsname Shingrix verimpft.
Was ist das Varizella-Zoster-Virus?
Das Varizella-Zoster-Virus gehört zur Gruppe der Herpesviren, die mit der Entwicklung von Demenz in Verbindung gebracht werden. Dieses Varizella-Zoster-Virus löst Windpocken aus. An dieser sehr ansteckenden Virusinfektion erkranken vor allem Kinder, die Folge sind Fieber und ein juckender Hausausschlag.
Nach einer Windpocken-Infektion verbleiben die Viren in einem inaktiven Zustand in den Nervenzellen des Rückenmarks. Sie können aber nach vielen Jahren wieder aktiv werden und sich vermehren, wenn das Immunsystem geschwächt ist. Dann verursachen sie eine Gürtelrose.
Wie zeigt sich eine Gürtelrose?
Frühe Symptome einer Gürtelrose (Herpes zoster) sind Abgeschlagenheit und Fieber. Dann kommt es in einem bestimmten Bereich zu Nervenentzündungen mit Brennen und starken Schmerzen.
Eine Gürtelrose kann überall am Körper entstehen, meistens aber sind Brustkorb oder Rücken betroffen. Auch Hals, Arme oder Beine sowie Gesicht, Augen oder Ohren können betroffen sein.
Oft breitet sich ein Hautausschlag von der Wirbelsäule gürtelförmig halbseitig um den Körper herum aus - daher der Name. Aus dem Hautausschlag bilden sich juckende Bläschen, die mit klarer Flüssigkeit gefüllt sind und die nach etwa fünf Tagen wieder verschwinden.
Wieso wirkt die Gürtelrose-Impfung bei Frauen anders?
Die Studie liefert zwar den Beleg, dass eine Gürtelrosen-Impfung vor der Weiterentwicklung oder dem Auftreten einer Demenz schützt. Aber wie dieser Schutzmechanismus funktioniert, muss noch weiter erforscht werden.
Zu klären ist auch, warum sich der Effekt der Gürtelrose-Impfung auf das Demenzrisiko zwischen Frauen und Männern so stark unterscheidet, so Neurobiologe Korte: "Frauen bekommen häufiger Demenz und reagieren stärker über Autoimmunmechanismen. Zwei Drittel aller Autoimmunerkrankungen treffen Frauen. Entsprechend gibt die Studie vielleicht sogar einen Fingerzeig auf den Mechanismus: Neuroinflammatorische autoimmun-getriggerte Prozesse werden möglicherweise durch die Impfung reduziert, was vor allem die Frauen besser schützt."
Neuroinflammation bedeutet, dass das Gehirn entzündet ist, weil das Immunsystem, das normalerweise den Körper schützt, das eigene Gehirn oder Gewebe angreift, anstatt nur Fremdstoffe wie Bakterien oder Viren zu bekämpfen.
Wer sollte sich gegen Gürtelrose impfen lassen?
Etwa drei von zehn Personen erkranken im Laufe des Lebens an einer Gürtelrose. Grundsätzlich kann die Krankheit in jedem Alter auftreten, aber meistens sind Menschen über 50 Jahren oder Menschen mit einem geschwächten Immunsystem betroffen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko weiter an, zudem treten Zostererkrankungen bei Frauen häufiger und früher auf als bei Männern.
Bislang werden Gürtelrose-Impfungen zum Beispiel in Deutschland für alle ab 60 und Risikogruppen ab 50 Jahren empfohlen. Dabei wird der Impfstoff zweimal intramuskulär in den Oberarm injiziert. Damit sich der Impfschutz aufbauen kann, müssen zwischen den beiden Immunisierungen mindestens zwei und maximal sechs Monate liegen. Allerdings: Eine Impfung kostet mehr als 500 Euro.
Angesichts der neuen Studienergebnisse sollten die Impfempfehlungen auch in Deutschland überdacht werden, meint Peter Berlit, Generalsekretär der Deutsche Gesellschaft für Neurologie: "Die Effektstärke der Impfung auf das Verhindern oder Verzögern einer Demenz ist so groß, dass dies ein Argument für die Impfung über den Schutz vor einer Gürtelrose hinaus ist. Es ist zu diskutieren, ob nicht generell die Impfung ab 50 Jahren zumindest für Frauen empfohlen werden sollte."
Neurobiologe Korte, der auch die Arbeitsgruppe Neuroinflammation und Neurodegeneration am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung leitet, geht noch einen Schritt weiter: "Ganz klar wäre meine Empfehlung, die Impfung weiter auszudehnen. Alle Altersgruppen profitieren, was die Gürtelrose selbst angeht – es gibt kaum etwas schmerzlicheres als eine schwere Gürtelrose. Man kann davon ausgehen, dass je früher man impft, umso eher das Demenz-Risiko gesenkt wird", so Korte.
Quelle: A natural experiment on the effect of herpes zoster vaccination on dementia. Nature. DOI: 10.1038/s41586-025-08800-x