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Glaube

Gott schweigt für einen Tag

19. April 2025

Karsamstag ist ein seltsamer Dazwischen-Tag. Kein gesetzlicher, aber ein „stiller“ Feiertag. In den Kirchen herrscht Grabesruhe: Jesus ist tot, Gott schweigt. Ein Beitrag der evangelischen Kirche.

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Morgenstimmung, Sonnenaufgang am Ossiachersee, bei Annenheim, Kärnten, Österreich, Europa
Bild: Karl-Heinz Schein/picture alliance

Stille aushalten am Karsamstag 

Zwischen Karfreitag und Ostern 

Was für ein seltsamer Tag, dieser Samstag nach Karfreitag. Der Schock und das Schauspiel von Jesu Hinrichtung am Kreuz sind vorbei. Es gibt nichts mehr zu sehen oder zu tun. Jesus – Gott – ist tot; bitte gehen Sie weiter. Natürlich wissen wir, dass morgen alles anders wird. Ostern verspricht ein neues Leben, eine Hoffnung, die über das scheinbare Ende hinausgeht. Aber heute ist davon nichts zu spüren. Heute schweigt Gott. 

Grabesruhe  

Traditionell schweigen am Karsamstag die Kirchenglocken. Er gehört zu den „stillen“ Tagen, an denen in vielen Bundesländern zum Beispiel auch ein Tanzverbot gilt. Es herrscht Grabesruhe. Und doch ist es kein gesetzlicher Feiertag, es gibt auch keine Gottesdienste. Scheinbar weiß niemand mit diesem Tag so richtig etwas anzufangen. Der „Stille Samstag“ soll still sein – und das war es schon? Kein sehr interessantes Angebot für uns vielbeschäftigte Menschen. Zeit ist schließlich kostbar. 

Ruhetag 

Ich muss an eine andere Pause denken, die in der Bibel immer wieder eine Rolle spielt. Der Sabbat, der heilige Ruhetag einmal in der Woche. Auch dies eine fast schon erzwungene Pause im geschäftigen Treiben der Menschen. Aber es geht hier um mehr als Erholung. Gerade in der Ruhe, in der Stille scheint es möglich zu sein, Gott zu begegnen. 

Elia am Ende 

Das erlebt Elia, einer der großen Propheten des biblischen Volkes Israel. Er ist an einem Tiefpunkt.  Ausgebrannt, am Ende seiner Kräfte. Er will sogar sterben.  

Da greift Gott ein. Er lässt ihn wieder zu Kräften kommen und zeigt sich ihm in einer Erscheinung. Doch Gott wählt nicht Feuer oder Sturm, die „gängigen“ Formen, in denen sich göttliche Kraft zeigt. Erst als Elia ein leises Säuseln hört, wird ihm klar, dass er es mit Gott zu tun hat. Im kaum noch Wahrnehmbaren findet Elia seinen Gott. 

Stille aushalten 

Für viele wird dieser Karsamstag ein normaler Tag sein. Letzte Vorbereitungen für das lange Wochenende werden getroffen. Es gibt sicher viel zu tun. Doch es gibt auch die Möglichkeit, sich der Stille auszusetzen. Sich einmal zurück zu ziehen und darüber nachzudenken, was es bedeutet, dass Gott stirbt. Dass die eigenen Kräfte endlich sind. Dass es vielleicht völlig unklar ist, von wo jetzt noch Hilfe kommen soll. Dass es aber trotzdem Hoffnung gibt. Heute Nacht wird die Osterkerze entzündet. 

 

Zum Autor:  

Markus Witzemann (Jahrgang 1977) hat Amerikanistik studiert und arbeitet heute im Gemeindebüro und Serviceteam der Baptisten Schöneberg in Berlin. Im damaligen West-Berlin geboren, ist er seiner Heimatstadt bis auf eine kurze Zeit in Westerstede im Ammerland immer treu geblieben. Er ist verheiratet mit Pastorin Nicole Witzemann. 

Markus Witzemann, freier Journalist
Bild: Pressefoto der Evangelischen Kirche Deutschland

Dieser Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.