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KulturGlobal

Protest, Performance, Popkultur: Vom Glanz des Glitzers

Brenda Haas
10. April 2025

Glitzer fasziniert - schon in der Steinzeit. Es zieht Aufmerksamkeit an, bringt Magie und Extravaganz ins Leben und kann bei Protesten eine Waffe sein. Doch Glitzer hat auch seine Schattenseiten.

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Eine afrikanische Frau schminkt ihr Gesicht mit Glitter
Magische Wirkung: Glitter bei der "African Fashion International" 2022Bild: MICHELE SPATARI/AFP/Getty Images

Mal schmückt er Taylor Swifts Wangenknochen, mal werfen ihn Demonstrierende als politisches Statement. Dann wieder klebt er auch drei Tage nach einem Musikfestival noch hartnäckig im Gesicht: Glitzer hat eine magische Präsenz in unserem Leben.

Glitzer findet sich auf Weihnachtskarten und Ornamenten, in Nagellack, auf Modeaccessoires, wird als Make-up bei Sportveranstaltungen getragen und findet sich sogar in Lebensmitteln. Im Marketing spielt er eine Rolle, er kommt im Produktdesign zum Einsatz und immer dann, wenn es gilt "gehobene" oder gar "feierliche" Stimmung zu erzeugen. Bei glänzendem Geschenkpapier, funkelnden Sektetiketten und Produktverpackungen in limitierter Auflage - wenn es glitzert, bleiben wir neugierig stehen und schauen hin.

Sogar eine Ausstellung dreht sich jetzt ums Glitzern: Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe dreht sich von Februar bis Oktober alles um "Glitzer".

Ein geöffneter Mund zeigt roten Glitter auf Zähnen und Zahnfleisch
"And everything nice" - Fotoserie von Hannah Altman im Museum für Kunst & Gewerbe HamburgBild: Hannah Altman

Glitzer - eine Liebesaffäre

"Meine Liebe zu Glitter begann vor über zehn Jahren auf britischen Festivals, wo sich alle mit Pailletten, Kostümen und natürlich viel Glitter verkleideten. Es war verspielt, ausdrucksstark und machte einfach nur Spaß!", erzählt Jeen Low, Gründerin des in Berlin ansässigen Projekts Glitter. "Es war, als hätte ich die Magie des Spiels wiederentdeckt - etwas, das wir als Erwachsene oft vergessen", fügt Low hinzu. Ihr Unternehmen stellt biologisch abbaubaren Glitter her. Doch ist sie nicht die Einzige, die das glänzende Zeug liebt.

Alles, was glitzert, fasziniert die Menschen - und das schon lange. Der Begriff "Glitter", so wird vermutet, hat seinen Ursprung im altnordischen Wort "glitra", was nichts anderes als "glitzern" bedeutet.

Es glänzte schon in der Urzeit

Steinzeitmenschen zermalmten Glimmer - ein glänzendes Silikat -, um Höhlenmalereien zum Schimmern zu bringen. Die Ägypter mahlten grüne Malachit- oder blaue Lapislazuli-Steine und nutzten das Pulver für schimmernden Lidschatten und sakrale Kunst. Im Jahr 2008 fanden australische Forscher heraus, dass die alten Maya beim Bau ihrer Tempel einen mit Glimmer angereicherten Putz verwendeten, um die Wände im Sonnenlicht zum Glänzen zu bringen.

Sonnenaufgang über einer Maya-Pyramide
Die Maya brachten ihre Tempel mit Glitter-Putz zum LeuchtenBild: Julian Peters/Zoonar/picture alliance

Der moderne Glitter verdankt seine Entstehung dem deutschstämmigen amerikanischen Viehzüchter und Maschinenbauer Henry Ruschmann. In den 1930er-Jahren entwickelte er eine Maschine, mit der er Plastik- und Metallabfälle in winzige, reflektierende Partikel zerschneiden konnte. Der industrielle Glitter war geboren. Später gründete Ruschmann das Unternehmen Meadowbrook Inventions, Inc.. Es ist noch heute am Markt ist und bezeichnet sich selbst als das weltweit führende Glitzerunternehmen. Es stellt unter anderem auch essbaren Glitter her.

Von Glamour...

Glitzer und Popkultur haben eine lange Tradition: Konzerte, Festivals oder Talentshows münden oft in ein glitzerndes Finale. Glitzer schmückte das Gesicht von David Bowies Glam-Rock-Avatar Ziggy Stardust aus den 1970er-Jahren und hat auch Popstars wie Lady Gaga und Lizzo zu Glanz verholfen.

Taylor Swift trägt Glitter im Gesicht
Die US-Künstlerin Taylor Swift mit Glitter im GesichtBild: Jamie Squire/Getty Image

Taylor Swift trug im Oktober 2024 bei einem Spiel der Kansas City Chiefs Glitzer-Sommersprossen. Die Mitbegründerin von Fazit Beauty, Aliett Buttelman, postete später ein TikTok-Video von sich, in dem sie vor Freude über Swifts Entscheidung, ihre Marke zu tragen, schluchzte.

In der Mode ist Glitzer ein fester Bestandteil der maximalistischen Couture - man denke nur an die Jumpsuits der Studio-54-Ära, die Rave-Kleidung der 1990er-Jahre oder die glitzernden Plateaustiefel, die man auf den Laufstegen von Modehäusern wie Gucci und Marc Jacobs sieht.

...und Glitzerbomben

Vielleicht ist die hartnäckige Klebrigkeit von Glitzer der Grund dafür, dass er als "Waffe" beim Glitterbombing eingesetzt wird - bei dem Aktivisten Personen des öffentlichen Lebens mit Glitzer bewerfen, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Zum ersten Mal machte dies in den frühen 2010er Jahren Schlagzeilen, als US-amerikanische Politiker wie Newt Gingrich und Rick Santorum wegen ihrer Haltung zu den Rechten von Homosexuellen mit Glitterbomben beworfen wurden.

Junge Protestierende in Mexiko zerstäuben rosa Glittermehl
Glitter als Protestmittel - hier bei einer Demonstration gegen geschlechtsspezifische Gewalt in Mexiko Bild: Marco Ugarte/AP/picture alliance

In LGBTQ+-Kreisen ist Glitzer oft ein Symbol für Trotz, Freude und unverblümte Selbstdarstellung. Mexiko-Stadt war 2019 Schauplatz der Revolución diamantina oder der "Glitzerrevolution", bei der Aktivistinnen gegen die angebliche Vergewaltigung eines Teenagers durch vier Polizisten protestierten und den Sicherheitschef der Stadt mit rosa Glitter bewarfen.

Im Jahr 2023 unterbrach ein Demonstrant die Rede des britischen Premierministers Sir Keir Starmer auf einem Labour-Parteitag und überschüttete ihn mit Glitzer. Der Protest wurde später von People Demand Democracy, einer Gruppe, die sich für eine Wahlreform einsetzt, für sich beansprucht.

David Bowie 1973 als Ziggy Stardust
Glitter als Verwandlungshilfe: David Bowie 1973 als Ziggy StardustBild: Roger Bamber/United Archives International/imago images

Die dunkle Seite des Glitzerns

Trotz seines verspielten Images hat Glitzer auch seine Schattenseiten. Der größte Teil des handelsüblichen Glitzers ist nichts anderes als Mikroplastik - hergestellt aus PET oder PVC, das mit Aluminium und Farbstoffen beschichtet ist. Diese winzigen Partikel sind zu klein, um bei der Abwasseraufbereitung gefiltert zu werden. Sie landen daher in Flüssen und Ozeanen, wo sie von Plankton, Fischen und sogar Vögeln aufgenommen werden. Sie wandern in der Nahrungskette nach oben - möglicherweise sogar auf unsere Teller.

Innovative Unternehmen haben an umweltfreundlichen Alternativen gearbeitet. So gibt es mittlerweile Glitter auf Zellulosebasis, das etwa aus Eukalyptus oder anderen pflanzlichen Materialien hergestellt wird, das sich natürlich abbaut und keine Gefahr für die Tierwelt darstellt.

Glitzer ohne Schuldgefühle

Diesen Weg beschritt auch die gebürtige Malaysierin Jeen Low, als sie ihr Projekt Glitter, ein in Berlin ansässiges Unternehmen für umweltfreundlichen Glitter, gründete. Dabei stand sie vor der Herausforderung, die Menschen darüber aufzuklären, warum diese Art von Glitter deutlich mehr kostet.

Zwischen drei Glaskanülen liegt ein Häufchen plastikfreier Glitzer
Auf dem Vormarsch? Plastikfreier Glitter der Berliner Firma Projekt GlitterBild: Projekt Glitter

"Aber ich habe festgestellt, dass Menschen, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt, den Wert verstanden haben", sagt Low der DW. "Viele Kunden haben mir im Laufe der Jahre gesagt, dass sie wegen der Umweltauswirkungen gar keinen Glitzer mehr verwenden und sich freuen, eine Alternative zu finden." Nach dem EU-Verbot von Mikroplastik müsse sie sich eigentlich nicht mehr rechtfertigen. "Aber es überrascht mich immer noch, wie viele Leute nicht wissen, dass es biologisch abbaubaren Glitter überhaupt gibt."

Der Anteil an Plastik in ihren Produkten variiert. Ihr Hauptglitter 'Sparkle' sei zu 94 Prozent plastikfrei, sagt Low, während ihre Perlglitzerserie komplett ohne Plastik auskomme. Einziger Nachteil: "Er reflektiert etwas weniger, da er keine Aluminiumkomponente hat." Doch auch das soll sich noch ändern. Bis zum Jahresende will das Unternehmen komplett plastikfrei produzieren – ohne Abstriche beim Glanz.

Aus dem Englischen adaptiert von Stefan Dege