Gezeichnete Stadt - Berlin in Bildern von 1945 bis heute
Viele KünstlerInnen haben Berlin, die von ihrer Geschichte geprägte Großstadt, bildlich dargestellt. Die Berlinische Galerie zeigt Werke aus ihrer Sammlung.
"Gezeichnete Stadt"
Die deutsche Hauptstadt Berlin ist gezeichnet von ihrer Geschichte, von Kriegen und Teilung, Monarchie, Demokratie und Diktatur. "Gezeichnete Stadt" nennt die Berlinische Galerie doppelsinnig ihre Ausstellung von 175 Werken aus ihrer Sammlung. Arbeiten auf Papier von 22 Künstlerinnen und 47 Künstlern, die sich in den letzten 75 Jahren ganz unterschiedlich mit der Stadt auseinandergesetzt haben.
"Trümmer", 1947
"Traum in Trümmern", so nennt die Galerie das erste Kapitel ihrer Schau von Zeichnungen, Drucken und Grafiken. Werner Heldts Tuschzeichnung aus dem Jahr 1947 ist das früheste Bild zu diesem Thema. Die ehemalige Reichshauptstadt Berlin war 1945 eine Trümmerstadt, auf deren Zustand Künstler wie Heldt reagierten. Seine modernistischen Tuschzeichnungen zeigen Mietskasernen, Brandmauern, Trümmer.
"Kennedy in Berlin", 1964
Auch die Farblithografie des Pop-Art-Künstlers Thomas Bayrle gehört in dieses erste Kapitel. Durch die innerstädtische Teilung wurde Berlin zur Schaubühne der Weltpolitik. Der Besuch des US-Präsidenten John F. Kennedy 1963, bei dem er das Publikum mit seinem berühmt gewordenen Satz "Ich bin ein Berliner" begeisterte, war für Bayrle Anlass, das Großspektakel künstlerisch zu reflektieren.
"Betonstuhl als Sprungschanze", 1976
Wolf Vostell hat einen 5-teiligen Zyklus "Berliner Stadtlandschaften" geschaffen. "Betonstuhl als Sprungschanze" gehört als viertes Blatt in diese Serie. In der Ausstellung ist es das jüngste Werk zum Thema "Traum in Trümmern". Auch in seinen Arbeiten ist das beklemmende Gefühl psychischer und physischer Isolation auf einer vom Land umringten Insel zu spüren.
"La Belle", 2015
Tal Rs kleinformatige Buntstiftzeichnung auf bemaltem Papier ist Teil seiner Serie "Babylonia". In der Ausstellung haben die Kuratoren sie unter das Kapitel "Urbane Biotope" geordnet. Der dänisch-israelische Künstler Tal R (Tal Shlomo Rosenzweig, geb. 1967) hat in dieser Serie Eingänge zu Sex-Etablissements festgehalten - zeichnerische Dokumentation des großstädtischen Wohn- und Lebensumfeldes.
"Walking", 1969/'70
"Subjektive Topografie", das dritte Ausstellungsthema, ist zu erkennen in KP (Klaus Peter) Brehmers Videofilmen aus der Zeit der Ost-West-Teilung. In der Ausstellung ist ein Filmstill aus "Walking No. 1-6" zu sehen, mit dem der 1938 geborene (1997 verstorbene) Künstler seine gehende Bewegung aufzeichnete und so West-Berlin erforschte - eine Form der subjektiven Kartografierung.
"Maps of Berlin 2/10", 2013/14
Auch Theresa Lükenwerk, geb. 1962, hat sich mit Kartierung als dem Versuch, den Raum zu ordnen, beschäftigt. Ausgangspunkt dafür ist menschliches Denken in Strukturen, wobei das Dargestellte immer Projektion bleibt - "Subjektive Topografie". In ihrer Serie von Linolschnitten, "Maps of Berlin", reflektiert die in Berlin lebende Künstlerin den Umgang mit digitaler Wegbeschreibung.
"Schloß Charlottenburg Berlin", 1991
Susanne Mahlmeister (1952-2000) löst aus Stadtplänen den Grundriss prominenter Gebäude als abstrakte Gestalt heraus, um sie anschließend wie in ihrem Siebdruck "Schloß Charlottenburg Berlin" in starker Vergrößerung und Farbigkeit über die graue Struktur des Stadtplans zu legen: experimentelle Untersuchungen zu Maß, Form und Raum, die unter dem Thema "Architektur - Struktur" ausgestellt sind.
"Palast I-VI", 2005
Tacita Dean, geboren 1965 in Canterbury, England, lebt und arbeitet in Berlin und Los Angeles. Auch ihre Fotogravüren "Palast I-VI" setzen sich mit der Architektur und den Berliner Strukturen auseinander. Zu erkennen ist das Spiegelbild des Berliner Doms in der Fassade des ehemaligen DDR-Repräsentationsbaus "Palast der Republik". Der "Palast" wurde nach großer Debatte 2006 abgerissen.
"Wege der Ameisen", 1985
Was ist Natur in der Stadt, und auf welche Weise lässt sie sich zeichnerisch erforschen? In ihrer Bleistiftzeichnung "Wege der Ameisen" hat Katharina Meldner, geb. 1943, den Weg von Ameisen auf Futtersuche vom Nest bis auf ihr Papier verfolgt. Das Ausstellungskapitel "Natur unter Beobachtung" erforscht das Spannungsfeld zwischen idealisierter Naturvorstellung und "künstlicher" urbaner Natur.
"Mira", 1972
Die Darstellung der in Berlin lebenden und handelnden Menschen ist das abschließende große Thema der "Gezeichneten Stadt", gezeigt im Kapitel "Großstadtpersonal". Die schon in der Weimarer Zeit aktive und von den Nazis verfolgte lesbische Künstlerin Gertrude Sandmann (1893-1981) überführte in ihren Pastellen und Zeichnungen das Bild der Großstädterin aus den 1920er-Jahren in die Siebziger.
"Ich vergesse immer, was ich vergessen wollte", 2002
Die Kunstwerke im Kapitel "Großstadtpersonal" zeigen Porträts zwischen klischeehafter Typisierung und humorvoller Groteske. Antje Dorns (geb. 1964) Schrift-Bild-Kombinationen variieren Irrwege menschlicher Kommunikation rund um das Thema Erinnern und Vergessen. Dieses Blatt gehört zu einer Serie von 32 Kohlezeichnungen auf Sperrholz, betitelt "Wood". Die Ausstellung ist bis 4.1.2021 zu sehen.