Gewalt bedroht Nachkriegs-Ordnung im Kosovo
20. August 2003Bonn, 20.8.2003, DW-radio, Adelheid Feilcke-Tiemann
Die Nachrichten über gewaltsame Zwischenfälle, Anschläge und Morde im Kosovo reißen nicht ab: Vor zwei Wochen kam ein indischer UN-Polizist im Kosovo ums Leben, vergangenen Mittwoch (13.8.) machte der Tod zweier Jugendlicher Schlagzeilen, die an einem Fluss badeten, als ein Heckenschütze auf sie feuerte. Auch von mehreren Explosionen wird berichtet. Ist es kein Zufall, dass die Gewalt im Kosovo gerade in den letzten Wochen zugenommen hat, da der Posten des Chefs der UN-Verwaltung vorübergehend leer ist? Der Deutsche Michael Steiner ist gegangen, und der genaue Antrittstermin seines finnischen Nachfolgers Harri Holkeri ist noch immer ungewiss. Kosovo am Scheideweg? Adelheid Feilcke-Tiemann kommentiert.
Seit einigen Wochen macht Kosovo wieder Negativ-Schlagzeilen: Zusammenstöße, Tote, Verletzte. Und die Gewalt erreicht neue Dimensionen: Jugendliche beim Schwimmen erschossen, erstmals ein UN-Polizist ermordet. Fast jeden Tag Nachrichten mit der gleichen Botschaft: Das Zusammenleben zwischen Serben und Albanern funktioniert nicht, die internationale Präsenz wird der Lage nicht Herr. Was ist los im Kosovo und woher kommt gerade jetzt diese Eskalation?
Vier Jahre nach Kriegsende steht Kosovo vor einschneidenden Entwicklungen: Ein direkter Dialog zwischen Belgrad und Prishtina ist beschlossene Sache und soll so schnell wie möglich beginnen. Und bald danach soll auch die offene Status-Frage auf die Agenda kommen. Gleichzeitig ist an der Spitze der UN-Verwaltung seit Wochen eine Art Macht-Vakuum: Nach langem Gezerre auf weltpolitischer Ebene ist mit dem ehemaligen finnischen Premier Harri Holkeri zwar ein allseits akzeptierter neuer Chefadministrator gefunden worden, doch noch immer ist der - mit Ausnahme einer kurzen Stipp-Visite - nicht im Kosovo angekommen.
Vor diesem Hintergrund gehen die Beteiligten in Prishtina und Belgrad mit ihren bekannten - unvereinbaren - Forderungen in Stellung: Serbiens Spitzenpolitiker erneuern auf internationalem Parkett lautstark ihren Anspruch auf die Region. Und die kosovarischen Regierungspolitiker verlangen ihrerseits, als demokratisch legitimierte Vertreter endlich Gehör zu finden für ein Kosovo eigener staatlich-politischer Identität.
Soweit ist das Szenario klar und politisch durchaus legitim. Fatal und inakzeptal sind dabei aber die gezielten Störmanöver der Extremisten, die versuchen, aus dieser politischen Umbruchs- und Aufbruchs-Phase durch Anschläge und Morde Kapital zu schlagen. Das Muster ist aus Kosovo und anderen ex-jugoslawischen Konflikt-Regionen hinlänglich bekannt: Ziel dieser Extremisten ist es, in der Region und international Verunsicherung über die derzeitige Politik zu schüren, die Verantwortlichen zu diskreditieren und die Lage zu destabilisieren.
Terror und Gewalt muss mit polizeilichen Mitteln unterbunden werden. Doch die Politik ist in der Verantwortung, dem Extremismus den Nährboden zu entziehen und ihn nicht für eigene Interessen zu missbrauchen. Politische Stimmungsmache und unbegründete Schuldzuweisung schürt Rache und Hass und schraubt an der Gewaltspirale. "Versöhnung über den Gräbern" - so lautet das Motto der Kriegsgräber-Fürsorge. Und dies ist, was auch Kosovo braucht. Demonstrative und gemeinschaftliche Aktionen gegen Gewalt und Extremismus sollten ebenso dazu gehören wie das Einhalten der von den Vereinten Nationen vorgegebenen Regeln.
Der designierte UN-Verwalter Harri Holkeri sollte deshalb so schnell wie möglich das Heft in die Hand nehmen. Er muss mit den konstruktiven Kräften wieder den Primat der Politik durchzusetzen, um den mühsamen, aber durchaus möglichen Befriedungsprozess Kosovos weiter voranzubringen. Mit Klarheit in den Strukturen, Verantwortlichkeiten und bei den Zeitplänen kann er sein umfassendes UN-Mandat wirkungsvoll nutzen, um Kosovo in eine bessere und sichere Zukunft für alle seine Einwohner zu führen. (MK)