Germany Athletics - Revolution der deutschen Leichtathletik?
19. August 2025"Meine Vision ist es, dass wir spätestens in zehn Jahren bei Leichtathletik-Veranstaltungen in Deutschland Fanklubs auf den Rängen haben", sagt Claus Dethloff im DW-Interview und erklärt: "Diese Fans identifizieren sich mit ihrem Verein, haben Spaß am Unterhaltungswert der Leichtathletik."
Genau das fehle aktuell oft, so der ehemalige Weltklasse-Hammerwerfer. Dethloff schmerzt die aktuelle Situation der Leichtathletik, aber er hat einen Plan: Er möchte "seinen" Sport revolutionieren und auf ein neues Level hieven - sportlich, aber auch gesellschaftlich.
Deutschland soll wieder Top-Nation werden
Langfristig soll sein Projekt "Germany Athletics" dafür sorgen, dass deutsche Athletinnen und -Athleten im internationalen Vergleich wieder konkurrenzfähig werden und wieder mehr Geld in den Sport statt in bürokratische Strukturen fließt. Es sei Konsens, so Dethloff, "dass es eine hohe Unzufriedenheit gibt und wir im internationalen Wettbewerb in der Leichtathletik zunehmend den Anschluss verlieren oder bereits verloren haben."
Es fehle oft eine Professionalisierung auf den Managementebenen, mahnt der 56-Jährige. Das soll sich nun ändern. Dafür investiert der ehemalige Spitzensportler und heutige Unternehmer seit einigen Jahren reichlich Zeit und vor allem viel Eigenkapital in seine Vision.
Vier Säulen für den Erfolg
Seit der Gründung des ersten Vereins "Cologne Athletics" vor vier Jahren, gibt es unter der Dachmarke "Germany Athletics" mittlerweile weitere Franchises, zum Beispiel in Düsseldorf (2022), München, Frankfurt (beide 2024) und Berlin (2025).
Zentrale erste Säule des Konzepts bildet der Schulsport. "Die Schulsportoffensive beinhaltet attraktive Schulsportveranstaltungen oder Schulkooperationen", sagt Dethloff. "Wir wollen die Lehrkräfte als Multiplikatoren gewinnen."
Die zweite Säule konzentriert sich auf Trainerinnen und Trainer, denn hier reiche die Qualität oft nicht aus und müsse verbessert werden. Mit der dritten Säule seines Konzeptes möchte Dethloff Leichtathletik-Events für die Zuschauer attraktiver machen und so neue Sponsoren gewinnen.
"Die vierte Säule ist die bedarfsorientierte Athletenförderung", so Dethloff. "Wir konzentrieren uns auf diejenigen, die aus dem klassischen Fördersystem herausfallen oder gar nicht erst reinkommen und unterstützen diese Sportlerinnen und Sportler dementsprechend."
Maduka: "Ein rundum gutes Angebot"
Immer mehr Top-Athletinnen und -Athleten schließen sich dem Franchise-System des Unternehmers an. Unter anderem sind der Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre, Top-Sprinterin Alexandra Burghardt, die Hochspringer Tobias Potye und Imke Onnen zu "Germany Athletics" gewechselt. Auch Dreispringerin Jessie Maduka hat ihren Verein verlassen und sich gemeinsam mit ihrem Trainer der neuen Marke angeschlossen.
"Ich wollte primär bei meinem Trainer bleiben, weil wir schon so lange ein eingespieltes Team sind", erklärt die 29-Jährige ihren Wechsel im DW-Interview. Zudem habe aber auch die finanzielle Förderung gepasst. Es sei ein rundum gutes Angebot gewesen, so die Sportlerin.
Dethloff bringt durch seine Ideen vor allem etablierte Leichtathletik-Vereine in Bedrängnis und erntet Kritik. "Konkurrenz kann produktiv sein - wenn sie fair ist", sagt Julia Riedl von der LG Stadtwerke München. "In diesem Fall erleben wir jedoch ein Modell, das versucht, sich einen Vorsprung durch den Zugriff auf bereits fertig entwickelte Athleten und Athletinnen zu verschaffen."
Die Reaktion des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) ist dagegen positiv: "Wir freuen uns sehr über jedes Engagement für die Leichtathletik und alle Ideen, die den Sport voranbringen und langfristig helfen", sagte Idriss Gonschinska, DLV-Vorstandsvorsitzender gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Ein "Stressfaktor" weniger
Dethloffs Konzept bietet den Sportlerinnen und Sportlern eine monatliche finanzielle Unterstützung, ein Prämiensystem für erbrachte Leistungen oder etwa Antrittsgelder. Das ist bei den etablierten Vereinen oft nicht der Fall, denn in Deutschland kommt in der Regel nur die Sport-Elite in den Genuss einer finanziellen Förderung oder von Sponsorengeldern - bei "Germany Athletics" ist das hingegen anders.
"Das hilft enorm, weil es ein riesiger Stressfaktor ist, wenn man sich ständig darüber Gedanken machen muss, wie man jetzt seine ganzen Fixkosten bezahlt", so Maduka. "Und wenn man einen starken Sponsor im Rücken hat, gibt einem das einfach auch einen gewissen Rückhalt."
Trainerinnen und Trainer haben mehr Sicherheit
Zudem investiert "Germany Athletics" auch in Trainerinnen und Trainer und bietet ihnen eine berufliche Perspektive sowie finanzielle Sicherheiten. Das wiederum kommt am Ende auch Sportlerinnen wie Dreispringerin Maduka zu Gute, denn die kann so gemeinsam mit ihrem Trainer nun besser planen.
"Es war vorher nicht immer klar, ob mein Trainer die Möglichkeit hat, mich im Trainingslager zu betreuen, weil der natürlich auch seinen Lebensunterhalt finanzieren musste", sagt Maduka der DW. "Mein Trainer kann jetzt mit zu Wettkämpfen oder ins Trainingslager fahren."
Sportliche Verbesserungen
Das "System Dethloff" scheint zu funktionieren, zumindest sind seine Athletinnen und Athleten regelmäßig bei Meisterschaft in der Spitze dabei, viele konnten sich in kurzer Zeit verbessern.
"Jessie Maduka war vor zwei Jahren in keinem Bundeskader, war in keinem Fördersystem drin. Genauso wie Läufer Mohamed Abdilaahi, der bis vor kurzem auch in keinem Bundeskader war", freut sich Dethloff über die Entwicklung.
Abdilaahi hatte beim Diamond-League-Meeting in Monaco in diesem Sommer den fast 28 Jahre alten deutschen Rekord von Olympiasieger Dieter Baumann über 5000 Meter gebrochen.
Dethloff: "Brauchen einfach mehr Unterhaltungswert"
Doch wie finanziert sich das "System Dethloff"? In der Anfangszeit war der Unternehmer laut eigener Aussage selbst sein größter Sponsor, doch das soll sich in den kommenden Jahren nun ändern.
"Wenn wir das System nachhaltig entwickeln wollen, dann muss das eben auch finanziell nachhaltig sein", erklärt der 56-Jährige. Dafür, so Dethloff, wolle man die mediale Präsenz der Leichtathletik vergrößern - eine Idee könnte eine regelmäßig stattfindende Leichtathletik-Liga sein.
"Wir brauchen einfach mehr Unterhaltungswert, so dass wir mehr Publikum bekommen und Fans, die einfach Lust und Spaß haben, sich das anzuschauen." Auf diese Weise könnten auch mehr Geldmittel generiert werden, so Dethloff.
Kooperation mit VAE sorgt für mehr Möglichkeiten
Man brauche das Geld aus der Wirtschaft und von Sponsoren, die "Germany Athletics" zwar bereits gewinnen konnte, doch es müsse noch mehr Geldgeber geben, sagt Dethloff der DW. Eine Vereinbarung sorgt indes immer wieder für Kritik.
"Wir haben eine Kooperation mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Und es werden auch noch ein, zwei weitere Länder aus diesem Raum dazukommen", sagt Dethloff, betont aber: "Das ist eine Kooperation, die vornehmlich der Förderung von Sportlerinnen und Sportler zu Gute kommt."
In den Emiraten, Katar und Saudi-Arabien finden regelmäßig internationale Leichtathletik-Meetings statt, zum Beispiel die Diamond League in Doha. An diesen Veranstaltungen könnten dank der Partnerschaft dann auch solche Athletinnen und Athleten von "Germany Athletics" teilnehmen, die über ihren Kaderstatus oder ihre Position in der Weltrangliste eigentlich (noch) nicht die nötige sportliche Qualifikation dafür besitzen.
"Wir wollen es unseren Sportlern ermöglichen, dass sie zum Beispiel auch ohne Kaderstatus bei solchen Meetings an den Start gehen dürfen", erläutert Dethloff.