Milliarden fürs Klima: Der überraschende Erfolg der Grünen
18. März 2025Die Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Leipzig, Paula Piechotta, gilt als streitbar und angriffslustig. Gerade haben sich die drei wohl künftigen Regierungsparteien aus Deutschland, CDU, CSU und SPD, mit den auf ein riesiges Investitionspaket von 500 Milliarden Euro geeinigt. Jetzt sagte die Ärztin aus der sächsischen Metropole der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ), so einflussreich wie gerade sei eine Oppositionspartei noch nie gewesen. Und sie fügte hinzu: "Die Kleine Koalition wird eine Regierung von Grünen Gnaden, und das ist bitter. Wenn Friedrich Merz ähnlich schlecht und kurzsichtig international verhandelt, wie er hier verhandelt hat, dann Gnade uns Gott."
Merz kommt den Grünen sehr weit entgegen
In diesen wenigen Sätzen stecken gleich mehrere Boshaftigkeiten: Eigentlich heißen Regierungsbündnisse von Konservativen (CDU und CSU) mit Sozialdemokraten (SPD) in Deutschland Große Koalitionen, aber es stimmt: Früher waren beide Gruppen deutlich stärker. Und, viel wichtiger: Tatsächlich ist der wahrscheinliche neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) den Grünen sehr weit entgegengekommen, um seinen ehrgeizigen Plan mit den vielen Milliarden Euro an Investitionen auf den Weg zu bringen. Gleich zu Beginn, eigentlich sogar vor Beginn seiner Amtszeit. Denn ohne die Grünen, die bei der Bundestagswahl Prozentpunkte verloren haben, geht der Plan nicht auf.
Zwei-Drittel-Mehrheit nur im "alten" Parlament
Neue Schulden in Höhe von 500 Milliarden für die Infrastruktur und weitere Milliarden in vielleicht gleicher Höhe für die Bundeswehr - solche weitreichenden Entscheidungen kann der Bundestag nicht einfach so beschließen. In Deutschland gelten strenge Regeln für die Verschuldung, im Parlament muss deshalb eine Zwei-Drittel-Mehrheit dem Paket zustimmen. Die ist aber nur im alten Bundestag möglich, nicht im neuen, der am 23. Februar gewählt wurde.
Der alte Bundestag kann aber noch so lange zusammentreten, bis der neue sich konstituiert hat, was erst am 25. März, in der kommenden Woche also, erfolgen soll. Und in diesem neuen Bundestag ist die teilweise rechtsextreme "Alternative für Deutschland" (AfD) zusammen mit den Linken so stark, dass sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit verhindern können. Nicht so im alten. Deshalb traf sich das alte Parlament noch einmal, und die Union aus CDU und CSU und die SPD nahmen die Stimmen der Grünen dankbar entgegen, die dafür satte 100 Milliarden Euro nur für den Klimaschutz gefordert hatten. Die nun bei den neuen Krediten für Infrastrukturprojekte auftauchen.
Hat der Klimaschutz jetzt Verfassungsrang?
Und noch mehr: Im Text der Änderung des Grundgesetzes heißt es nun, das geplante Sondervermögen von 500 Milliarden Euro stehe für "Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045". Die haben Bundestag und Bundesrat zwar schon zuvor beschlossen, aber erhält die Klimaneutralität jetzt Verfassungsrang? Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo Di Fabio, widerspricht. Er sagt: "Daraus ergibt sich kein Staatsziel, wie wir es kennen mit dem Sozialstaats-Ziel."
Dennoch sind nicht wenige Politiker vor allem von CDU und CSU in Sorge, dass Merz den Grünen hier zu weit entgegengekommen ist. Und auch die FDP, die im neuen Bundestag nicht mehr dabei ist, hält dagegen. Wolfgang Kubicki, Noch-Vizepräsident des Bundestages, sagte der Zeitung "Welt": "Ich bin Anwalt. Es wird eine Vielzahl von Klagen geben mit der Begründung, diese Investitionen würden dem Klimaschutzziel 2045 entgegenstehen. Die Beweislast liegt dann beim Staat. Das wird schwierig werden."
Der alten Regierung fehlte das Geld für den Klimaschutz
Die Grünen feiern derweil einen großen Sieg, vielleicht den größten, seitdem sie im Herbst 2021 zusammen mit den Liberalen von der FDP und der SPD an die Macht kamen. Bei der Neuwahl der Bundestages am 23. Februar hatten sie mit 11,6 Prozent ein enttäuschendes Ergebnis eingefahren. Dabei hatten sie sich beim Start der alten Regierung, im Herbst 2021, eigentlich vorgenommen, viele Milliarden Euro in den Klimaschutz zu stecken. Aber der Plan, dafür Gelder aus einem Fonds aus der Corona-Zeit umzuwidmen, damals gedacht unter anderem für Wirtschaftshilfen, scheiterte am Bundesverfassungsgericht.
Von einem Tag auf den anderen war im Herbst 2023 kein Geld mehr da für die ehrgeizigen Pläne. Auch daran scheiterte die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP. Zurzeit sind die fünf Ministerinnen und Minister der Grünen zwar noch geschäftsführend im Amt, aber nur so lange, bis Merz zum neuen Bundeskanzler gewählt wird, was er rund um Ostern herum plant.
Haßelmann: "Merz hat neue Schulden bislang abgelehnt"
Am Dienstag im Bundestag erinnerte die Fraktionschefin der Grünen, Britta Haßelmann, dann daran, dass CDU-Chef Friedrich Merz stets gegen neue Schulden gewesen und erst nach der Wahl im Februar umgeschwenkt sei: "Dass wir in den Klimaschutz investieren, weil das Zukunft bedeutet: All das haben Sie kategorisch abgelehnt. Und das mit einer solchen Überheblichkeit und einem solchen Populismus, das einem schlecht wird." Dennoch sei das neue Schuldenpaket in der Sache richtig.
Dem neuen Riesen-Paket für Investitionen muss jetzt noch am Freitag dieser Woche der Bundesrat zustimmen. Die geplante neue Regierung von Konservativen und Sozialdemokraten will außerdem die Schuldenregel des Grundgesetzes so verändern, dass weitere Milliarden für die Aufrüstung der Bundeswehr frei werden. Auch dafür wurden am Dienstag die Stimmen der Grünen gebraucht. Und auch hier stimmten die Grünen zu.