Geheimdienstaffäre könnte deutsch-bulgarische Beziehungen belasten
23. Oktober 2003Bonn, 23.10.2003, DW-radio / Bulgarisch, Marinela Liptcheva-Weiss
Am 10. Oktober 2003 ist ein 64-jähriger Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) in seiner Münchner Wohnung verhaftet worden. Der Mann hatte als Auswerter im Balkan-Referat des BND gearbeitet. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt ihn, seit 1999 geheime Unterlagen an eine Mitarbeiterin des bulgarischen Nachrichtendienstes weitergegeben zu haben. Die Frau, die seit Jahren als offizielle Verbindungsperson des bulgarischen Nachrichtendienstes zum BND in München residierte, ist nach Sofia zurückbeordert worden. Über die Auswirkungen dieser Spionageaffäre sprach Marinela Liptcheva-Weiss mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der deutsch-bulgarischen Parlamentariergruppe Michael Stübgen.
(Frage)
Würde dieser Fall die deutsch-bulgarischen Beziehungen belasten? Welche Konsequenzen könnte er für die zukünftige NATO- und EU-Mitgliedschaft Bulgariens haben?Michael Stübgen (CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Vorsitzender der deutsch-bulgarischen Parlamentariergruppe):
Wenn der Fall sich so zugetragen hat, wie er in den deutschen Medien, zum Beispiel im "Spiegel" am 17. Oktober und in der "Berliner Zeitung" am 22. Oktober dargestellt worden ist, würde das ein Tatbestand sein, den die Bundesrepublik Deutschland nicht akzeptieren kann. Es würde mit Sicherheit auch die bisher großartigen Beziehungen zwischen Deutschland und Bulgarien belasten.Allerdings muss ich als zweites dazu sagen, dass die Information, die ich bisher im wesentlichen aus den Medien über den Fall habe, in verschiedenen Bereichen sehr seltsam sind. Also, ich kann sie schwer nachvollziehen. Ich kann mir zum Beispiel schwer vorstellen, warum der bulgarische Geheimdienst als befreundeter Geheimdienst Informationen illegal vom Bundesnachrichtendienst (BND) besorgt haben soll, die er auch so im Austausch bekommen würde und auch bekommen hätte. Das geht mir nicht so ganz ein.
Ich halte es für sehr wichtig, dass dieser Fall sowohl auf deutscher Seite, was den involvierten deutschen BND-Mitarbeiter betrifft, aber auch auf bulgarischer Seite, was die bulgarische Mitarbeiterin des bulgarischen Geheimdienstes betrifft einschließlich dem dortigen Geheimdienst, geklärt wird und offen gelegt wird. Denn ein langes Schwelen dieses Konfliktes halte ich für sehr gefährlich.
Direkte Auswirkungen auf die Zielsetzungen Bulgariens, NATO-Mitglied und EU-Mitglied zu werden, sehe ich im Moment nicht. Aber der Fall, wenn das Krisenmanagement nicht gut und transparent ist, könnte sich auswirken.
(Frage)
Wie läuft das Krisenmanagement in so einem Fall? Setzen sich die Vertreter der beiden Geheimdienste zusammen? Oder regeln das die beiden Regierungen?(Michael Stübgen)
Also, ich erwarte von der deutschen Bundesregierung, dass sie sehr schnell Licht in das Dunkel bringt des Umfelds dieses Mitarbeiters, der die Informationen weitergegeben haben soll und auf frischer Tat ertappt worden ist, was seine Beweggründe waren, was er konkret getan hat und in welchem Auftrag er gehandelt hat. Für die bulgarische Regierung halte ich es für wichtig, dass sehr bald geklärt wird, in welchem Auftragssystem diese Agentin gestanden hat, ob sie wirklich im Auftrag des bulgarischen Geheimdienstes letztlich mit Rückendeckung der Regierung oder bestimmter Regierungskreise gehandelt hat, oder ob – was ich fast hoffe als Freund Bulgariens – dort bestimmte Persönlichkeiten mehr oder weniger auf Eigeninitiative Dinge getan haben, die weder im Interesse der bulgarischen Regierung liegen, der bulgarischen Politik, noch in deren Auftrag. Nur, dies muss sehr bald geklärt werden. Und persönliche Verantwortlichkeiten müssen dort auch aufgeklärt werden.Ich möchte dazu auch sagen, ich weiß, dass es in Bulgarien auch eine innenpolitische Debatte gibt über die Einsetzung von ehemaligen Staatssicherheitsbeamten jetzt im neuen Geheimdienst Bulgariens.
(Frage)
Ihr Kommentar dazu?(Michael Stübgen)
Ich will mich in die Debatte nicht einmischen, denn wir hatten sie in Deutschland auch vor einigen Jahren. Nur, ich habe meine Position in Deutschland auch immer klar gemacht, dass die Einbindung solcher ehemaliger Stasi-Mitarbeiter in den neuen Geheimdienst nur in absoluten Ausnahmefällen begründbar ist und grundsätzlich nicht stattfinden sollte. Die Debatte findet öffentlich in Bulgarien statt und wird dort auch zu einem Ergebnis kommen.Möglicherweise zeigt sich ja, dass der eine oder andere Mitarbeiter – das ist in Deutschland beim BND auch schon vorgekommen, schon vor mehreren Jahren – auf Eigeninitiative Dinge getan hat, die letztlich nicht im Interesse des bulgarischen Staates stehen. Und dies müsste aber sehr bald geklärt werden. (me)