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Gegen die Mauer

Frank Sieren25. Februar 2014

Nirgendwo sonst verdienen deutsche Autobauer so viel wie im Reich der Mitte - doch die Konzentration auf China birgt auch viele Risiken, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Volkswagen China
Bild: picture-alliance/dpa

Rush Hour! Kaum etwas strapaziert die Nerven der Menschen in Peking so sehr wie der tägliche Verkehrsinfarkt zum Feierabend. Auf 20 Millionen Einwohner kommen mittlerweile sechs Millionen Autos. Nicht nur, dass die Pendler in den verstopften Straßen stehen. Die ohnehin schon schlechte Luft ist dann noch schlechter. Wenn überhaupt noch jemand daran etwas Positives sehen kann, dann die deutschen Automanager. Denn sie wissen, auch im Stau sind Audi, BMW oder Mercedes als eine Art Wohnzimmer immer noch spitze.

Deutsche Autos prägen den Stau. Links und rechts ist man von zwei VWs eingequetscht, vorne macht ein BMW die Weiterfahrt unmöglich, hinten drückt eine junge Frau auf die Hupe ihres neuen Porsche Cayenne und auf dem Seitenstreifen zieht mit Blaulicht eine Kolonne von schwarzen Regierungs-Audis vorbei. Fast jedes vierte Auto, das im bevölkerungsreichsten Land der Erde verkauft wird, ist ein deutsches Auto. Deutschlands Autobauer machen hier ein Jahrhundertgeschäft.

Chinas Marktmacht

China ist der größte Automarkt der Welt. Knapp 18 Millionen Fahrzeuge wurden dort im vergangen Jahr verkauft. Zum Vergleich: in Deutschland waren es etwa drei Millionen, Tendenz leicht fallend. In China wächst er zweistellig. Mit Ausnahme von Mercedes verkaufen alle deutschen Marken in China mittlerweile mehr als im Heimatmarkt. Allerdings: Dieser Boom ist Fluch und Segen zugleich.

Beispiel VW: Zwar liegen die Wolfsburger auch in Deutschland an der Spitze. Allerdings verkaufen sie bereits heute vier Mal mehr Autos in China, als auf dem heimischen Markt. Die Prognosen sind eindeutig: Bis 2020 will der Konzern in China rund 16 Millionen Autos pro Jahr verkaufen. Damit ist der Konzern abhängig vom chinesischen Markt, einem Markt, in dem der Staat alle Zügel in der Hand hält.

Quoten für Neuzulassungen

Und der Staat zieht die Zügel schon an. In Peking hat man den Kampf gegen das Verkehrschaos längst aufgenommen, etwa mit strengen Quoten für die Zulassung von Neuwagen. Die Anzahl der erlaubten Neuzulassungen wurde auf 150.000 pro Monat begrenzt. Jeden Monat melden sich allerdings zehnmal so viele Menschen an, um ein Auto zu kaufen. Da hilft nur ein Losverfahren. Als die Zahl der erlaubten Neuzulassungen bekannt gegeben wurde, verloren die Aktien der Autobauer erst einmal ordentlich an Wert. Und da sich auch im Rest des Landes langsam durchsetzt, dass China nicht unter Dauernebel, sondern giftigem Smog leidet, werden auch viele andere Millionenstädte bald beginnen, einen Teil der Autos zu verbannen. Zudem wird die Regierung natürlich früher oder später eigene Marken fördern. Dann wird es vor allem im unteren und mittleren Segment eng.

Frank Sieren, DW-Kolumnist
Bild: Frank Sieren

Dennoch war es richtig für die deutsche n Autohersteller so früh einzusteigen. Auch, um den Preis, dass die Deutschen gezwungen waren, ihre Produktion als Joint-Venture gemeinsam mit den Chinesen zu betreiben. An jedem deutschen Auto, das in China gebaut wird, verdient China seitdem mit. Zudem bekommt China Zugang zu Technologie. Genauer: China tauscht Marktanteile und bekommt dafür neue Technologie. Und natürlich denkt sich die chinesische Seite: Warum nur bei den Deutschen mitverdienen, wenn wir auch den ganzen Kuchen haben können?

Statussymbol "made in Germany"

Dass das Autobauen nicht so einfach ist, mussten die Chinesen in den letzten Jahrzehnten einsehen. Inzwischen haben sie jedoch ihre Fehler gemacht, die Lernkurve steigt rapide an. Der Qualitätssprung, den Chinas eigene Autobauer in den vergangenen Jahren zu verzeichnen haben, ist beeindruckend. Und ginge es beim Autokauf nicht auch um Emotionen, würden noch mehr Chinesen hinter einem chinesischen Lenkrad sitzen, vor allem in der unteren Mittelklasse. Sie benutzen die Autos sowieso nur im Schritttempo im Berufsverkehr und um einmal im Monat bei Stop-and-go ins Grüne zu fahren. Dass sich deutsche Autos weiterhin so gut in China verkaufen, liegt gar nicht mal so sehr am „Vorsprung durch Technik“, wie es bei Audi heißt, sondern am Image. Ein deutsches Auto, das ist in China ein Statussymbol.

Mit unsaubere Kampagnen ist zu rechnen

Dass Peking im Zweifelsfall bereit ist, diesen guten Ruf auch mit unsauberen Mitteln zu zerstören, konnte man erstmals vor einem Jahr erleben. Da strahlte das Staatsfernsehen einen Bericht aus, der behauptete, deutsche Oberklassewagen würden im Innenraum stinken. Giftige Dämmstoffe seien der Grund. Die Deutschen widerlegten den Bericht zwar schnell, und so richtig wollten die meisten Chinesen auch nicht glauben, was sie da im Fernsehen über ihre Lieblingsautos aufgetischt bekamen. Trotzdem sollte das Manöver deutschen Automanagern eine Warnung sein. Sie haben es in China mit einem Partner zu tun, der verständlicherweise ganz eigene Interessen verfolgt. In den USA sind amerikanische Autos führend. In Japan japanische, in Deutschland deutsche, warum sollte das ausgerechnet in China anders sein?