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Gedenken und Gewalt: Griechenland erinnert an Zugunglück

28. Februar 2025

Im Gedenken an die 57 Todesopfer des Zugunglücks vor zwei Jahren gingen in Griechenland hunderttausende Menschen auf die Straße. Es blieb nicht überall friedlich.

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Demonstranten in Athen mit Schildern, auf denen jeweils eine Zahl und rote Flecken zu sehen sind
Demonstranten in Athen mit Schildern, die an die 57 Todesopfer des Zugunglücks vor zwei Jahren erinnern sollen Bild: Aristidis Vafeiadakis/ZUMAPRESS.com/picture alliance

Es war das schwerste Zugunglück in der Geschichte Griechenlands - landesweit gedachten am zweiten Jahrestag etwa 300.000 Menschen der 57 vornehmlich jungen Todesopfer. Allein in der Hauptstadt Athen versammelten sich nach Angaben der Polizei etwa 180.000 Menschen auf den Straßen. Die Demonstranten zogen zum Syntagma-Platz vor dem Parlament. "Nein zur Vertuschung" und "Wir  vergessen nicht" stand auf Plakaten. Immer wieder skandierten Teilnehmer das Wort "Mörder" mit Blick auf die Regierung unter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis.

Die Familien der Opfer kritisierten Mitsotakis bereits mehrfach für die Weigerung, die Rolle der Politik bei dem folgenschweren Unglück untersuchen zu lassen. Die Regierung weist Vorwürfe zurück, Fehler begangen zu haben. Es sei Aufgabe der Justiz, das Unglück aufzuarbeiten. Mitsotakis versicherte im Onlinedienst Facebook an diesem Freitag, die Regierung werde ihren Beitrag leisten, um das Eisenbahnnetz zu modernisieren und es sicherer zu machen.

Große Menschenmenge, einige halten Banner hoch
Dicht an Dicht stehen die Menschen auf dem Platz vor dem Parlamentsgebäude in Athen Bild: Louisa Gouliamaki/REUTERS

Die Gewerkschaften hatten neben den Protesten für diesen Tag auch zu einem Generalstreik aufgerufen. Behörden, Schulen und viele Geschäfte blieben geschlossen. Ärzte und Juristen legten die Arbeit nieder. Auch der Flug-, Bahn- und Fährverkehr war weitgehend lahmgelegt.

Autonome randalieren in Athen und Thessaloniki

In der Hauptstadt und in der Hafenstadt Thessaloniki kam es zum Ende der Großkundgebungen zu Krawallen. In Athen schleuderten Vermummte Brandsätze in Richtung Polizisten, die am Parlamentsgebäude standen. Die Sicherheitskräfte sprachen von etwa 500 bis 700 sogenannten Autonomen und setzten Tränengas ein, wie im griechischen Fernsehen zu sehen war. Ähnliche Ausschreitungen gab es in Thessaloniki.  

Polizisten und mehrere kleinere Feuer auf einem Platz
Polizisten versuchen, die Brandsätze zu löschen, die in ihre Richtung geschleudert wurdenBild: Thanassis Stavrakis/AP/picture alliance

Am 28. Februar 2023 war kurz vor Mitternacht ein Passagierzug auf dem Weg von Athen nach Thessaloniki frontal mit einem Güterzug zusammengeprallt. Der Unfall nahe der Tempi-Schlucht bei der zentralgriechischen Stadt Larissa wurde auf menschliches Versagen sowie auf schwerwiegende strukturelle Mängel bei der griechischen Bahn zurückgeführt.

Die juristische Aufarbeitung ist auch zwei Jahre nach dem tödlichen Unglück nicht abgeschlossen. Wut und Unzufriedenheit unter der Bevölkerung sind deswegen groß. Umfragen zufolge sind die meisten Menschen in Griechenland davon überzeugt, dass die Behörden nach dem Unglück wichtige Beweise vertuscht und die Ermittlungen so in die Länge gezogen haben.

"Desolater Zustand" der Bahn

In dieser Woche wurde erstmals ein offizieller Bericht der Behörde für Unfälle im Luft- und Bahnverkehr vorgestellt. Darin ist von einem desolaten Zustand der griechischen Bahn ebenso die Rede wie von der mangelnden Qualifikation des Bahnvorstehers, der einen der Züge auf ein falsches Gleis geschickt hatte. Auch die kaum funktionstüchtige Sicherheitstechnik auf der Strecke wurde angeführt.

Schwere Ermittlungsfehler

Zudem stellte die Behörde schwere Ermittlungsfehler im Anschluss an das Unglück fest. So sei unter anderem die Unglücksstelle nicht richtig kartiert worden, auch hätten Feuerwehr, Rettungskräfte und Polizei ihre Einsätze nicht koordiniert. Beweismaterial sei dadurch abhandengekommen oder vernichtet worden -  unter anderem, als ein Teil des Unfallorts zementiert wurde, damit Kräne installiert werden konnten, um die zertrümmerten Waggons zu bewegen.

Ein Waggon liegt völlig zerstört im 90-Grad-Winkel zu den Gleisen, Trümmerteile, zwei Kräne sowie Feuerwehrmänner und andere Helfer
Blick auf die Unglücksstelle nahe Larissa Bild: AFP

Offen blieb in dem Bericht, ob an Bord des Güterzugs wirklich verbotenerweise explosive chemische Substanzen transportiert wurden, die bei der Kollision in Brand gerieten. Dies war zuvor behauptet worden.

Die Justiz hat mittlerweile 40 Verdächtige angeklagt, unter ihnen ist der örtliche Bahnhofsvorsteher. Der Prozess wird aber frühestens Ende des Jahres beginnen.

se/fab (afp, dpa, rtr, ap)