Verbündete Israels warnen vor Ausweitung des Kriegs in Gaza
9. August 2025Nach dem Beschluss des israelischen Sicherheitskabinetts, die Stadt Gaza zu erobern und zu kontrollieren, haben sowohl Verbündete in Europa als auch wichtige Vermittlerländer in der Region das Vorhaben scharf kritisiert. Die Außenministerien von Großbritannien, Italien, Neuseeland, Australien und auch von Deutschland veröffentlichten eine entsprechende gemeinsame Stellungnahme.
Die geplante Offensive im Gazastreifen würde die humanitäre Lage verschärfen, das Leben der Geiseln in Gefahr bringen und könnte zur massiven Vertreibung von Zivilisten führen, heißt es darin. Zudem könnte das Vorhaben einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellen.
Die Partner riefen die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich um eine dauerhafte Waffenruhe und Hilfslieferungen für die notleidende palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen zu bemühen. Von der Terrororganisation Hamas forderten sie die sofortige Freilassung der verbliebenen Geiseln.
Der Weg: Zwei-Staaten-Lösung
Der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern sei eine Zwei-Staaten-Lösung, heißt es in der gemeinsamen Erklärung weiter. Dafür müsse die Hamas allerdings vollständig entwaffnet und von jeder Art von Regierungsverantwortung ausgeschlossen werden. Die Hamas wird von zahlreichen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Vielmehr solle die Palästinensische Autonomiebehörde eine zentrale Rolle in einer künftigen Regierung im Gazastreifen spielen.
"Netanjahus Regierung verliert Europa"
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Ratspräsident der Europäischen Union, António Costa, forderten die israelische Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dazu auf, ihre Entscheidung zu überdenken.
"Netanjahus Regierung verliert Europa - vollständig", zitierte wiederum das US-Nachrichtenportal Axios den Außenminister der Niederlande, Caspar Veldkamp. "Wir stehen hinter Israel, aber nicht hinter der Politik der dortigen Regierung", betonte er. Veldkamp war früher Botschafter in Israel.
UN-Sicherheitsrat einberufen
Scharfe Kritik kam auch von den Vereinten Nationen. UN-Generalsekretär António Guterres sei "zutiefst alarmiert", erklärte ein Sprecher in New York. Er fügte hinzu: "Diese Entscheidung bedeutet eine gefährliche Eskalation und birgt die Gefahr, dass sich die bereits katastrophalen Folgen für Millionen Palästinenser noch verschärfen."
Angesichts der Lage kommt der UN-Sicherheitsrat am Sonntag zu einer Sondersitzung zusammen. Mehrere der 15 Mitgliedstaaten des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen hatten seine Einberufung beantragt.
Ebenso verurteilten Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate Israels Absicht, Gaza-Stadt zu erobern. Die geplante Offensive stelle eine gefährliche Eskalation dar und drohe, die humanitäre Krise in dem abgeriegelten Küstenstreifen weiter zu verschärfen, heißt es in einer Stellungnahme des katarischen Außenministeriums.
Zudem untergrabe sie die Bemühungen um eine dauerhafte Waffenruhe. In den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der islamistischen Hamas ist Katar ein wichtiger Vermittler. Die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate forderte deeskalierende Maßnahmen und warnte vor einer Ausbreitung von Gewalt, Spannungen und Unsicherheit in der gesamten Region.
Deutschland sanktioniert erstmals Israels Vorgehen
Deutschlands Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte am Freitag nach dem israelischen Beschluss zu Gaza angekündigt, die Bundesregierung werde vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern genehmigen, die im Krieg im Gazastreifen verwendet werden könnten. Dieser Kurswechsel ist in der konservativen Union aus CDU und CSU allerdings umstritten.
Am Sonntag wollen deshalb die Außenpolitiker der Unionsfraktion zu einer Videositzung der "AG Außen" zusammenkommen. Der Gesprächsbedarf innerhalb der konservativen Arbeitsgruppe ist groß.
Der AG-Außen-Vorsitzende und außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, nannte die Entscheidung "unausweichlich". Hingegen sprach der stellvertretende AG-Vorsitzende Roderich Kiesewetter auf seinem Social-Media-Kanal von einem "schweren politischen und strategischen Fehler Deutschlands". "Die Glaubwürdigkeit unserer Staatsräson bemisst sich gerade an der Sicherheitskooperation und der Zusage, jüdisches Leben und den Staat Israel zu schützen", betonte Kiesewetter.
Die CSU beklagte, man sei an der Entscheidung nicht beteiligt gewesen und davon überrascht worden.
Israelischer Historiker begrüßt deutschen Schritt
Der israelische Historiker Moshe Zimmermann begrüßte den beschlossenen Exportstopp dagegen. "Die Entscheidung des Bundeskanzlers war schon lange überfällig", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Zwar werde sie kaum eine Wirkung haben, da das israelische Militär vor allem von der eigenen Produktion und der Produktion der Amerikaner abhängig sei. "Trotzdem muss man hier ein Zeichen setzen. Die deutsche Regierung signalisiert etwas. Und das ist schon ein Wert an sich", sagte der emeritierte Professor für Neuere Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem.
se/pgr/AR (dpa, afp, rtr, ap)
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