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PolitikEuropa

Friedrich Merz will einen deutsch-französischen Neustart

27. Februar 2025

CDU-Chef Merz ist noch gar nicht Kanzler, da macht er schon Außenpolitik. Das abgekühlte Verhältnis zu Frankreich und Polen ist ihm ein besonderes Anliegen.

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Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stehen, Hände in den Taschen, vor prächtig verzierten, geöffneten Flügeltüren
Friedrich Merz (rechts) kam auf Einladung von Präsident Emmanuel Macron zum Abendessen in den Elysée-PalastBild: Sarah steck/Présidence de la République/dpa/picture alliance

Friedrich Merz hat sich zu einem vertraulichen Abendessen in Paris mit Präsident Emmanuel Macron getroffen - nur drei Tage nach dem Sieg des Konservativen bei der Bundestagswahl. Dabei ist Merz noch gar nicht Kanzler, er muss erst noch eine Regierungskoalition schmieden, noch regiert Sozialdemokrat Olaf Scholz. "Vielen Dank, lieber Emmanuel Macron, für Deine Freundschaft und Dein Vertrauen in die deutsch-französischen Beziehungen", schrieb Merz anschließend auf der Plattform X auf Deutsch und Französisch: "Zusammen können unsere Länder Großes für Europa erreichen."

Die Eile hat ihren Grund: US-Präsident Donald Trump steht womöglich kurz davor, zusammen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Frieden in der Ukraine auszuhandeln - einen Diktatfrieden. Denn weder die Ukraine noch die EU-Europäer sitzen am Verhandlungstisch. Spätere Sicherheitsgarantien für die Ukraine will Trump den Europäern überlassen und sich die bisher geleistete US-amerikanische Militärhilfe mit dem Erlös ukrainischer Bodenschätze teuer bezahlen lassen.

Merz will Deutschland zu einer "führenden Mittelmacht" machen

Das alles ist das Gegenteil von dem, was die Regierungen in Berlin und Paris wollen. Doch es könnten sehr schnell Fakten geschaffen werden.

Macron war diese Woche als erster Europäer bei Trump in Washington, konnte aber beim Thema Ukraine nichts erreichen. Auch die drohenden amerikanischen Einfuhrzölle auf europäische Waren sind nach wie vor geplant. Trump sagte jetzt sogar zum Thema Handel, die EU sei gegründet worden, "um die Vereinigten Staaten zu bescheißen".

Donald Trump spricht in ein Mikrophon, neben ihm eine amerikanische Flagge
Donald Trump will die Europäer nicht an den Ukraine-Verhandlungen beteiligen und hat Einfuhrzölle für europäische Produkte angekündigtBild: Tasos Katopodis/Getty Images

Merz hat der noch amtierenden Bundesregierung vorgeworfen, außenpolitisch zu passiv zu sein und vor allem die Beziehungen zu Frankreich schleifen zu lassen. "Wir müssen von einer schlafenden Mittelmacht zu einer führenden Mittelmacht werden", sagte Merz vor der Wahl in einer außenpolitischen Grundsatzrede.

Als Regierungschef würde er sich vordringlich um eine Wiederbelebung der Beziehungen mit Frankreich und auch mit Polen kümmern, kündigte er an. Zusammen bilden die drei Länder das sogenannte Weimarer Dreieck, das vor Jahren einmal eine größere Rolle spielte.

Hoffnungsvolles aus Warschau

Während der Amtszeit von Scholz, der zusammen mit den Grünen und - bis Ende vergangenen Jahres - auch mit der liberalen FDP koaliert hat, kam es immer wieder zu Spannungen sowohl mit Frankreich als auch mit Polen.

Die deutsche Mitte-Links-Regierung hatte zum Beispiel bei dem Thema Migration und in vielen sozialen Fragen ganz andere Vorstellungen als die polnische, vor allem bis 2023, solange die nationalkonservativen PiS-Regierung im Amt war. Das hat sich seit dem Antritt des liberalen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk etwas gebessert. Von einem engen polnisch-deutschen Verhältnis ist man aber weit entfernt.

Polens Ministerpräsident Donald Tusk, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz stehen ernst blickend nebeneinander
Im März 2024 fand nach einer längeren Pause noch einmal ein Treffen des Weimarer Dreiecks statt: Polens Ministerpräsident Donald Tusk, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (v.l.n.r.)Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Polen ist für Deutschland gerade in diesem Halbjahr wichtig, da es die rotierende EU-Ratspräsidentschaft hat und damit eigene Schwerpunkte in der Europapolitik setzen kann. "Das wichtigste Motto der polnischen Ratspräsidentschaft ist die Sicherheit in Europa", sagte die stellvertretende polnische Europaministerin Magdalena Sobkowiak-Czarnecka der DW. "Im Moment ist unser vorrangiges Ziel, die Hilfe für die Ukraine am laufen zu halten."

Das ist nicht selbstverständlich. Länder wie Ungarn und die Slowakei liegen eher auf der Linie von Donald Trump, wollen eine Normalisierung der Beziehungen zu Moskau, auch auf Kosten der Ukraine.

Dem deutschen Wahlgewinner Friedrich Merz gratulierte Sobkowiak-Czarnecka: "Wir sind enge Nachbarn", sagte sie der DW. "Die Zusammenarbeit mit unseren Partnern in Deutschland liegt uns immer sehr am Herzen, und wir freuen uns auf die neue Regierung."

Ein deutsch-französischer Motor ist nicht überall beliebt

Zum engsten europäischen Partner Frankreich ist das Verhältnis stark abgekühlt. Das hatte mit Unstimmigkeiten innerhalb der deutschen Koalitionsregierung zu tun, aber auch mit den unterschiedlichen Persönlichkeiten von Olaf Scholz und Emmanuel Macron: nüchtern und zurückhaltend der Deutsche - mitreißend und in großen Visionen denkend der Franzose.

In einer größeren Gruppe stehen Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emanuel Macron und essen Fischbrötchen
Auch ein Besuch des Ehepaars Macron in Scholz' Heimatstadt Hamburg samt Fischbrötchen-Essen im Oktober 2023 konnte die Stimmung nicht wirklich hebenBild: Roland Magunia/Funke Foto Services/IMAGO

Jetzt wollen Merz und Macron einen neuen Anfang machen. Aber Hindernisse gibt es auch hier. Da wäre die Tatsache, dass bis zur Regierungsbildung in Berlin eine gewisse Konkurrenz zum amtierenden Kanzler Olaf Scholz besteht. Merz hat mitgeteilt, dass er ein "Memorandum of Understanding" an Scholz geschickt habe, in dem er klare Vorgaben mache, was der Noch-Kanzler in der verbleibenden Zeit als amtierender Regierungschef noch tun dürfe und was nicht. Die "Bild"-Zeitung machte daraus die Schlagzeile: "Union will Scholz an die Leine legen!"

Außerdem ist Macron innenpolitisch angeschlagen, er muss mit wechselnden Ministerpräsidenten ständig um seine Parlamentsmehrheit bangen. Würde heute in Frankreich ein neuer Präsident gewählt, würde nach Umfragen die Rechtsaußen-Politikerin Marine Le Pen das Rennen machen.

Schließlich teilen zwar Merz und Macron die Idee vom deutsch-französischen Motor, der die gesamte EU antreiben soll, doch längst nicht jedes EU-Land will sich von den großen Zweien führen lassen. Und mit Italiens rechter Regierungschefin Giorgia Meloni, einer Verbündeten von Donald Trump, ist eine Art innereuropäische Konkurrentin entstanden. Die EU kann also keineswegs mit einer Stimme sprechen.

Ein breit grinsender Donald Trump und eine lächelnde Giorgia Meloni stehen nebeneinander vor einem schmiedeeisernen Tor
Strahlende Gesichter von politisch Gleichgesinnten: Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni in Trumps Haus in Mar-a-Lago in FloridaBild: Italian Government/Handout/REUTERS

Das gilt auch und gerade bei der Frage, ob die Europäer zur Absicherung eines von Trump und Putin vereinbarten Friedens in der Ukraine Bodentruppen schicken würden. Macron ist dafür, Merz ist skeptisch und hält die Diskussion für völlig verfrüht.

Und Polen? "Das sollte jedes Land selbst entscheiden, das machen wir nicht auf EU-Ebene", sagt Magdalena Sobkowiak-Czarnecka. "Aber wir haben entschieden, dass wir keine Truppen in die Ukraine schicken werden. Wir können der Ukraine logistisch und auf andere Weise helfen, aber wir als Land an der Grenze zu einem Kriegsgebiet müssen vor allem auf unsere eigene Sicherheit achten."

Wird es "Mercron" geben?

Am 6. März treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Ukraine-Krisengipfel in Brüssel. Donald Trump hat die Europäer mit seiner Annäherung an Russland unter Zugzwang gesetzt, noch stärker für Kiew einzustehen. Im Gespräch ist ein neues Hilfspaket für die Ukraine.

Zum Sondergipfel wäre Merz noch nicht im Amt. Der noch amtierende Kanzler Olaf Scholz hat aber zugesichert, in der Übergangsphase mit Merz "über die Politik, die Deutschland international vertritt" zu sprechen.

Männer laden ein riesiges Wahlplakat von Merz auf einen Lastwagen
Die Wahlplakate werden wieder eingeräumt, aber Friedrich Merz ist noch längst nicht KanzlerBild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

Zu Zeiten von Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich irgendwann in den Medien die Wortschöpfung "Merkron" etabliert, aus Merkel und Macron. Die Symbiose sollte eine besonders enge persönliche Partnerschaft zwischen den beiden bedeuten, auch wenn das Verhältnis in Wirklichkeit nie so eng und "Merkron" wohl eher Wunschdenken war

Sollten sich Friedrich Merz und Emmanuel Macron in Zukunft blendend verstehen, müsste man nur einen Buchstaben verändern und hätte: "Mercron". Ob es dazu kommt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

Wirtschaftsflaute und Trump im Nacken: Kann Merz Krise?

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik