Früherer KP-Chef im Kosovo betrachtet Haager Prozess gegen Milosevic als Genugtuung
18. Februar 2002Anzeige
Köln, 18.2.2002, DW-radio / Albanisch
Der frühere Chef der kommunistischen Partei in Kosova, Azem Vllasi, der 1988 auf Betreiben von Slobodan Milosevic seines Postens enthoben und zeitweilig ins Gefängnis geworfen wurde, hat seine Genugtuung über den Prozess gegen Slobodan Milosevic in Den Haag geäußert. Im interview mit DW-radio/Albanisch erinnert Vllasi an den Aufstieg des, wie er sagte, Ausnahmephänomens Milosevic:
Vllasi
: 1986 und 1987 war klar, dass Milosevic ein Ausnahmephänomen auf der politischen Szene in Jugoslawien ist, ein Mensch, der fähig ist, viel Unheil anzurichten. Am Beginn des politischen Krimis stand eine Goebbels-ähnliche Propaganda, die die damalige Welt nicht erwartet hatte. Er hat seine politischen Aktivitäten mit militanten Treffen begonnen, auf denen politische Lynchmorde gefordert wurden. Leider haben sich die damalige politische Führung Jugoslawiens sowie die Führer der Teilrepubliken blind gestellt. Die Kreise in der damaligen jugoslawischen Führung hielten Milosevic nicht für eine Gefahr für sich selbst, sondern nur für (die damalige autonome Provinz – MD) Kosova. Sie dachten, er werde Ruhe geben, wenn er sein Ziel in Kosova erreicht habe.Frage
: Gab es Tendenzen der nördlichen Republiken, die damalige Krise in Kosova für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren?Antwort:
Ja, solche Kalkulationen gab es. Jede Seite versucht, ihre Interessen zu verwirklichen. Viele politische Kreise im früheren Jugoslawien wussten jedoch nicht, dass die politische Gewalt, die von Milosevic in Kosova ausging, sich eines Tages in anderen Teilen Jugoslawiens wiederholen würde. Das erste Signal war das Memorandum der Serbischen Akademie der Wissenschaften im Jahre 1986, aus dem klar hervorging, dass Milosevic und seine Kreise Jugoslawien in ein Serboslawien umwandeln wollten. Es fehlten jedoch der Mut und die Fähigkeit, gegen eine solche Politik zu kämpfen. Die Führer der Republiken des früheren Jugoslawien unterschätzten Milosevic, ebenso wie die europäischen Führer vor dem Zweiten Weltkrieg Hitler unterschätzen. Das dauerte solange, bis die von Milosevic ausgehende Gewalt die anderen Republiken auch physisch erreichte. Es gab für Milosevic keine Alternative, denn seine politischen Ziele waren nur mit Gewalt zu verwirklichen. Wir in Kosova waren die ersten, die Milosevic verstanden, denn wir waren die ersten, gegen die er Gewalt angewandt hat.Frage
: Herr Vllasi, Sie waren das erste politische Opfer der Politik von Milosevic. Wie fühlen Sie sich heute, wenn Sie Milosevic vor dem Haager Tribunal sehen?Antwort
: Das ist für mich eine symbolische Genugtuung. Ich war der erste, der Widerstand gegen Milosevic geleistet hat, und ich war das erste politische Opfer. Was sich in Den Haag abspielt, ist auch eine Genugtuung für viele Opfer im früheren Jugoslawien. Es sollte auch eine Lehre für die internationale Gemeinschaft sein, die mit Milosevic bis in die letzte Phase des Kosova-Krieges 1999 verhandelte.(Interview: Islam Spahija) (MK)
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