Fortschritte in Mazedonien
5. Juni 2002Köln, 4.6.2002, DW-radio / Von Nina Werkhäuser
Die NATO hat das Mandat der internationalen Friedenstruppe "Amber Fox" in Mazedonien um weitere vier Monate (bis 26. Oktober 2002) verlängert - darum hatte der mazedonische Präsident Boris Trajkovski gebeten. Nach Ablauf des jetzigen Mandats werden die Niederlande am 26. Juni das Kommando der Truppe übernehmen. Deutschland führt die "Task Force Fox", die sich aus Soldaten aus elf europäischen Ländern zusammensetzt, seit dem Beginn der Mission im September 2001. Es ist das erste Mal, dass Deutschland bei einer Nato-Truppe die "Lead"-Funktion übernommen hat.
Als Führungsnation der "Task Force Fox" stellt Deutschland zurzeit mit 600 nicht nur den größten Anteil der bis zu 1000 Soldaten, sondern koordiniert auch den Einsatz und hält den Kontakt zur OSZE und zur mazedonischen Regierung. Mit der Übernahme der Führung durch die Niederländer wird das deutsche Kontingent um etwa zwei Drittel reduziert werden, sagt der Kommandeur der Truppe, Brigadegeneral Heinz-Georg Keerl:
"Erstens haben wir schon länger als ursprünglich geplant diese Lead-Funktion wahrgenommen, wir sollten ja Ende März raus, damals hat Deutschland und die NATO eingewilligt auf nachdrücklichen Wunsch der mazedonischen Regierung, doch länger zu machen. Bei einem Lead-Nation-Einsatz ist es eigentlich üblich, dass man sich dann diese Rolle auch teilt mit anderen Partnern im Bündnis."
Ein Vorauskommando der Niederländer ist schon da, bis Ende Juni wird das Kontingent vollständig sein. Die rund 200 Bundeswehrsoldaten, die danach noch in Mazedonien im Einsatz sind, werden eine "Extraction"-Kompanie bilden, also eine jener Kompanien, die den internationalen Beobachtern von EU und OSZE im Notfall mit Hubschraubern und gepanzerten Fahrzeugen zur Hilfe eilen können.
Der Schutz der Beobachter bleibt die Hauptaufgabe der Truppe "Fox". Zu diesem Zweck gibt es neben den "Extraction Forces" so genannte "Liaison Teams", die aus je vier Soldaten mit zwei Fahrzeugen bestehen. Sie sind im Land unterwegs, halten Kontakt zu den Beobachtern und zur mazedonischen Bevölkerung und sammeln Informationen. Da der Frieden in Mazedonien noch nicht stabil ist, wird die Gesamtstärke der Truppe auch vorerst nicht reduziert. "Wir sollten erst die Parlamentswahlen Mitte September abwarten", meint Brigadegeneral Heinz-Georg Keerl:
"Im Augenblick würde ich das für verfrüht halten, weil wir immer wieder an einzelnen kleinen Zwischenfällen sehen, wie schnell in einer Gesellschaft, die nicht viele Möglichkeiten hat, sich unabhängig und unvoreingenommen zu informieren, Besorgnisse hochspringen und die Leute dann auch wieder bereit sind, zu den Waffen zu greifen."
"Am Anfang standen meine Soldaten oft vor geladenen Waffen", erzählt Keerl, inzwischen aber seien Fortschritte gemacht worden. Die Rückkehr der gemischten Einheiten der mazedonischen Polizei in die mehrheitlich albanischen Dörfer sei fast abgeschlossen. Nun müssten noch die Checkpoints und Stellungen der Polizei im Feld vollständig abgebaut werden, so Truppenkommandeur Keerl. Wie gefährlich der Einsatz für die Soldaten ist, hat sich erst vor etwa einem Monat gezeigt, als ein italienischer Soldat bei einem Minenunfall ums Leben kam.
Die Truppe Fox agiert zwar im Hintergrund, ist aber ein Faktor der Stabilität. Von Anfang an sollte sie einer Ausweitung des Konfliktes vorbeugen - diesmal wollte die internationale Gemeinschaft nicht wie in Bosnien und im Kosovo zu lange untätig zusehen. Auch die anfängliche Skepsis vieler Mazedonier gegenüber der ausländischen Truppe hat nachgelassen.
"Wir haben hier relativ schnell sehr hohes Ansehen gewonnen, und wir haben auch mehrere Krisen gemeistert: Die erste und wesentliche war Mitte November, wo wir kurz wieder vorm Ausbruch des Konfliktes hier standen. Das hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass man unsere Rolle hier als Vermittler, als ehrliche Broker zwischen den ehemaligen Konfliktparteien und vor allem aber in Zusammenhang mit den internationalen Beobachtern gewürdigt hat."
Die Zusammenarbeit mit der mazedonischen Regierung und dem Generalstab laufe gut, so Keerl, aber es gebe auch Politiker, die Stimmung machten gegen die Anwesenheit ausländischer Soldaten:
"Hier gibt es natürlich auch immer mal wieder politische Begleitmusik, die damit zu tun hat, dass wir uns im Grunde hier schon im Vorwahlkampf befinden und die ein oder andere Partei natürlich versuchen muss, über ein mehr nationalistisches Profil oder unter der Überschrift 'Wir können das auch ohne die internationale Gemeinschaft regeln' ein paar Wählerstimmen mehr zu gewinnen. Insgesamt sind wir hier auf Aufforderung und mit Unterstützung der mazedonischen Regierung."
Aus der Sicht der mazedonischen Regierung ist es nicht relevant, ob die Soldaten unter der Flagge der NATO oder der EU im Land für Sicherheit sorgen. Für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU (ESVP) aber hängt viel davon ab, ob die EU im Herbst das Kommando der Truppe "Amber Fox" von der NATO übernehmen kann. Schon jetzt besteht die Truppe anders als die KFOR und SFOR ausschließlich aus europäischen Soldaten.
Um zu vermeiden, dass sich doppelte Führungs- und Stabsstrukturen herausbilden, will die EU auf die schon vorhandenen NATO-Strukturen zurückgreifen und entsprechende Abkommen mit der NATO schließen. Die griechische Regierung will aber nicht hinnehmen, dass das NATO-Land Türkei, das kein EU-Mitglied ist, über diese Konstruktion auf den ESVP-Einsatz einwirken kann. Die Regierung in Athen blockiert daher die nötigen Vereinbarungen zwischen der EU und der NATO.
Während die EU in Mazedonien endlich den Beweis erbringen möchte, dass sie ihre gemeinsame Sicherheitspolitik auch praktisch in Krisengebieten umsetzen kann, warnen Sicherheitsexperten vor einem Wechsel des Kommandos: Das sei eine unnötige Reorganisation gut funktionierender Kommandoabläufe mit ungewissem operationellem Erfolg. Und wenn die Soldaten einer möglicherweise kleineren EU-Truppe in Gefahr gerieten, müsste die KFOR aus dem benachbarten Kosovo militärischen Beistand leisten - da sei man dann schnell wieder bei der NATO angelangt. (fp)