Filmfestival Venedig: Goldener Löwe für Jim Jarmusch
7. September 2025Die 82. Internationalen Filmfestspiele von Venedig sind am Samstagabend mit der Kür der besten Produktionen und künstlerischen Leistung zu Ende gegangen. Der Goldene Löwe geht an "Father Mother Sister Brother". Der Film von Jim Jarmusch widmet sich den komplexen Beziehungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern - und der Sprachlosigkeit, die dabei oft herrscht. Der Große Preis der Jury ging an die Tunesierin Kaouther Ben Hania für "The Voice of Hind Rajab", ein Dokudrama über ein getötetes palästinensisches Mädchen.
"Das waren die beiden Filme, die uns am meisten bewegt haben", sagte der Jury-Vorsitzende Alexander Payne. "Es waren die beiden Filme, die uns, offen gesagt, zu Tränen gerührt haben."
Als beste Hauptdarstellerin wurde die Chinesin Xin Zhilei für ihre Rolle in dem Film "The Sun Rises on US All" ausgezeichnet. Der Italiener Toni Servillo erhielt beim Festival in der Lagunenstadt im Norden Italiens den Preis für den besten Hauptdarsteller in "La Grazia" von Paolo Sorrentino.
Jim Jarmuschs poetischer Löwen-Gewinner
Der Independentfilmer Jarmusch wurde unter anderem mit "Down By Law", "Night on Earth" und "Stranger Than Paradise" bekannt. Der jetzt ausgezeichnete Episodenfilm ist formal und bis ins Detail durchdacht und überzeugte die Jury mit cleveren Beobachtungen. Gesten, Blicke und Pausen verraten in "Father Mother Sister Brother" mehr über die Beziehungen der Familienmitglieder, als Worte es könnten.
"Wir versuchen immer, Dinge zu definieren und zu kategorisieren, während du all diese seltsamen Verbindungen zulässt, die nicht unbedingt den üblichen Sinn ergeben - wofür ich angesichts der Lage der Welt wirklich dankbar bin", sagte Darstellerin Cate Blanchett über Jim Jarmusch vor der Premiere des Films. Neben ihr spielen auch Tom Waits, Adam Driver, Charlotte Rampling und Vicky Krieps mit.
Ben Hanias erschütterndes Dokudrama
Kaouther Ben Hanias "The Voice of Hind Rajab" wiederum ist ein teils dokumentarischer, teils fiktionaler Film. Er erzählt von den letzten Momenten im Leben des palästinensischen Mädchens Hind Rajab im Gazastreifen.
Die Fünfjährige starb im Januar 2024 bei der Flucht ihrer Familie aus der Stadt Gaza. Der Film sowie mehrere unabhängige Untersuchungen legen nahe, dass Hind Rajab und Teile ihrer Familie von israelischen Streitkräften getötet wurden. Israels Militär bestreitet das.
Emotionale Preisverleihung
Jarmusch trug auf der Bühne einen Anstecker mit der Aufschrift "Enough" (Genug), den auch Kaouther Ben Hania an ihrem Kleid befestigt hatte. Der Anstecker bezog sich auf den Gaza-Krieg, Ben Hania sagte dazu in ihrer Rede: "Ich fordere ein Ende dieser unerträglichen Situation. Genug ist genug."
Sie warf der israelischen Regierung vor, einen Völkermord zu begehen. Mehrere andere Filmschaffende hatten im Lauf des Festivals in die gleiche Richtung argumentiert. Den Genozid-Vorwurf weisen Israel und auch die deutsche Regierung zurück.
Ausgelöst worden war der Krieg im Gazastreifen durch den Terrorangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden nach israelischen Angaben mehr als 1200 Menschen getötet. 251 Menschen wurden als Geiseln in das Palästinensergebiet am Mittelmeer verschleppt.
Noch immer werden 47 Menschen von der Hamas im Gazastreifen festgehalten. 25 von ihnen sind nach israelischen Angaben bereits tot.
Als Reaktion auf den Hamas-Überfall geht Israel massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach jüngsten Angaben der Hamas-Behörden, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 64.300 Menschen getötet.
fab/AR/wa (dpa, afp)