Femizide im Iran: Staatlicher Schutz bleibt aus
6. Februar 2025Vom 20. Januar bis zum 1. Februar 2025 wurden im Iran sieben Frauen und Mädchen von ihren "Vätern und Ehemännern" in verschiedenen Städten des Landes ermordet, wie die Nachrichten-Webseite Khabar Online Anfang der Woche berichtete. Die Zahl der Femizide sei in diesem Jahr weiter gestiegen - der iranische Kalender beginnt erst mit dem Frühling. Allein in den drei Frühlingsmonaten wurde fast täglich eine Frau oder ein Mädchen von ihren engsten Vertrauten - Ehemännern, Vätern oder Brüdern - ermordet. Insgesamt wurden 85 Fälle registriert.
"Wenn ein Vater seine Tochter im Namen der Ehre ermordet, wird er höchstens zu zehn Jahren Haft verurteilt. Männer, die im Namen der Ehre ihre Frauen, Schwestern oder Töchter töten, werden manchmal sogar als Helden gefeiert", schreibt Saeed Dehghan auf Nachfrage der DW.
Der iranische Menschenrechtsanwalt lebt seit zwei Jahren im kanadischen Exil. Er fügt hinzu: "Laut den in der Scharia verankerten Gesetzen der Islamischen Republik kann eine Person, die eine außereheliche Beziehung eingeht, als maddur al-dam gelten - also als jemand, dessen Leben keinen gesetzlichen Schutz genießt. Das bedeutet, dass das Gesetz die Tötung legitimiert!"
Seit langem fordern Frauenaktivistinnen im Iran mehr staatlichen Schutz für Frauen und Mädchen innerhalb der Familie. Auf ihre Initiative hin und mit der Unterstützung einiger reformorientierter Politikerinnen unter dem Präsident Rohani (2013-2021) wurde vor 13 Jahren ein Gesetzentwurf zur "Prävention von Gewalt gegen Frauen" dem Parlament vorgelegt. Der Entwurf wurde mehrmals verändert und entschärft und mehrfach zur Überprüfung an die Justiz zurückgeschickt.
Unendliche Diskussion, wenn es um Frauen geht
"Ich weiß nicht, ob es in der Geschichte des iranischen Parlaments einen anderen Gesetzentwurf gibt, der so lange auf eine Entscheidung wartet", kritisierte der Kriminologe und Professor der Universität Teheran, Mohsen Borhani, Ende 2024 in einem Artikel für die Tageszeitung Etemad. Borhani ist bekannt für seine kritische Haltung gegenüber dem politischen System im Iran. Im vergangenen Jahr saß er 79 Tage im Gefängnis und wurde von der Universität entlassen.
In seinem Artikel schrieb Borhani, dass er als Rechtsexperte in den letzten 13 Jahren an zahlreichen Sitzungen in verschiedenen Institutionen zur Prüfung des Gesetzentwurfs teilgenommen habe. Der Hauptgrund für das Scheitern dieses Vorhabens liege in der Einstellung einiger Entscheidungsträger und ihrem Verständnis von Frauenrechten. Bei einigen Gegnern dieses Gesetzes habe sich eine falsche Vorstellung herausgebildet, dass Frauenrechte im Widerspruch zur familiären Stabilität stünden.
Die Kritiker werfen Frauenaktivistinnen vor, den Westen zu imitieren und Ziele zu verfolgen, die den Grundsätzen des Islam widersprächen. Sie behaupten, dass diese Gesetzesinitiative Frauen die Gelegenheit gebe, ihre häuslichen Pflichten zu vernachlässigen, und dass sie dadurch die Stellung der Männer als Verwalter der Familie gefährde.
Unter ihnen sind auch viele konservative Frauen wie Ensieh Khazali, Vizepräsidentin für Frauen- und Familienangelegenheiten unter Präsident Raisi. Sie betont in jedem Interview, dass die Statistiken über Gewalt gegen Frauen im Iran im internationalen Vergleich nicht hoch seien. "In den USA werden jährlich mindestens tausend Frauen durch häusliche Gewalt ermordet", sagte sie im Frühling 2024 und fügte hinzu, dass sich die Regierung für mehr Schutz und Respekt einsetze.
Frauen haben Angst vor Justiz
Die genauen Statistiken zur häuslichen Gewalt gegen Frauen im Iran sind schwer zu ermitteln. Aufgrund fehlender staatlicher Unterstützung melden sich viele Betroffene erst gar nicht bei den Justizbehörden.
Ein tragisches Beispiel ist der Fall der Journalistin Mansoureh Ghadiri Javid, die im November 2024 von ihrem Ehemann, einem Rechtsanwalt, brutal mit Messerstichen und Schlägen durch eine Hantel ermordet wurde. Ghadiri Javid arbeitete mehr als 20 Jahre für die staatliche Nachrichtenagentur IRNA und verfasste unter anderem Forschungsartikel zum Thema Frauenrechte. Laut ihrer Familie war sie jahrelang häuslicher Gewalt ausgesetzt. Hätte sie eine gerichtliche Auseinandersetzung angestrebt, hätte sie das Sorgerecht für ihr einziges Kind verloren.
Im Iran liegt das Recht zur Einreichung der Scheidung grundsätzlich bei den Männern. Das Gesetz erlaubt ihnen, die Ehe jederzeit und ohne Begründung zu beenden, während das Sorgerecht für die Kinder automatisch an sie fällt. Nach den auf der Scharia basierenden Gesetzen des Iran gelten Frauen als unmündige Staatsbürgerinnen. Alle wichtigen Entscheidungen - ob eine Frau arbeiten oder reisen darf - werden von Männern getroffen.
"Das grundlegende Problem der Gesetzgebung in der Islamischen Republik - von der Verfassung bis zum Zivil- und Strafgesetzbuch - liegt in der ideologischen Ausrichtung des Systems", kritisiert Azadeh Kian, Professorin für Soziologie und Direktorin des Zentrums für Gender- und feministische Studien an der Universität Paris 7-Paris-Diderot. "Die geschlechtsspezifische Diskriminierung gegen Frauen ist in allen Bereichen fest verankert". Ein Gesetz zur "Prävention von Gewalt gegen Frauen" allein würde daran nichts grundlegend ändern. Dennoch tun sich konservative Kreise im Parlament schwer, dem zuzustimmen.