Faktencheck: Papst Franziskus im Visier der Desinformation
24. April 2025Papst Franziskus war zwölf Jahre lang das Oberhaupt der katholischen Kirche. Während seiner Amtszeit im Vatikan setzte er sich für Schwache, Ausgestoßene und Flüchtlinge ein. Er wollte den Vatikan und das Papstamt reformieren und nahm auch zu weltpolitischen Themen Stellung. Dies brachte ihm große Beliebtheit unter Gläubigen weltweit, aber auch Kritik aus traditionell-konservativen Kirchenkreisen ein. Im Zeitalter der sozialen Medien und KI-generierter Fakes geriet Papst Franziskus deutlich häufiger ins Visier von Falschmeldungen als seine Vorgänger - teils sogar aus den eigenen Reihen.
Das DW-Faktencheck-Team hat einige der größten Desinformationsfälle über den Papst zusammengetragen.
Angeblicher Aufruf zur Euthanasie als Lösung für den Klimawandel
Behauptung: "Papst Franziskus hat sich hinter die Kampagne des Weltwirtschaftsforums gestellt, Menschen mit Autismus, Alkoholismus und anderen leichten Krankheiten und Behinderungen zu euthanasieren, um der Menschheit im Kampf gegen den so genannten 'Klimawandel' zu helfen", schreibt ein X-User.
DW-Faktencheck: Falsch
Die katholische Kirche und Papst Franziskus haben sich mehrfach klar gegen Euthanasie geäußert und betont, dass Menschen mit Behinderungen ein Recht auf Leben und Teilhabe haben. In einem Brief des Vatikans vom September 2020 heißt es: "Euthanasie ist ein Verbrechen gegen das Leben." Der User-Post mit der Falschbehauptung bezieht sich auf einen Artikeldes US-amerikanischen Blogs "The People's Voice", der für die Verbreitung von Desinformation bekannt ist. Der Artikel liefert keine Belege oder echte Zitate des Papstes.
"The People's Voice" hat in der Vergangenheit mehrere Falschbehauptungen über Papst Franziskus verbreitet. Unter anderem veröffentlichte die Seite die Aufrufe des exkommunizierten Erzbischofs Carlo Maria Vigano, des früheren Papstbotschafters in den USA. "Viganos Theorien sind besonders gefährlich, weil er sich als Insider präsentiert und eine treue Anhängerschaft unter rechtsextremen Kreisen in den USA genießt. Und ja, all das begann wegen der liberalen Position des Papstes", so der italienische Journalist Simone Fontana im DW-Gespräch.
Gratulation an Putin statt Kritik am Kreml?
Behauptung: "Papst Franziskus gratuliert Wladimir Putin zu seinem Wahlsieg", schreibt ein X-User im März 2024. Auch andere User verbreiteten diese Behauptung im Netz. Als Quelle diente eine russische Nachrichtenagentur.
DW-Faktencheck: Falsch
Weder der Vatikan noch Papst Franziskus haben Wladimir Putin zu seiner Wiederwahl gratuliert.
Die Präsidentenwahlen wurden in Russland und in den völkerrechtswidrig besetzten ukrainischen Gebieten vom 15. bis zum 17. März 2024 durchgeführt. Dabei wurde Putins fünfte Wahl von vielen weder als fair noch als frei gesehen.
Während Nordkoreas und Venezuelas Staatschefs nach der Verkündung des Siegers ihre Glückwünsche schickten, äußerten sich andere Staaten eher verhalten, dritte entschieden sich, erst gar nicht zu gratulieren. Umso überraschender schien die Meldung der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti vom 17. März 2024, wonach Papst Franziskus Putin zur Wiederwahl gratuliert haben sollte. Die Nachricht zitiert den Vorsitzenden der "Weltunion der Altgläubigen", Leonid Sewastjanow, der mit Papst Franziskus kommuniziert haben soll. Das Presseteam des Vatikans hat auf Anfragen mehrerer Medien diese Meldung widerlegt.
Der italienische Faktenchecker Simone Fontana sieht diese Falschbehauptung als einen Versuch, der russischen Propaganda, die Figur des Papstes zu nutzen, um mehr Publikum für ihre Botschaften zu erreichen. Der russische Präsident inszeniert sich gerne als gläubiger Christ, dem die Beziehung auch zur katholischen Kirche wichtig ist. So nahm er mehrfach an Papst-Audienzen im Vatikan teil.
Papst Franziskus - der erste Papst im KI-Zeitalter
Behauptung: Dieses Bild, das angeblich Papst Franziskus in einer stylischen weißen Jacke mit einem Kreuz um den Hals und einem Kaffeebecher in der Hand zeigt, ging im März 2023 viral und wurde millionenfach angesehen.
DW-Faktencheck: Fake
Das Bild ist kein echtes Foto, sondern wurde mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) generiert. Mehrere Details machen dies erkennbar: Ein Brillenglas ist unrealistisch verwischt, das Kruzifix um seinen Hals wirkt unscharf und zeigt nicht eindeutig Jesus.
Ein weiterer Beleg dafür, dass das Bild kein echtes Foto ist, ist der Post des KI-Bildertools Midjourney: Auf dem offiziellen Facebook-Account wurde am 25. März 2023 der Eingabetext veröffentlicht, mit dem das virale Bild des Papstes generiert wurde.
In den vergangenen Jahren hat sich KI so stark verbreitet, dass praktisch jeder einfach KI-generierte Bilder und Videos erstellen kann. Und so wurde Franziskus zum ersten Papst, von dem zahlreiche Fake-Bilder kursierten. Laut Felix Neumann, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten Deutschlands, gibt es dafür aber noch einen weiteren Grund: "Der Papst ist nicht nur ein Mensch, er ist auch ein Symbol". Die luxuriöse weiße Jacke stellt ihn als wohlhabenden Mann dar, was Neumann zufolge einen "absurden Gegensatz" zeigen soll: "Ausgerechnet der bescheidene Papst Franziskus, der den bescheidenen Franz von Assisi als Namenspatronen hat, trägt eine unglaublich stylische Designerjacke. Und diese Fallhöhe macht es attraktiv, mit dem Papst, mit seinem Bild zu spielen."
Vorwürfe einer Zusammenarbeit mit der Diktatur in Argentinien
Behauptung: "Jorge Mario Bergoglio hat mit der argentinischen Junta zusammengearbeitet und ist möglicherweise sogar für die Folterung von zwei Jesuiten verantwortlich", schreibt ein X-User.
DW-Faktencheck: Unbelegt
Noch bevor Jorge Mario Bergoglio zum Papst Franziskus wurde, wurde ihm eine Zusammenarbeit mit der Militärdiktatur in Argentinien vorgeworfen. 1976 soll er als Leiter der argentinischen Provinz des Jesuitenordens angeblich dazu beigetragen haben, dass die Jesuitenpriester Orlando Yorio und Francisco Jalics vom argentinischen Militär entführt und fünf Monate gefoltert wurden.
Während des sogenannten "Schmutzigen Krieges" von 1976 bis 1983 verfolgte die Militärdiktatur politische Dissidenten, insbesondere jene, die im Verdacht standen, Verbindungen zu linken Gruppen zu haben. Menschenrechtsorganisationen sprechen heute von bis zu 30.000 Verschwundenen, darunter Priester, Nonnen und Kirchenarbeiter.
Einige journalistische Untersuchungen (1986 und 2005) behaupteten, Bergoglio habe Verbindungen zum Militär gehabt und von der bevorstehenden Verhaftung der Priester gewusst, ohne etwas zu unternehmen. Nello Scavo, Mitautor des Buches "Fake Pope", bestreitet dies im DW-Gespräch und sagt, Bergoglio habe persönlich Admiral Massera und Junta-Chef Videla gebeten, Yorio und Jalics freizulassen. Scavo zufolge half Bergoglio mehreren Menschen heimlich, der Diktatur zu entkommen.
Der Papst und der Vatikan haben alle Vorwürfe zu seiner Rolle während der argentinischen Militärdiktatur zurückgewiesen, aber nie vollständig aufgeklärt. Franziskus hat während seines Pontifikats viele Länder besucht, jedoch nie Argentinien, angeblich um die Politisierung seines Besuchs zu vermeiden.