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Faktencheck: Kein Wahlbetrug gegen AfD

22. Februar 2025

Laut Internet-Videos wird die AfD bei der Bundestagswahl in Hamburg und Leipzig angeblich betrogen. In einem Video werden vermeintliche Stimmen vernichtet, in anderen fehlt die AfD auf dem Stimmzettel. Was ist dran?

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X-Post mit einem Video: angebliche Briefwahlumschläge in einer gelben Wanne und dem Text: "Anscheinend hat jetzt eine Verrückte ein Video davon gemacht, wie sie im Postamt wahllos Wahlzettel zerstört. Können wir mal eine Woche ohne Wahl-Chaos auskommen?"
So sehen Briefwahlumschläge in Hamburg nicht aus. Das Video ist ein Fake.Bild: Quelle: X

Kurz vor der Bundestagswahl 2025 kursieren mehrere falsche Videos in Sozialen Medien. Sie zeigen angeblichen Wahlbetrug, durch den die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextremistische AfD bei der Wahl benachteiligt wird.

Solche Videos können nicht nur die AfD als Opfer von Wahlmanipulation darstellen. Sie sind auch geeignet, die Glaubwürdigkeit der demokratischen Wahlen in Deutschland an sich zu untergraben. 

Werden AfD-Stimmen in Hamburg vernichtet? 

Behauptung: "Anscheinend hat jetzt eine Verrückte ein Video davon gemacht, wie sie im Postamt wahllos Wahlzettel zerstört. Können wir mal eine Woche ohne Wahl-Chaos auskommen?" 

Dies war in einem Post eines inzwischen suspendierten X-Accounts lesen. In dem dazugehörigen Video sind Hände zu sehen, die angebliche Briefwahl-Umschläge aus dem Stadtstaat Hamburg öffnen, deren Inhalt sie nach der Stimmabgabe sortieren: Wahlzettel, auf denen die AfD angekreuzt ist, werden in einem Reißwolf geschreddert, die anderen werden beiseitegelegt. Eine Frauenstimme erklärt auf deutsch das Vorgehen.

Das Video war zum Zeitpunkt der letzten Archivierung bereits mehr als 750.000-mal abgerufen worden. Es wurde auf X und mehreren anderen Plattformen, darunter TikTok und YouTube, verbreitet, von denen viele zum Zeitpunkt unserer Recherche bereits gelöscht waren. Andere waren noch online, so wie diese Variante, in der zudem angedeutet wird, dass das Landeskriminalamt wegen der angeblichen Wahlfälschung ermittle.

DW-Faktencheck: Fake.

Das Video ist den Behörden tatsächlich bereits bekannt. Allerdings ermitteln sie nicht, gegen Wahlhelfer, die angeblich Stimmen vernichten. Im Gegenteil, sie warnen davor, dem Video Glauben zu schenken: Das Landeswahlamt der Freien und Hansestadt Hamburg informiert über den Sachverhalt auf seiner Website darüber in normaler und in einfacher Sprache

Ein Stimmzettel, Briefwahlumschlag und weitere Wahlunterlagen in einer Hand über einem Holztisch
Das Landeswahlamt Hamburg informiert über den Ablauf der Briefwahl und zeigt dabei auch, wie die echten Wahlunterlagen aussehenBild: hamburg.de

Demnach handelt es sich bei den Wahlunterlagen um Fälschungen, und somit um Stimmen, die nicht gezählt worden wären. Es gibt in dem Video einige Hinweise darauf, dass es sich um Fälschungen handelt: zum Beispiel haben die rosafarbenen Umschläge "eine falsche Farbe, eine andere Beschriftung und eine fehlerhafte Lasche auf der Vorderseite", erklärt das Landeswahlamt.

Landeswahlleiter Oliver Rudolf erklärt auf der Website des Landeswahlamtes: "Videos wie dieses sind der perfide Versuch, unsere demokratischen und freien Wahlen zu delegitimieren. Wir konnten in diesem Fall schnell und eindeutig feststellen, dass es sich um einen Fake handelt."

Es ist aber nicht die einzige Behauptung zu Wahlbetrug zu Ungunsten der AfD, die aktuell im Netz viral ist. 

Wahlzettel aus Leipzig ohne AfD?

Behauptung: "Auf den Stimmzetteln fehlt die Spalte für die Wahl der Partei Alternative für Deutschland (AfD). Mehrere Beschwerden sind aufgetaucht, doch die Mainstream-Medien schweigen zu diesem kritischen Thema", heißt es in einem X-Post mit gleich drei verschiedenen Videos, die auch einzeln in anderen Social-Media-Posts verbreitet wurden. Alle Videos zeigen einen angeblichen Stimmzettel, auf denen die Zeile für die AfD und ihren Direktkandidaten fehlt. Unterschiedliche Stimmen drücken dabei Verwunderung über diesen Umstand aus.

Dieses Video wurde auf mehreren Plattformen wie TikTok, Telegram und Instagram viral verbreitet. Es ist zusätzlich auch auf anderen Sprachen wie Englisch und Französisch geteilt worden. 

DW-Faktencheck: Fake.

Diese angeblichen Wahlunterlagen sehen auf den ersten Blick authentisch aus. So hat jede Partei eine eigene nummerierte Zeile, in der jeweils auf der linken Seite die Erststimme für die Direktkandidaten und rechts die Zweitstimme abgegeben wird. Diese stimmen auch zum größten Teil mit den echten Stimmzetteln aus Leipzig überein. Nur die erste Zeile wurde bei den Fälschungen komplett weggelassen.

Y-Post von einem Video mit einem scheinbar echten Wahlzettel, auf dem die SPD zu oberst steht, daneben der Post auf Französisch, der Wahlbetrug anprangert und die Zählung 4,7 Mio. Views
An oberster Stelle müsste auf Stimmzetteln in Sachsen die AfD stehen. Doch den Behörden liegen keine Beschwerden über derlei falsche Wahlunterlagen vorBild: Quelle: X

Auf den echten Unterlagen für Leipzig steht die AfD bei dieser Bundestagswahl ganz oben auf dem Stimmzettel, weil sie bei der letzten Bundestagswahl in Sachsen die höchste Stimmenzahl erhielt. Die Reihenfolge der Landeslisten von Parteien auf den Stimmzetteln richtet sich nämlich nach der Zahl der Zweitstimmen, die sie bei der letzten Bundestagswahl im Land Sachsen erreicht haben, wie auf der Seite der Bundeswahlleiterin zu lesen ist. Die "Stimmzettel" in den Videos hingegen beginnen erst mit Zeile 2, in der auch auf den echten Unterlagen die SPD aufgeführt ist.

Dass bei der Produktion tatsächlich Fehldrucke entstanden seien, die irrtümlich ausgeliefert wurden, schließt die zuständige Wahlbehörde aus. Alle Unterlagen seien in einer einzigen Charge gedruckt worden, die dann durchgehend denselben Druckfehler aufweisen müsste. Und dies wäre in jedem Fall längst aufgefallen: "Im Zuge der Briefwahl sind bereits mehr als 140.000 Stimmzettel an Wählerinnen und Wähler ausgereicht und es gibt bisher keinerlei entsprechende Hinweise aus der Bevölkerung", heißt es auf der Website der Stadt Leipzig. Sie spricht von einer "offenbar gezielten Kampagne", mit der derzeit versucht werde, den Bundestagswahlkampf in Leipzig zu beeinflussen.  

Wer steckt hinter den Videos über angeblichen Wahlbetrug?

Bisher ist unklar, woher die Fake-Videos stammen. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte zu dem vermeintlich aus Hamburg stammenden Video mit, dass konkrete Hinweise auf einen Zusammenhang mit "Storm 1516" vorlägen. Dabei handelt es sich um eine von mehreren russischen Desinformationsgruppen, die durch gezieltes Streuen von Falschinformationen und Fakes wie diesen versucht, demokratische Wahlen zu manipulieren. Die Verbreitungswege sowie die Machart der Videos ähnelten stark anderen Fällen, die auf "Storm 1516" zurückgehen, so der Ministeriumssprecher. 

Ein Fake-Video nach demselben Schema gab es beispielsweise bei den Präsidentschaftswahlen in den USA. Auch darin wurden angeblich offizielle Stimmzettel, die per Briefwahl eingereicht wurden, vernichtet, wenn das Kreuz bei dem späteren Wahlsieger und heutigen US-Präsidenten Donald Trump gemacht worden war. 

Hinweis: Dieser Artikel entstand im Rahmen der Kooperation der ARD Faktenchecker von ARD-faktenfinder, BR24 #Faktenfuchs, und DW Fact check.

Dieser Artikel wurde aktualisiert und hat einen neuen Titel und Teaser erhalten.

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.