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PolitikNahost

Faktencheck: Falsche Bilder zur Gewalt in Syrien

Kathrin Wesolowski | Emad Hassan
12. März 2025

Im Internet kursieren brutale Videos und Bilder über die jüngste Gewalteskalation in Syrien. Einige sind authentisch, viele zeigen aber etwas ganz anderes. Ein DW-Faktencheck.

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Konflikte in Syrien
Im Netz werden viele falsche Bilder des aktuellen Konflikts in Syrien geteilt, dieses ist echt.Bild: Syrian Civil Defense White Helme/dpa/picture alliance

Hinweis: Dieser Faktencheck untersucht Bilder und Videos, die Gewaltdarstellungen zeigen und verstören können.

Syrien erlebt derzeit eine der tödlichsten Episoden des seit 14 Jahren andauernden Konflikts im Land. Laut des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR), das seinen Sitz im Vereinigten Königreich hat, wurden mindestens 973 Zivilisten an mehr als 20 Standorten in den Regierungsbezirken Latakia, Tartus und Hama getötet. Laut SOHR gehören die meisten getöteten Zivilisten der religiösen Minderheit der Alawiten im Land an.

Die Gewalt brach aus, nachdem Regimeanhänger des gestürzten Diktators Baschar al-Assad vergangene Woche eine syrische Sicherheitspatrouille in einen Hinterhalt gelockt hatten. Dies führte zu heftigen Zusammenstößen und einer Serie von Rachemorden, die sich gegen Assads alawitische Anhänger richteten. Berichten zufolge wurden aber auch Zivilisten aus unterschiedlichen Gruppen getötet.

Bei Eskalationen wie dieser werden viele Videos und Bilder online verbreitet. Doch entgegen zahlreicher Behauptungen zeigt einiges, was in den Sozialen Medien kursiert, gar nicht die aktuellen Geschehnisse in Syrien, sondern Szenen aus anderen Konflikten oder solche, die zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sind. Während zahlreiche Posts zwar tatsächlich die aktuellen Gräueltaten in Syrien zeigen, kursieren auch einige falsche Behauptungen oder Inhalte, die in einem falschen Kontext verbreitet werden. DW Faktencheck  hat einige virale Behauptungen überprüft.

Zeigt dieses Bild die Kreuzigung von Christen?

Ein Screenshot zeigt die Erschießung eines Menschen, der gekreuzigt wurde
Dieses grausame Video hat nichts mit den aktuellen Geschehnissen in Syrien zu tunBild: X

Behauptung: "Islamistische Dschihadisten kreuzigen Christen in Syrien, während der Vatikan und bestimmte Kardinäle Ramadan feiern", heißt es in einem viralen Beitrag auf X. Zudem wurde ein Foto hinzugefügt, das die angebliche Szene zeigt. Mehrere Posts und Onlineartikel wiederholen diese Behauptung.

DW-Faktencheck: Falsch

Das Foto ist ein Screenshot eines älteren Videos und steht nicht in Zusammenhang mit den derzeitigen Ereignissen in Syrien. In dem Video sieht man, wie die Person hinter dem Mann diesem in den Kopf schießt. Da die Bilder sehr grausam sind, fügen wir hier keinen Link zu dem Video hinzu. Eine Bilderrückwärtssuche zeigt, dass das Video mindestens aus 2017 stammt. Wo diese grausamen Szenen genau stattgefunden haben, konnten wir in unserer Recherche nicht herausfinden.

In den sozialen Medien wird zudem verbreitet, dass Christen ein Hauptziel der jüngsten Anschläge der Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) sind. Dafür gibt es jedoch keinerlei Beweise. Im Gegenteil: Christliche Anführer veröffentlichten am 8. März ein gemeinsames Statement auf Facebook (hier archiviert), in dem sie die Gewaltakte gegen unschuldige Zivilisten streng verurteilen. Sie erwähnen aber eben nicht, dass Christen das Hauptziel der Angriffe gewesen seien.

Eine weitere Stellungnahme der katholischen Kirche in Latakia dementiert, dass die dortigen Kirchen ihre Hallen für syrische Familien und Zivilisten öffnen. "Diese Nachricht ist nicht wahr, da die aktuelle Situation in der Stadt Latakia es nicht erfordert, solche Maßnahmen zu ergreifen", heißt es in der Erklärung. Auch lokalen Nachrichtenberichten zufolge sind Christen nicht das Hauptziel der aktuellen Angriffe. Sowohl laut lokalen als auch laut internationalen Berichten waren Alawiten das Hauptziel der jüngsten Angriffe.

Dieses Video zeigt keinen enthaupteten Mann

Behauptung: Ein Video (hier archiviert) zeigt angeblich einen Mann, der von HTS-Rebellen enthauptet werde. Im Hintergrund ist das Weinen von Frauen und Kindern zu hören.

DW-Faktencheck: Fake

In dem Screenshot eines Videos sieht man nicht einen geköpften Mann, sondern eine Tanzaufführung
Dieses Bild wird in falschem Kontext verbreitet und zeigt keinen geköpften MannBild: X

Das Video wurde auf diversen Accounts auf verschiedenen sozialen Netzwerken geteilt. Eine Bilderrückwärtssuche ergibt jedoch, dass es nicht mit den aktuellen Geschehnissen in Syrien zusammenhängt. Außerdem zeigt es keine enthauptete Person.

Über eine Bilderrückwärtssuche konnten wir eine ältere Version des Videos auf YouTube finden, die mindestens auf das Jahr 2022 zurückgeht. Im Originalvideo ist ein Mann zu sehen, der bei einem besonderen Tanzstil seinen Kopf unter seinem Körper versteckt. Später im Video ist sein Kopf auch klar sichtbar.

Ebenso ist im Originalvideo im Hintergrund Musik zu hören, die auf eine Darbietung und Spaßveranstaltung hinweist. Die Behauptung zu diesem Video ist demnach falsch und es steht nicht im Zusammenhang mit dem aktuellen Konflikt in Syrien. 

Viele Personen werden fälschlicherweise als Opfer ausgegeben

In dem Screenshot eines Posts auf X wird eine Person betrauert, die angeblich in Syrien umgebracht wurde. Das stimmt aber nicht
Es kursieren viele angebliche Todesopfer im NetzBild: X

Behauptung: In einem viralen Post (hier archiviert) wird angegeben, dass die X-Nutzerin "@Reemmnzer" eine alawitische Bürgerin war, die an der Küste Syriens getötet wurde. Sie habe nur Minuten vor ihrer Ermordung auf ihrem Profil etwas gepostet. 

DW-Faktencheck: Falsch

Diese Frau wurde nicht getötet, wie sie selbst in einem Beitrag auf X klar stellt. Sie macht sich über die falsche Behauptung lustig und sagt: "Möge Gott mir gnädig sein. Wir gehören zu Gott, und zu ihm werden wir zurückkehren."

Und dies ist nicht der einzige gefälschte Todesfall im Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen in Syrien, der online verbreitet wurde. Viele wurden in ähnlicher Weise geteilt: Es wurden Fotos von Menschen aus dem Netz herausgesucht und mit einem schwarzen Trauerband darauf gepostet. 

Ein solch angebliches Opfer ist auch Sahar Boutros - sie lebt allerdings noch und zwar im US-Bundesstaat Nevada. Auf ihrem X-Account verurteilt sie, dass ihr Bild mit der Falschbehauptung ihres angeblichen Todes veröffentlicht wurde. Sie schreibt, dass das US-Recht die Fälschung und Verbreitung falscher Informationen über Personen sowie die unbefugte Verwendung ihres Bildes verbiete.

Viele Posts in sozialen Medien behaupteten auch, dass ein junges Mädchen namens Dahab Munir Allou in Syrien getötet worden sei. Eine Bilderrückwärtssuche zeigt aber, dass das Foto einfach aus dem Internet stammt, wo es auf diversen Onlineplattformen geteilt wurde. Es gibt zudem keinerlei Nachrichten, die auf die Ermordung eines syrischen Mädchens mit diesem Namen hinweisen.

In diesem Screenshots eines Videos ist der Einsatz von Fassbomben zu sehen. Das hat aber nichts mit den aktuellen Ereignissen in Syrien zu tun.
Auch dieses Video ist alt und hat nichts mit den aktuellen Angriffen in Syrien zu tunBild: X

Eine Rückkehr zu Fassbomben?

Behauptung: Einige Accounts auf Social Media teilten ein Video (hier archiviert), das angeblich Fassbombenangriffe in Syrien durch die derzeitigen Regimekräfte zeigt. In einem der Beiträge heißt es: "Al-Nusra-Terrorgangs greifen syrische Küstenstädte mit Fassbomben an".

DW-Faktencheck: Falsch

Das Video hat nichts mit den aktuellen Ereignissen zu tun und stammt aus dem November 2024. Es wurde in der Gegend der syrischen Stadt Qudsaya in der Bekaa-Tal-Region gefilmt. Es zeigt einen der israelischen Angriffe auf den Libanon während der Kämpfe zwischen den israelischen Verteidigungskräften IDF und der libanesischen Hisbollah, nur einen Tag vor Inkrafttreten des Waffenstillstandsabkommens zwischen Israel und der Hisbollah.

Mehrere Accounts haben das Video repostet und es als angeblich neu aufgenommenes Video aus Syrien ausgegeben. 

Keine nackten Frauen, die unter den Toten vorgeführt wurden 

Behauptung: Auf den Social-Media-Accounts X und TikTok wurde ein Video gepostet (hier archiviert), in dem es heißt: "1.000 Tote, darunter nackte Frauen im Paradies" und "Exekutionen auf der Straße - Syrien stürzt in 48 Stunden brutaler Gewalt". Das Video selbst zeigt in Decken gehüllte Menschen, die in der Nacht auf dem Boden sitzen. Im Hintergrund ist die Stimme eines Mannes zu hören, der auf Arabisch spricht. Er spricht über einige Personen, die vor allem aus dem gestürzten Assad-Regime in Gewahrsam genommen wurden.   

DW-Faktencheck: Falsch

Mit einer Bilderrückwärtssuche haben wir mehrere Videos gefunden, die dieselben Szenen zeigen. Diese stehen im Zusammenhang mit der Rückführung von 1905 syrischen Soldaten aus dem Irak, die am Tag vor dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad am 7. Dezember Zuflucht gesucht und den Irak betreten hatten. Dieses Video wurde am 20. Dezember 2024 von der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu English veröffentlicht und in der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zur am Grenzübergang Al-Bukamal zum Irak gefilmt worden.  

In dem Video sind weder nackte Frauen noch tote Menschen zu sehen. Über eine Stichwortsuche fanden wir ein Video auf der Facebook-Seite der türkischen Nachrichtenagentur (hier archiviert), in dem syrische Soldaten in ähnliche Decken gehüllt zu sehen waren.  

Mitarbeit: Anna Schild, Afrose Jahan und Daniel Ebertz 

Redaktion: Rachel Baig

DW Fact Checking-Team | Kathrin Wesolowski
Kathrin Wesolowski Reporterin und Faktencheckerin zu politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Themen