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Faktencheck: Fake News über Migranten in Deutschland

Anwar Ashraf | Rayna Breuer
6. Februar 2025

Kurz vor der Bundestagswahl verbreiten Politiker und ihre Anhänger irreführende Informationen über Migranten und Asylbewerber in sozialen Medien. Das DW-Faktencheck-Team hat einige Behauptungen überprüft.

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Stacheldrahtzaun an einem Flugplatz, im Hintergrund sind zwei Flugzeuge zu sehen
Migration ist wichtiges Thema bei der kommenden Bundestagswahl - Politiker verschiedener Parteien wollen strengere Regeln und AbschiebungenBild: Daniel Kubirski/picture alliance

Am 23. Februar 2025 findet in Deutschland die vorgezogene Parlamentswahl statt. Der Wahlkampf ist aktuell in vollem Gange: Nicht nur auf der Straße und in den TV-Studios - sondern auch in den sozialen Medien wird viel geredet, vor allem über das Thema Migration. Einiges davon entspricht jedoch nicht den Fakten. Das DW-Faktencheck-Team hat sich zwei Aussagen auf der Plattform X näher angeschaut.  

Screenshot eines X-Post mit einer irreführenden Aussage zu ausreisepflichtigen abgelehnte Asylbewerbern in Deutschland
Die Zahl, die die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar zu ausreisepflichtigen abgelehnte Asylbewerbern nennt, ist zu hochBild: x.com

Behauptung: "In Deutschland leben fast 900.000 abgelehnte Asylbewerber, von denen 304.000 ausreisepflichtig sind - und trotzdem Stütze beziehen. Falls Ihr Euch wieder einmal fragt, wofür Deutschland so Geld ausgibt..."

Dieser X-Post wurde Mitte Januar von der fraktionslosen Bundestagsabgeordneten Joana Cotar veröffentlicht und mehr als 255.000 Mal angesehen. Cotar war Mitglied der Fraktion der rechtspopulistischen AfD, aus der sie 2022 ausgetreten ist.

DW-Faktencheck: Irreführend

Es stimmt, dass fast 900.000 abgelehnte Asylbewerber in Deutschland leben. Die Zahl, die Joana Cotar zu den ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerbern nennt, ist jedoch zu hoch.

In Deutschland leben 202.880 ausreisepflichtige Personen (Stand: 31.12.2024). Das bestätigt das Bundesinnenministerium auf Anfrage der Deutschen Welle. Unter "ausreisepflichtig" fallen etwa abgelehnte Asylbewerber, aber auch Personen, deren Visum abgelaufen ist. Die Gesamtzahl der abgelehnten Asylbewerber unter diesen Ausreisepflichtigen lag zum Stichtag 30.6.2024 bei 128.355 - und nicht 304.000 wie im X-Post behauptet. Diese Auskunft erteilte die Bundesregierung auf Anfrage einiger Abgeordneter (Seite 23).

Doch nicht jeder, der ausreisepflichtig ist, kann nach deutschem Recht tatsächlich abgeschoben werden. Die Mehrheit - rund 86 Prozent - der Ausreisreisepflichtigen haben laut den Zahlen der Bundesregierung eine Duldung. Geduldete können in der Regel nicht abgeschoben werden, da sie beispielsweise keine Ausreisedokumente besitzen, eine Ausbildung machen oder eine Krankheit haben. Das Instrument der Duldung ist im Aufenthaltsgesetz verankert. 

Die Anzahl der abgelehnten Asylbewerber ohne Duldung, die ausreisepflichtig sind und sofort abgeschoben werden könnten, liegt etwa bei 17.583 (Stand: 30.06.2024). Sie gehören zu den sogenannten "unmittelbar Ausreisepflichtigen". 

Screenshot eines X-Post vom offiziellen Parteiaccount der AfD mit irreführenden Aussagen über den Status von Syrischen Staatsbürgern in Deutschland
Der X-Post vom Parteiaccount der AfD stellt die Situation von syrischen Staatsbürgern in Deutschland verkürzt darBild: x.com

Behauptung: "Nur 0,5 % der #Syrer asylberechtigt: Scheinflüchtlinge konsequent abschieben! Neue Zahlen widerlegen das Märchen der etablierten Parteien, wonach angeblich nur 'Flüchtlinge' aus Syrien zu uns gekommen wären. #AfD"

Der X-Post erschien auf dem offiziellen Account der AfD. In dem beigefügten Bericht auf der Website der Partei wird behauptet, die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) habe gesagt, dass von 974.136 Syrern, die in Deutschland leben, nur 5090 asylberechtigt seien.

DW-Faktencheck: Irreführend

Es ist korrekt, dass etwas mehr als 5000 Syrerinnen und Syrer in Deutschland den vollen Asylstatus erhalten haben. Das sind in der Tat rund 0,5 Prozent der knapp 975.000 syrischen Staatsangehörigen, die laut Bundesinnenministerium in Deutschland leben (Stand 31.10.2024). Der Status der Syrerinnen und Syrer in Deutschland ist jedoch komplex. Hunderttausende haben Schutz in verschiedenen Kategorien bekommen. Hier verkürzt der Post, was ihn irreführend macht.

Sophie Meiners, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sagte im DW-Gespräch zu der AfD-Behauptung: "Diese Aussage ist falsch und irreführend, weil sie verkennt, dass die Asylberechtigung nur ein kleiner Anteil der Schutzmöglichkeiten ist, die man in Deutschland bekommen kann. Syrien ist eins der Länder, die die größte Schutzquote haben."  Laut Statistischem Bundesamt hatten Ende 2023 fast 88 Prozent der syrischen Schutzsuchenden einen anerkannten Schutzstatus.

In Deutschland gibt es vier Arten von Schutz: Asylrecht, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz und Abschiebungsverbot, erklärte Lena Treß, Sprecherin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge auf eine schriftliche Anfrage der DW: "Die meisten Asylbewerber aus Syrien genießen subsidiären Schutz." Darunter fielen nach Angaben des Bundesinnenministeriums mehr als 330.000 Syrerinnen und Syrer (Stand 31.10.2024).

Subsidiärer Schutz bedeutet: Die Menschen haben weder einen Flüchtlingsschutz noch eine Asylberechtigung, ihnen drohte bisher in ihrem Heimatland aber ernsthafter Schaden. Darunter fällt beispielsweise die Todesstrafe, Folter oder wenn die Person bedroht ist durch willkürliche Gewalt in einem bewaffneten Konflikt.

Menschen schwenken syrische Fahnen auf einer Straße mit Weihnachtsbeleuchtung
Exil-Syrer in Deutschland feierten im Dezember dem Sturz von Syriens Langzeitmachthaber Baschar al-AssadBild: Andreas Arnold/dpa/picture alliance

Unter dem Regime von Baschar al-Assad waren die Menschen in Syrien Bedrohungen wie Folter, unmenschlicher Behandlung und sogar der Todesstrafe ausgesetzt, sodass viele keine andere Wahl hatten, als zu fliehen. Seit dem Sturz von Assad Ende vergangenen Jahres wird in Deutschland über den Umgang mit syrischen Geflüchteten diskutiert - ein zentrales Thema im Wahlkampf für mehrere Parteien. Noch ist völlig unklar, wie die neuen Machthaber das Land künftig regieren wollen. Ein neuer Plan von Innenministerin Faeser sieht vor, dass ein Teil der geflüchteten Syrer unter bestimmten Bedingungen in ihr Heimatland zurückkehren muss

Mitarbeit: Dr. Ruba Khouzam, Daniel Ebertz und Björn Kietzmann.
Dieser Artikel wurde aktualisiert.

DW Mitarbeiterportrait | Rayna Breuer
Rayna Breuer Multimediajournalistin und Redakteurin