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Fachkräfte: Willkommen in Bochum

Klaus Deuse
6. August 2025

Beim Werben um Fachkräfte aus dem Ausland setzt eine Stadt im Ruhrgebiet auf ungewöhnliche Mittel. Ein Welcome-Office soll neuen Bürgern den Einstieg erleichtern.

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Deutschland 2025 | Welcome Office Bochum
Das Welcome-Office soll durch den Bürokratie-Dschungel helfenBild: Lutz Leitmann/Stadt Bochum

Nach Erhebungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fehlen schon heute über 530.000 qualifizierte Fachkräfte in Deutschland. Bis 2030 könnten der Fachkräftemangel laut IW auf fünf Millionen steigen.

Auch in der Ruhrgebietsstadt Bochum ist man überzeugt: Um den demografisch bedingten Aderlass aufzuhalten, müssen Arbeits- und Fachkräfte von außerhalb angeworben werden. Denn der Blick, den die Stadt vor zwei Jahren gemeinsam mit der Agentur für Arbeit nach vorne warf, fiel ernüchternd aus.

"In den kommenden zehn Jahren werden über 30.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Bochum das durchschnittliche Rentenalter erreichen und damit aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden", sagt Dominik Kluba vom Referat des Oberbürgermeisters der DW.

Nach dieser Analyse fanden sich mehrere Institutionen in einer konzertierten Aktion zusammen, um qualifizierte ausländische Kräfte nicht nur zu finden, sondern sie nach der Ankunft auch zum Bleiben in Bochum zu bewegen. Eine Aufgabe, für die die Partner eigens ein sogenanntes Welcome-Office gegründet haben. 

Deutschland 2025 | Welcome Office Bochum
Ansprache zur Eröffnung: Dominik Kluba, der Leiter des Welcome Office (mit Mikrofon)Bild: Lutz Steimann/Stadt Bochum

Unter dem Dach des Welcome-Office Bochum stehen neben der Stadt die Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet (IHK), die Agentur für Arbeit, die Handwerkskammer Dortmund sowie die Ruhr-Universität als miteinander verzahnte Ansprechpartner zur Verfügung, erläutert Kluba, der das Welcome-Office leitet.

Schnell sei klar gewesen, dass für eine umfassende Betreuung von der Anerkennung einer Ausbildung bis hin zur Vermittlung einer Wohnung verschiedene Kooperationspartner benötigt werden. Die mussten dann nicht lange überzeugt werden, innerhalb eines Jahres stand die Vereinbarung.

Begleitung vom Sprachkurs bis zur Wohnungssuche

Zu den Aufgaben des Welcome-Office gehört auch die Unterstützung von Unternehmen, die selbst im Ausland Fachkräfte rekrutieren. "Wenn die Unternehmen sagen, eine Fachkraft kommt jetzt in zwei, drei Monaten nach Bochum, dann kontaktieren sie uns schon im Vorfeld. Denn da geht es auch schon um Themen wie Wohnungssuche und eventuell Kinderbetreuung", so Kluba. Schon zu diesem Zeitpunkt könne man als Brückenbauer agieren.

So kooperieren Kluba und sein Team mit dem Familienbüro, dem Bürgerbüro und dem Ausländerbüro der Stadt sowie auf dem kurzen Dienstweg mit der Ruhr-Universität und den Wohnungsgesellschaften.

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Ein Büro für alles: Duygu Bicen (links) und Batuhan Yavuz von der Stadt Bochum im Welcome OfficeBild: Lutz Steimann/Stadt Bochum

Um die Ankunft möglichst reibungsfrei zu gestalten, hat die Industrie- und Handelskammer mit Frank Chuchrak eigens einen Anerkennungsberater in Vollzeit eingestellt. Er kümmert sich darum, dass im Ausland erworbene Qualifikationen schnell von den zuständigen Instanzen anerkannt werden. Allein wären die gesuchten Fachkräfte im deutschen Behördendickicht damit überfordert, so Chuchrak zur DW.

"Es gibt die Köchin aus Polin, aber auch die Zahnärztin aus Venezuela. Und je nachdem, welche Qualifikationen die Menschen mitbringen, gibt es sehr viele unterschiedliche Stellen, die für die Anerkennung zuständig sind." Denn ohne Anerkennung bleibe der Zugang zum Arbeitsmarkt erst einmal versperrt.

Auch Arbeitgeber suchen Beratung

Mittlerweile haben im Welcome-Office Bochum schon über 400 Beratungsgespräche stattgefunden. Die Agentur für Arbeit hilft dabei auch Arbeitgebern, die Mitarbeiter aus dem Ausland suchen.

Das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz biete zwar viele Möglichkeiten, aber die Umsetzung sei nicht gerade leicht, sagt Gabriel Brandenberg von der Bochumer Agentur für Arbeit.

Aktuell bestehe etwa eine große Nachfrage nach Physiotherapeutinnen und -therapeuten. Praxen, die solche Fachkräfte suchen, können aktiv auf die zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur zugreifen und in die direkte Vermittlung gehen.

"Den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern können wir so auf kurzem Weg Menschen vorschlagen, mit ihnen ins Gespräch kommen und dann auch gemeinsam die Auswahl durchführen", so Brandenberg.

Ziel: Zum Bleiben bewegen

Das Angebot, alle Ansprechpartner unter einem Dach antreffen zu können, hat Lara Stirnberg auf Anhieb überzeugt. Sie arbeitet bei der Diakonie Ruhr, einem kirchlichen Wohlfahrtsverband, der Hilfe für Alte, Kranke, Kinder- und Jugendliche oder Geflüchtete anbietet.

Stirnberg ist zuständig für die Betreuung von ausländischen Kräften für die qualifizierte Pflegeausbildung. "Hier habe ich die Chance, alle Menschen am ersten Tag ins Welcome-Office zu bringen. Es wird einmal alles erledigt. Mehrere Termine sind selten notwendig."

Deutschland 2025 | Welcome Office Bochum
Verschiedene Einrichtungen sind im Welcome Office vertreten (v.l.n.r.): Christopher Meier, Sprecher der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit; Prof. Dr. Martin Paul, Rektor der Ruhr-Universität; Oberbürgermeister von Bochum Thomas Eiskirch; Kerstin Feix, Vizepräsidentin der Handwerksammer Dortmund; IHK-Präsident Philipp BöhmeBild: Lutz Leitmann/Stadt Bochum

Lara Stirnberg wird bald mit neuen Schützlingen ins Welcome-Office kommen, denn jedes halbe Jahr holt ihre Einrichtung 40 neue Kräfte aus dem Ausland. "Wir haben mehrere Auszubildende aus Indien, der Türkei, Marokko, Tunesien, Vietnam, China. Ohne sie geht es nicht mehr. Mit dem Blick auf die nächsten Jahre muss man tatsächlich sagen: Wir sind darauf angewiesen."

Das gilt nicht nur für den Bereich der Pflege. In einer Universitätsstadt wie Bochum geht es aber auch darum, ausländische Uni-Absolventen zum Bleiben zu ermuntern, betont Office-Leiter Kluba. "Wir möchten nicht nur die Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen, sondern auch die, die schon hier sind und studiert haben."

Willkommens- und Bleibekultur beschränkt sich nicht auf die Arbeitswelt. Nach den Worten von Sven Frohwein von der IHK geht es auch um die soziale Einbindung. "Beispielsweise über Ehrenämter, aber auch über Sportvereine und andere Einrichtungen, um die Freizeit zu gestalten und neue Freundschaften zu schließen."

Das Ziel: ankommen in der neuen Heimat - und vielleicht nach einem Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft für immer bleiben. Das, sagt Thomas Sprenger, Sprecher der Stadt Bochum, sei "genau das, was wir uns erhoffen. Wir würden uns sehr darüber freuen."

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