Ex-KP-Chefin im Kosovo macht Opportunismus der kommunistischen Organe für die Machtübernahme Milosevics verantwortlich
19. Februar 2002Anzeige
Köln, 18.2.2002, DW-radio / Albanisch
Die frühere Vorsitzende des Zentralkomitees der kommunistischen Partei Jugoslawiens in Kosova, Kaqusha Jashari, hat die Ansicht Vertreten, dass für den Aufstieg von Slobodan Milosevic der Opportunismus der kommunistischen Parteigliederungen in den jugoslawischen Teilrepubliken verantwortlich gewesen sei. Jashari, die heute Ko-Vorsitzende des Bauressorts in der UN-Verwaltung Kosovas und Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei ist, erläutert ihre Position im Interview mit der Deutschen Welle
Frage
: Frau Jashari, hätte es Ihrer Meinung nach eine Möglichkeit gegeben, den Aufstieg von Milosevic zu verhindern?Antwort
: Mit dem zeitlichen Abstand von über zehn Jahren betrachtet denke ich, dass die kommunistischen Organe damals von starkem Opportunismus befallen waren. Der war das große Problem. Es war nicht so, als ob sein Verhalten nicht aufgefallen wäre. Alle haben sich vor ihm in Acht genommen, und sie haben gedacht, – ich meine die Vertreter der damaligen jugoslawischen Republiken Slowenien, Kroatien und Mazedonien – dass das Problem sich nicht ausbreitet, sondern auf die Grenzen Serbiens mit seinen autonomen Provinzen Kosova und Vojvodina beschränkt bleiben würde. Dann merkten sie, dass das nicht stimmte. Ich habe gemeinsam mit einigen Kollegen warnend darauf hingewiesen, dass dieses Problem keine Kleinigkeit war. Milosevics Aktivitäten in Kosova konzentrierten sich darauf, die Serben in Kosova zu manipulieren. Eine einheitliche Haltung dagegen gab es nicht, zum einen wegen des Opportunismus und zum anderen, weil die Leute auf sich selbst aufgepasst haben. (...)Frage
: Hat Milosevic damals die kommunistischen Prinzipien verteidigt oder war die kommunistische Partei sein Instrument zur Verwirklichung der nationalistischen Träume?Antwort
: Wir können nicht alles, was passiert ist, in einen Zusammenhang mit Milosevic stellen. Eine lange Zeit vor der Machtübernahme Milosevics war das Engagement der serbischen Politik darauf gerichtet, die Autonomie Kosovas zu beschneiden. Denken Sie mal daran, wie sich im Jahre 1981 (als Demonstrationen, auf denen der Status einer Republik innerhalb Jugoslawiens für das Kosovo gefordert wurde, blutig niedergeschlagen wurden – MD) die kommunistischen Parteien in den Teilrepubliken gegenüber Kosova verhalten haben. Es wurden schwere Vorwürfe gegen Kosova erhoben. Ich denke, dass Milosevic im Rahmen der kommunistischen Partei die absolute Unterstützung besaß. In diesem Prozess hatte die Serbische Akademie der Wissenschaften einen großen Einfluss. (...)Frage:
In seiner Verteidigungsrede in Den Haag behauptet Milosevic, er habe die volle Unterstützung der serbischen Bürger gehabt.Antwort
: Das ist wahr. Einige konnten sich nicht gegen ihn stellen, andere durften nicht. Er benutzte aber einen Wortschatz, der den Bürgern gefallen hat. Nachdem er die Unterstützung der Mehrheit auf großen Kundgebungen hatte, indem er skandierte "Den Serben wird Unrecht angetan" und besonders indem er die Presse für sich vereinnahmt hatte, muss man sagen, dass er die allgemeine Unterstützung hatte. Ich war jedoch nie bereit, die Politik und das Volk in einen Topf zu werfen. Milosevics Aktivitäten und seine kommunistische Partei waren darauf ausgerichtet, vieles mit Zwang durchzusetzen. Die Menschen waren sehr empfindlich, aber ich glaube, dass nach allem, was geschehen ist, das serbische Volk langsam Selbstbewusstsein entwickeln wird. (...) Interview: Esat Ahmeti (MK)Anzeige