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Europäisches Konsortium darf bulgarische MiG-Flugzeuge nicht modernisieren

5. März 2002

– Das WIRTSCHAFTSBLATT meint, Bulgarien habe damit "den ökonomischen und militärischen Interessen des Westens einen Fußtritt versetzt"

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Sofia, März 2002, WIRTSCHAFTSBLATT, deutsch

Der russische Flugzeugbauer MiG hat die Ausschreibung für die Instandsetzung und Modernisierung der Düsenjäger des Typs MiG-29 der bulgarischen Luftstreitkräfte gewonnen. Die Russen schafften als Einzige den Einzug in die Schlussrunde. Die anderen vier Kandidaten - zwei israelische Firmen, ein weißrussisches Flugzeuginstandsetzungswerk und das europäische EADS-Konsortium - wurden disqualifiziert, angeblich wegen der Vorlage lückenhafter Dokumentationen. Diese vom bulgarischen Verteidigungsminister Nikolai Swinarow bekannt gegebene Entscheidung basiert auf den Schlussfolgerungen der von ihm eingesetzten Kommission.

Wirtschafts- und Militärkreise Bulgariens und Deutschlands, die mit der Angelegenheit vertraut sind, reagierten mit großer Überraschung.

Unabhängige Flugzeugexperten vertreten einmütig die Ansicht, die russische Firma MiG könne die Maschinen zwar reparieren, sie jedoch nicht gemäß den NATO-Standards modernisieren. Unter allen Kandidaten sei lediglich die EADS dazu in der Lage. (...)

Das Wirtschaftsblatt verfügt über inoffizielle Informationen, wonach die Disqualifizierung des europäischen Konsortiums "wegen lückenhafter Dokumentation" vom bulgarischen Verteidigungsministerium vorgenommen wurde, das sich dabei auf fadenscheinige, ja sogar komisch wirkende Argumente stützte. So zum Beispiel seien Zweifel an der Legitimität der vom Konsortium vorgelegten Dokumente geäußert worden. Außerdem fehle eine Bescheinigung, dass der Bewerber technisch (!) in der Lage sei, die Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten auszuführen - und das trotz der Tatsache, dass die in Deutschland modernisierten und nachgerüsteten MiG-29-Jäger schon seit sieben Jahren im Einsatz sind. Es folgen weitere unsinnige Behauptungen, wie etwa die, der Kandidat besitze kein Dokument, welches bescheinige, dass er zum Umgang mit vertraulicher Information berechtigt sei. Wie ungeschickt die Ausschaltung von EADS bewerkstelligt worden sei, zeige sich auch darin, dass sich der technische Auftrag auf Standards berufe, die im Jahr 1982 (!) vom bulgarischen Ministerrat bestätigt worden sind und die verlangen, dass die Ersatzteile und Aggregate in einem sozialistischen Land produziert sein müssen.

Was hätte Bulgarien eine Zusammenarbeit mit der EADS gebracht?

Die Beteiligung der EADS am Programm für die Modernisierung der bulgarischen MiG-29 ermögliche den bulgarischen Flugzeuginstandsetzungswerken den Zugang zur hoch profitablen europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie und schaffe Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit nicht nur im militärischen, sondern auch im zivilen Bereich. Gemäß der Offerte, die die EADS den bulgarischen Behörden unterbreitet habe, sollen die eigentlichen Instandsetzungsarbeiten an den MiG-29-Maschinen im TEREM-Werk Georgi Benkowski in Plowdiw ausgeführt werden. Die bulgarischen Experten würden das deutsche Know-how verwenden, was einen multiplizierten Effekt hätte und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen würde. Und was wird es durch die Eliminierung der EADS verlieren, an der Deutschland, Frankreich und Spanien beteiligt sind?

Hinzu kommt ein weiterer Umstand: Wenn Bulgarien der NATO beitreten will, sollte es bestrebt sein, seine Rüstungstechnik allmählich an die Standards der Allianz anzupassen. Die Russen, die die bulgarischen MiG-29 modernisieren sollen, werden diese jedoch nicht gemäß den Anforderungen der NATO nachrüsten können. Sie besitzen einfach nicht die dafür erforderliche Lizenz.

Das Geschäft über die bulgarischen MiG-29 ist von großem Format, sowohl in wirtschaftlicher als auch in politischer Hinsicht. Bedeutet die jüngste Entscheidung praktisch den Verzicht auf eine Übernahme der NATO-Standards? Hat Bulgarien bereits die Hoffnung aufgegeben, dass es in diesem Herbst in die NATO eingeladen werden könnte? Oder will das Land, wie manche Beobachter in Sofia meinen, damit demonstrieren, dass es für die NATO nicht taugt und nicht eingeladen werden will?

Das alles sind natürlich nur Mutmaßungen. Die Realität ist klar: Bulgarien hat den ökonomischen und militärischen Interessen nicht nur Deutschlands und Europas, sondern überhaupt des Westens einen Fußtritt versetzt. Die frühere Regierung von Iwan Kostow hatte sich, anstatt auf die Instandsetzung der MiG-29-Flugzeuge auf die Beschaffung von amerikanischen F-16-Jägern orientiert. Obwohl dies nicht ganz den Interessen Europas entsprach, zeugte es doch von der unerschütterlichen Absicht, der NATO beizutreten.

In den letzten Monaten ist in Bulgarien keine einzige größere westliche Investition vorgenommen worden. Der Westen verhält sich zurückhaltend, verfolgt aufmerksam die Ereignisse im Land und wartet auf klare Signale aus Sofia, dass Bulgarien an seiner prowestlichen und proeuropäischen Orientierung festhält. Der Westen will auf keinen Fall verhindern, dass Bulgarien seine Beziehungen mit Russland verbessert. Schließlich würde dies auch im Interesse Europas liegen.

Doch die Eliminierung des europäischen Konsortiums, die offenbar absichtlich und vermutlich nicht ohne den Segen der höchsten Repräsentanten des Staates vorgenommen wurde, bringt Sofia in eine äußerst ungünstige Position gegenüber Europa. (...)

Die Entwicklung der Saga um die Instandsetzung und Modernisierung der Jagdflugzeuge ist leider nicht geeignet, das Vertrauen zum Investitionsstandort Bulgarien zu festigen.

Es wäre logisch anzunehmen, dass Bulgarien, das sich angeblich bemüht, beim Gipfeltreffen in Prag im Herbst dieses Jahres eine Einladung zum NATO-Beitritt zu erhalten, daran gelegen sein müsste, ein möglichst Pro-NATO- und Pro-EU-orientiertes Verhalten an den Tag zu legen. Daher entbehrt der Beschluss zur Ausschaltung des europäischen Konsortiums jeder gesunden Logik. Die Vergabe des Auftrags zur Instandsetzung und Modernisierung der MiG-29-Maschinen an einen Bewerber, der einfach nicht in der Lage ist, die Arbeiten selbstständig auszuführen, zeugt von einer ganz anderen Logik. Von welcher wohl?

Bekanntlich ist Bulgarien in den letzten Monaten um eine Verbesserung seiner Beziehungen mit Russland bemüht. Der Besuch von Vizepremier Wassilew in Moskau im Februar hat anscheinend einen Durchbruch in den bislang stagnierenden russisch-bulgarischen Beziehungen bewirkt. Vorbereitet wird auch eine Visite von Ministerpräsident Simeon Sakskoburggotski in Russland. Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass die Entscheidung, den russischen Interessen Vorrang vor den europäischen einzuräumen, das Resultat eines normalen politischen Verhaltens ist. Dies um so mehr, als die Dinge weitaus komplizierter sind: Russland ist, und zwar über den MiG-Konzern, an der MAPS (deutsch-russisches Konsortium / MiG Aircraft Product Support GmbH - MD) beteiligt, zu deren Aktionären auch die EADS zählt. Und gerade die MAPS hat bisher die im Bestand der westlichen Luftstreitkräfte befindlichen russischen Flugzeuge repariert. (fp)